Leif Ove Andsnes: Ein Pianist mit sehr persönlicher Handschrift

Bei seinem Schubertiade-Auftritt kombinierte der Norweger Werke von Leoš Janáček, Alexander Wustin, Franz Schubert, Wolfgang Amadeus Mozart und Johannes Brahms.
Der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes begeisterte das Schubertiadepublikum am Montagabend mit einem interessanten und klug zusammengestellten Programm, durchzogen von Melancholie und Abschiedsschmerz, aber auch von Leidenschaftlichkeit und großem Klangsinn.
Die direkten Übergänge im ersten Programmteil haben vielleicht manche verwirrt, andererseits konnte so die klangliche wie inhaltliche Nähe der Kompositionen von Alexander Wustin, Leos Janacek, Walentyn Sylwestrow und sogar Franz Schubert zur Wirkung kommen.
Das „Lamento“ des russischen Komponisten Alexander Wustin lässt über einer Ostinatofigur der linken Hand eine hell timbrierte, wie improvisierend wirkende Melodie der rechten Hand kreisen: Bereits hier war die Anschlagskunst des Norwegers deutlich, zugleich war es eine Totenklage für den an Covid verstorbenen Komponisten. Auch Janaceks ungewöhnliche zweisätzige Sonate 1.X.1905 auf den Tod eines Brünner Demonstranten an diesem Tag bringt der Pianist zum Leuchten. Die sprechenden Motive und die besondere Harmonik im Werk des mährischen Komponisten verbinden sich mit der leidenschaftlichen Dramatik – dass draußen ein wohltuendes Gewitter niederging, gehört zur speziellen Schwarzenberger Dramaturgie!
Gemeinsame Sprache
So schlicht, zurückgenommen innig wie das Stück von Wustin wirkte auch die Bagatelle von Sylwestrow, dem 85-jährigen Ukrainer, der zu Beginn des Krieges noch rechtzeitig nach Berlin flüchten konnte – die Musik der beiden spricht eine gemeinsame Sprache. Indem auch Schuberts a-Moll-Sonate D 784 aus dem Unisono der Stimmen heraus beginnt und sich immer mehr auffächert, setzte sich das Programm stimmig fort. Beleuchtungswechsel, innige Lyrik, große Bögen im langsamen Satz und ein straff sprudelndes Finale zeigten die sehr persönliche Note von Leif Ove Andsnes.
In Mozarts kontrastreicher c-Moll-Fantasie KV 475 erlebte man die Tiefe des Ausdrucks und die Verwandlung in der Wiederaufnahme – auch Mozart und Andsnes nehmen auf eine Seelenreise mit! Die Wechsel von aufgewühlter Energie in den „Capricci“ und Wärme in den oberstimmensatten „Intermezzi“ der Fantasien op. 116 von Brahms setzte der norwegische Klangfarbenmeister ans Ende seines Programms und bedankte sich mit einem schwärmerischen „Frühlingslied“ von Dvorak und einer leuchtenden Mazurka von Chopin.
Katharina von Glasennap