Der, den man nie vor seiner Tür haben will

Darüber, dass er an der Tür klingelt, freuen sich die wenigsten. Weil er kommt dann, wenn Schädlinge im Haus sind. Doch was tut ein Kammerjäger? Mehr als nur Gift anwenden.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Instagram angezeigt.
Beim Gedanken an Schädlinge kommt meist Ekel und Scham auf. Manche Betroffene äußern deswegen den Wunsch, dass Kammerjäger Julian Knoll mit einem diskreten schwarzen Auto vorfährt. So ist der Schädlingsbefall nicht gleich für die nahe Umgebung ersichtlich. Doch diese Scham ist eigentlich nicht gerechtfertigt, denn jeder kann laut dem 26-Jährigen Opfer von Schädlingsbefall in den eigenen vier Wänden werden. „Der Hygienestatus sagt nichts aus, ob man Schädlinge bekommt oder nicht“, begründet dies Knoll. „90 Prozent der Schädlinge, die man sich ins Haus holt, kommen durch Verschleppung vom Lebensmittelhandel, von Paketzustelldiensten oder von Reisen“, erklärt er. Aus dem Urlaub im Mittelmeerraum oder von Au-Pair-Aufenthalten bringen Reisende teilweise Bettwanzen mit. „Dann hast du Pech gehabt, wenn du auf einer befallenen Matratze geschlafen hast“, so der ehemalige Profitrainer des Teamturnens in Schweden. Derzeit pendelt er zwischen Hard und Wien, dem Familienbetrieb und dem Meisterkurs. Er ist seit einem Jahr im Betrieb tätig.

Nicht nur lästige Tierchen können eingeschleppt werden. Pilzsporen sind etwa überall. Der Echte Hausschwamm kann durch Holz ins Haus geholt werden. Mit günstigen Bedingungen, wie Feuchtigkeit und kein Luftzug, wächst er und greift die Struktur des Hauses an. Knoll erzählt außerdem von Ratten, die bei Haushalten aufgrund von Kanalarbeiten aus der Toilette gekommen sind.
Gänzlich verhindert können Schädlinge also nicht werden, doch es kann für Prävention gesorgt werden. Um das Risiko zu minimieren, rät der Harder dazu, keine Lebensmittel bei bestimmten Onlineversandhändlern zu kaufen. Lebensmittelmotten, die mit Nüssen, Dörrobst, Mehl oder anderem befallenen Gut eingekauft werden, werden erst bei über zehn Grad aktiv. In solchen Fällen geht es dann um rasches Handeln. Denn wenn bei jeglichem Befall lange gewartet oder gezögert wird, besteht die Gefahr, dass das Problem ein großes wird und der Kammerjäger gerufen wird. „Mit Schädlingsbekämpfer will man nicht viel zu tun haben. Wenn der klingelt, hast du ein Problem“, sagt Knoll. Wer ein befallenes Lebensmittel entdeckt, sollte es sofort entsorgen. Das Einschleppen kann also nicht komplett verhindert werden, die Ausbreitung schon.
Chemie nicht erste Wahl
Falls es doch zu einem starken Befall kommt, denen private Personen mit Hausmitteln nicht mehr gewachsen sind, werden Motten professionell mit Kalt- und Heißvernebelung bekämpft. Dabei trägt Knoll einen Schutzanzug mit Vollvisier und Filtermaske. Anschließend darf für mehrere Stunden der Raum nicht betreten werden. Sonst bestünde eine Gefahr der Vergiftung durch das Einatmen. Chemie wird nur eingesetzt, wenn es notwendig ist.
Im Zuge der Besichtigung wird die Methode je nach Befall und Schädlingsart entschieden. Die erste Wahl ist dabei eine mechanische Methode. Bei einer thermischen Behandlung wird beispielsweise zunutze gemacht, dass die Insekten zu 70 Prozent aus Eiweiß bestehen. Eiweiß kocht beziehungsweise stockt ab 48 Grad Celsius. Wenn die Bekämpfung durch mechanische Verfahren nicht möglich ist, wird zur Vernebelung gegriffen. Die Produkte und die darin enthaltenen Wirkstoffe müssen zugelassen sein. Die Anwendung der Mittel wird dokumentiert.

