Insolvenzen haben im ersten Halbjahr zugenommen

Sowohl was Privatinsolvenzen als auch was Unternehmensinsolvenzen angeht, gab es im ersten Halbjahr 2023 eine Zunahme. Grund ist unter anderem die Teuerung.
Die finanzielle Belastung für Bürgerinnen und Bürger in Vorarlberg ist enorm gestiegen. Nun, da das erste Halbjahr des Jahres 2023 sich dem Ende neigt, zieht der Kreditschutzverband (KSV) 1870 eine erste Bilanz der Insolvenzen. Mit einem Plus von 42,6 Prozent verzeichnet Vorarlberg im Ländervergleich den stärksten Zuwachs im Bereich Privatinsolvenzen. Laut einer aktuellen Hochrechnung des KSV1870 wurden im ersten Halbjahr 2023 in Vorarlberg 241 eröffnete Schuldenregulierungsverfahren gezählt. Ebenfalls gestiegen sind auch die vorläufigen Passiva – mit einem Zuwachs von 14,3 Prozent auf 16 Millionen. Daraus hervor geht, dass jeder Schuldner im Durchschnitt mit 66.400 Euro verschuldet ist.
Grund für die Zunahme der Privatinsolvenzen sind laut Verband vor allem die steigenden Lebenshaltungskosten, bedingt durch die Teuerung. „Auch wenn der aktuelle Anstieg im Rahmen ist, braucht es zielgerichtete Lösungen, um die Menschen in Österreich nachhaltig zu entlasten. Vor allem für jene Menschen, die bereits vor der Teuerungswelle Probleme hatten, finanziell über die Runden zu kommen. Andernfalls wird die Rechnung nicht mehr allzu lange aufgehen und die Zahl der Privatkonkurse deutlich steigen“, erklärt Regina Nesensohn, KSV1870 Leiterin Standort Feldkirch.
Rückgang im Vergleich zu 2019
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Auch, wenn im Vergleich der absoluten Zahlen, im ersten Halbjahr 2023 mit 241 Privatinsolvenz weniger Menschen pleite gegangen sind, als im Jahr 2019 mit 271 Privatinsolvenzen, die Expertin hält die Situation dennoch für gefährlich. Insbesondere, weil den Menschen bewusst sei, dass es sich um eine Krisensituation handle, gingen sie bedachter mit ihrem Geld um. „. Dennoch werden bei der aktuellen Kostenpolitik eher heute als morgen die privaten Reserven vieler Menschen aufgebraucht sein“, so Nesensohn.
Auch im weiteren Verlauf des Jahres, rechnet der KSV1870 mit keinem Rückgang. Daher geht der Verband mit Jahresende von rund 400 Privatpleiten aus.
Situation bei Firmen
Auch bei den Unternehmen hat die Zahl der Zahlungsunfähigkeiten zugenommen. Laut aktueller KSV1870 Hochrechnung sind im ersten Halbjahr 2023 in Vorarlberg 51 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Dabei sind die vorläufigen Passiva allerdings um 32,3 Prozent auf 22 Millionen Euro gesunken. In absoluten Zahlen waren im ersten Halbjahr 51 Firmen von einer Pleite betroffen. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem letzten „Normaljahr“ vor der Corona-Krise, gab es damals rund 20 Insolvenzen mehr.
In 22 Fällen wurde ein Verfahren nicht eröffnet, weil die Kostendeckung nicht gewährleistet war. Daher plädierte der KSV1870 in einer Pressemitteilung dafür, auch die bislang abgewiesenen Fälle zu eröffnen. „Es muss verhindert werden, dass finanziell gesunde Unternehmen aufgrund eines insolventen Geschäftspartners selbst ins Straucheln geraten. Dazu zählt unserer Meinung auch, etwaige Assets der nicht eröffneten Fälle genau unter die Lupe zu nehmen. Passiert das nicht, verlieren die Betriebe noch mehr Geld als das ohnehin schon der Fall ist“, so Nesensohn.
Größte Firmenpleiten
Vorarlbergs größte Firmenpleite betrifft die Insolvenz der myRobotcenter GmbH, wo rund 13,9 Millionen Euro an Verbindlichkeiten zu Buche stehen. Dieser Fall treibt die Passiva in Vorarlberg immens nach oben. Die größte Firmenpleite des Jahres in Österreich ist die Insolvenz Leiner & kika Möbelhandels GmbH mit rund 132 Mio. Euro.
Schwer betroffene Branchen

Wie die Statistik ebenfalls verdeutlicht, sind nicht alle Branchen gleichermaßen von Zahlungsunfähigkeiten betroffen. Wie aus der Pressemitteilung hervorgeht, sind der Bereich Tourismus/Gastronomie
(14 Fälle), der „Handel inkl. Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ (12 Fälle) und die Bauwirtschaft (6 Fälle) jene Branchen, in denen sich die meisten Insolvenzen ereignen. In Vorarlberg fallen 60 Prozent aller Firmenpleiten in diese Bereiche. Auch die meisten abgewiesenen Fälle sind in die drei Branchen zu verorten.
Es ist nach wie vor so, dass Insolvenzanträge häufig zu spät gestellt werden. Und zwar erst dann, wenn überhaupt keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung stehen und nicht einmal mehr das Verfahren bei Gericht selbst finanziert werden kann. Das ist auch insofern dramatisch, weil dadurch weitaus mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als eigentlich notwendig wäre.
Regina Nesensohn, KSV 1870
Blickt man auf die Prognose für das zweite Halbjahr, so lässt sich aufgrund der Entwicklung in den vergangenen Wochen keine Aussage für Vorarlberg treffen. In der Presseaussendung heißt es, die Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit könnten als „volatil“ betitelt werden. „Aktuell gilt es auch abzuwarten, welche Auswirkungen unter anderem die Ausbezahlung des „Urlaubsgeldes“ auf finanziell angeschlagene Unternehmen, und damit auch auf das derzeitige Insolvenzgeschehen, hat“, lautet die Begründung im Bericht. Generell ließe sich ein Nachholeffekt aus Krisenzeiten ablesen.