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Zweifel am Zeitplan für den Kesseltausch

31.05.2023 • 23:00 Uhr
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Experten aus der Installateur-Branche halten den Klimaschutz-Zeitplan der Energieagentur für Vorarlberg für unrealistisch.

Bis zum Jahr 2030 müssen in Vorarlberg zum Erreichen der Klimaschutzziele rund 29.000 jener mehr als 60.000 Heizungsanlagen, die noch mit fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Erdgas betrieben werden, gegen alternative Heizsysteme getauscht werden. Das geht unter anderem aus einer Aufstellung der Österreichischen Energieagentur hervor. Als alternative Heizungssysteme in Frage kommen vor allem Wärmepumpen oder Biomasse-Anlagen, die mit Hackschnitzel, Pellets oder Stückholz betrieben werden.

Mehr hals 16 Anlagen pro Tag

Legt man die genannte Zahl von rund 29.000 zu tauschenden Heizungsanlagen auf sieben Jahre bis 2030 um, so kommt man dabei auf mehr als 4100 allein in Vorarlberg zu tauschende Heizungsanlagen pro Jahr. Legt man einem Jahr wiederum rund 250 Arbeitstage zu Grunde, so bedeutet dies, dass in Vorarlberg von heute an jeden Tag im Schnitt mehr als 16 Heizungsanlagen in Häusern und Wohnanlagen getauscht werden müssten, um diese Ziele zu erreichen.
Karl-Heinz Strehle, Innungsmeister der Vorarlberger Installateure und Inhaber des gleichnamigen Installationsbetriebes in Dornbirn, erklärte auf wpa-Anfrage hinsichtlich der Realitätsnähe solcher Zeitpläne: „Es ist wichtig, dass es Ziele gibt, auf die man hinarbeiten muss. Sonst würden wohl die wenigsten Menschen viel ändern. Allerdings ist es ebenso wichtig, dass Ziele auch in etwa umsetzbar sind, da sich sonst Frustration breit macht“, so Strehle. Das genannte Ziel von rund 29.000 zu tauschenden Heizungsanlagen in Vorarlberg bis 2030 sei mit den bestehenden Kapazitäten bei Installationsbetrieben nicht einmal annähernd zu erreichen.
In Vorarlberg gibt es gegenwärtig an die 230 aktive Installationsbetriebe, die auch Heizungsanlagen installieren. Darunter befinden sich allerdings sehr viele Kleinstbetriebe mit weniger als fünf Beschäftigten. Dass angesichts von grassierendem Personal- und Facharbeitermangel hier viele neue Betriebe dazukommen, gilt als unwahrscheinlich. Zwei von der wpa befragte Installationsbetriebe mit 15 bis 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gaben an, dass sie im Schnitt an die 30 bis 35 Heizungsanlagen pro Jahr installieren. Dabei seien teils aber auch Neubau-Projekte enthalten.

Längere Installationsdauer

Was man nicht vergessen dürfe: Die Herausforderung bei alternativen Heizsystemen sei unter anderem, dass die Installationsdauer deutlich höher liege, sagt Strehle. Könne man bei einem Gaskesseltausch etwa einen Arbeitstag kalkulieren, so liege man bei Wärmepumpen-Anlagen gleich einmal bei drei bis vier Tagen. Und bei Biomasse-Heizungen müsse man jedenfalls mit etwa sieben installationstechnischen Arbeitstagen rechnen. Dabei sei die adminis­trative Arbeit wie die Planung der Anlage noch gar nicht berücksichtigt. „Zudem benötigen die neuen Anlagen immer auch einen Elektriker und Biomasse-Anlagen zudem oft auch einen Kaminbauer“, schildert Strehle.
Von welchen Dimensionen hier die Rede ist, verdeutlichen die Angaben des Heizungs- und Sanitärgroßhändlers Inhaus in Hohenems. Inhaus ist einer der führenden Anbieter in Vorarlberg neben Firmen wie Viessmann, Walter Bösch und Vaillant. „Wir verkaufen pro Jahr im Schnitt 1000 Heizungsanlagen jeglicher Größe an Installateure, wobei Öl- und Gasheizungen rückläufig und gerade Luftwärmepumpen stark im Kommen sind“, sagt Jürgen Egender, Leiter der Abteilung Heizungsanlagen. Die genannte Zahl von mehr als 4100 Heizungssanierungen pro Jahr könnten Industrie und Fachhandel möglicherweise noch stemmen. Aber: „Der Flaschenhals ist mit Sicherheit die fachgerechte Installation der Anlagen. So etwas lernt man nicht in einem Wochenendkurs, dafür fehlen die Fachkräfte“, so Egender. Zudem nennt auch er den deutlich höheren Installationsaufwand bei alternativen Heizungssystemen.
Innungsmeister Karl-Heinz Strehle verweist noch auf eine andere Entwicklung: „Das Interesse an einem Heizkessel-Tausch ist nach dem wahnsinnigen Boom im Frühjahr 2022 mittlerweile auch in Vorarlberg deutlich abgeflaut. Wer nicht unbedingt muss, der saniert seine Heizung in der Regel nicht.“ Man liege jetzt wieder auf dem „normalen“ Nachfrageniveau von 2021. Wer sich eine neue Gasheizung anschaffe, der müsse mit Kosten zwischen 5000 und maximal 10.000 Euro rechnen. „Wer eine Biomasse- oder Wärmepumpen-Anlage möchte, der liegt zwischen 25.000 bis 50.000 Euro.“ Trotz hoher Förderungen seien das nach wie vor nicht zu verachtende Dimensionen für viele Hauseigentümerinnen und -eigentümer, sagt Strehle.

Andere Möglichkeiten

Der Tausch des Heizkessels ist allerdings nur eine Möglichkeit zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes von Gebäuden. Darauf verweist das Energieinstitut Vorarlberg. Die Energieagentur habe sich bei dieser Aufstellung für Gebäude nur mit dieser Möglichkeit beschäftigt und andere Varianten ausgeklammert. „Dabei kann man mit einer thermischen Sanierung von Gebäuden und einer Verhaltensänderung beim Heizen den CO2-Ausstoß ebenfalls deutlich senken“, so Pressesprecher Wolfgang Seidel. Wichtig sei, dass der CO2-Ausstoß in Vorarlberg zwischen 2020 und 2030 um 45 Prozent zurückgehe. Auch dem Energieinstitut sei bewusst, dass der Tausch von Heizungsanlagen trotz Förderungen mit hohen Kosten einhergehe und auch die Installationsbetriebe vor große Herausforderungen stelle.