„Die Schädlingsbekämpfung muss weg vom Einsatz von viel Chemie“, so Knoll. Stattdessen geht es laut ihm darum, sowohl den Lebensraum von Mensch als auch Tier respektvoll zu behandeln. Dabei geht es auch um Tierschutz. „Schädlingsbekämpfung ist kein Töten von Tieren“, erklärt er. Dabei geht es um die Kenntnis verschiedener Tiere, deren Aussehen und von Gesetzen. Bestimmte Arten wie Wespen oder Ameisen sind beispielsweise grundsätzlich geschützt. Hornissen- oder Wespennester dürfen nur entfernt werden, wenn eine Gefahr – wie etwa für Allergiker – besteht. Das entscheidet dann der Fachmann.
Schädling oder Lästling?
Auch nicht alles, was krabbelt und lästig erscheint, ist wirklich ein Schädling. Das ist jedoch nicht immer für den Laien erkennbar. „Wichtig ist es, dass der Kammerjäger weiß, mit welchen Schädlingen er es zu tun hat, damit wir auch die richtigen Maßnahmen setzen können“, so Knoll. Manche Schädlinge können aufgrund der Größe nur unter dem Mikroskop klar identifiziert werden. Wer also nicht über ein Mikroskop und das Fachwissen verfügt, kann nur wahllos eine Chemikalie anwenden. Diese müssen jedoch auf die Art abgestimmt werden. Knoll ergänzt, dass Schädlinge schon Resistenzen gegen die für die Allgemeinheit käuflichen Produkte entwickelt hätten. Kammerjäger verfügen über eine neuere Produktpalette. Nicht nur die Chemikalien, auch die Analyse können hilfreich sein.
Manche kleine Tierchen wirken womöglich erst wie eine Kakerlake, können sich durch das geschulte Auge dann aber nur als Lästling herausstellen. Wie etwa die Waldschabe. Diese muss nicht bekämpft werden, da sie im Lebensraum der Menschen nicht überleben kann. So kann dann der Einsatz von Chemikalien gespart werden. Sie ähnelt der Schabe. Doch der Schädling, kann durch die zwei braunen Striche am Rücken davon unterschieden werden.

Hilfe, eine Spinne!
Während Schädlinge das Mensch- und Tierwohl oder die Umgebung angreifen, dringen Lästlinge nur in den Lebensraum ein, ohne eine Gefahr darzustellen. Lästlinge, wie etwa Silberfische oder die Staublaus, sind zwar nicht erwünscht, werden aber nur bei enormem Befall bekämpft. Teilweise bekommt Knoll Anfragen für Spinnenbekämpfung. Diese wird aber nur in sinnvollen Fällen wie in wichtigen öffentlichen Gebäuden durchgeführt, wo die Optik essenziell ist. Sowas nennt Knoll eine Kosmetikbekämpfung. Denn eigentlich sind Spinnen nützlich, da sie Insekten fressen.
Generell gehe es um Prävention statt um Bekämpfung, so Knoll. Als Fassadenkletterer seilt er sich an Gebäuden ab und verschließt an schwer zugänglichen Stellen etwa den Spalt unter der Dachrinne so, dass Spatzen dort nicht mehr nisten können. Mit Stacheln können Tauben und mit großen Vogelattrappen Spechte ferngehalten werden. Denn dem größten Specht gehört das Revier. Das Unternehmen macht zudem Schädlingsmonitoring für Lebensmittelbetriebe.
Erlebnisse
Trotz der täglichen Arbeit mit Schädlingen kennt auch er Ekel und erzählt von Kunden, bei denen Kakerlaken unter Kästen hervorrennen. Solche Extremfälle kann er im Jahr an einer Hand abzählen. Messiwohnungen oder Tatorte sind fordernd. Wenn eine Leiche lange nicht gefunden wird, lockt es Schmeißfliegen an. Knoll erzählt von einem Innenhof, wo sich Tauben so vermehrt haben, dass er knietief im Kot stand. Abwechslungsreich ist der Beruf also, vom Klettern bis zum Mikroskopieren ist alles dabei. Diese Vielfalt mag Knoll.