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Diese Abgabe macht viele unbewusst zu Steuerhinterziehern

01.07.2023 • 23:00 Uhr
Im Nenzinger Himmel lässte es sich trotz Gästetaxe gut entspannen. <span class="copyright">Jörg Stadler</span>
Im Nenzinger Himmel lässte es sich trotz Gästetaxe gut entspannen. Jörg Stadler

Eine Abgabe im Tourismusbereich macht viele Vorarlberger unwissend zu Steuerhinterziehern.

Wenn es einen Himmel gibt, in dem man Steuern zahlen muss, dann liegt er in Österreich – genauer gesagt über Nenzing. Natürlich werden überall Umsatz-, Körperschafts- oder Grundsteuern fällig, aber im Nenzinger Himmel gibt es noch eine besondere Abgabe: die Gästetaxe.

Kürzlich langte in der Redaktion der NEUE am Sonntag das Schreiben eines Lesers ein, der von der Marktgemeinde Nenzing über die Gästetaxe informiert worden war. Die Gemeinde verschickt zusammen mit dem Müllkalender jährlich eine solche Erinnerung an die Hüttenbesitzer im Nenzinger Himmel. Diese enthält den Hinweis, dass die Abgabe nicht nur für zahlende, sondern für alle Gäste zu leisten ist, die nicht von den Ausnahmebestimmungen im Tourismusgesetz profitieren. Damit ist die Gemeinde im Recht, doch die gesetzlichen Regelungen gehen noch weiter: Nicht nur Gäste im Nenzinger Himmel müssen die Abgabe entrichten, auch alle anderen, die in Nenzing entgeltlich oder unentgeltlich übernachten. Außerdem gilt das nicht nur für Nenzing, sondern für etliche weitere Gemeinden im Land.

Förderung des Fremdenverkehrs

Schon als der Tourismus noch Fremdenverkehr hieß, waren die Länder für seine Förderung und Regulierung zuständig. So beschloss der Vorarlberger Landtag 1966 das sogenannte Fremdenverkehrsgesetz. Darin hieß es etwa salbungsvoll, der Tourismus stehe „unter einem besonderen Schutz“. Worin dieser bestehen könnte, führte das Gesetz aber nicht weiter aus, da es sich in weiterer Folge damit beschäftigte, steuerliche Modalitäten zu regeln. Gäste sollten demnach sogenannte Gästetaxen abführen und Unternehmen Fremdenverkehrsbeiträge entrichten. Diese dienten laut Gesetz zur Deckung der Kosten der Gemeinden „für fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen und Einrichtungen“.

Natürlich hatte es bereits davor „Kurtaxen und Fremdenverkehrsförderungsbeiträge“ gegeben, die das Land 1950 eingeführt hatte, um ähnliche Regelungen aus der Nazi-Zeit zu ersetzen. Das neue Gesetz aus dem Jahr 1966 regelte die Angelegenheit aber erstmals ausführlich. Es gilt mit verschiedenen Änderungen und Wiederverlautbarungen noch heute unter der Bezeichnung Tourismusgesetz.

„Ist die Übernachtung bei Freunden wirklich gleich wie die Übernachtung im Gasthaus zu sehen?“

Peter Bußjäger, Universitätsprofessor

Wer zahlt wo?

Die Problematik in Nenzing spießt sich an zwei Fragen: Wo ist die Gästetaxe zu entrichten und von wem? Die Gemeinden können sich laut Tourismusgesetz zu Tourismusgemeinden erklären. Das bedeutet, dass die Taxe dann im gesamten Gemeindegebiet fällig wird. Ausnahmemöglichkeiten gibt es nur für Personenkreise aber nicht für bestimmte Gebiete innerhalb einer Ortschaft.

Bezahlen muss die Taxe grundsätzlich jeder, der keinen Hauptwohnsitz in der Gemeinde hat oder dort eine Zweitwohnsitzabgabe zahlt. Auch Häftlinge und Geiseln sind ausgenommen: „Gäste im Sinne dieses Gesetzes sind alle Personen, die sich freiwillig in einer Gemeinde des Landes außerhalb ihres Hauptwohnsitzes aufhalten.“

Das Landesgesetz listet in der Folge noch weitere Personenkreise auf, die keine Gästetaxe zahlen müssen: Spitalspatienten etwa oder unmündige Minderjährige. Auch wer bei seinen Eltern, dem Ehepartner, eingetragenen Partner oder „einem Verwandten oder Verschwägerten in auf- und absteigender Linie“ nächtigt, ist befreit. Das gilt auch für Übernachtungen bei einer Nichte, einem Neffen oder noch näheren Verwandten.

Nirgends verlangt das Gesetz aber, dass die Übernachtung entgeltlich sein muss, um die Abgabepflicht auszulösen. Daher ist auch der entsprechende Hinweis der Marktgemeinde Nenzing berechtigt, dass auch Hüttenbesitzer, die beispielsweise Freunde bei sich nächtigen lassen, die Gästetaxe einheben und abführen müssen.

Hangrutsch auf Gampadonaweg in den Nenzinger Himmel <span class="copyright">Agrargemeinschaft Nenzing</span>
Hangrutsch auf Gampadonaweg in den Nenzinger Himmel Agrargemeinschaft Nenzing

Zwar können die Gemeinden selbst weitere Ausnahmen vom Gesetz per Verordnung festlegen, doch tun dies die wenigsten. Zwei dieser Ausnahmen sind Hohenems und Dornbirn, wo man die Tragweite der Abgabenpflicht offenbar verstanden hat. In den sogenannten Taxordnungen der beiden Städte heißt es, dass „Personen, die im Stadtgebiet unentgeltlich nächtigen“ generell von der Abgabepflicht ausgenommen sind. Diese Ausnahme fehlt aber beispielsweise in den Taxordnungen von Bregenz, Feldkirch, Bludenz, Lustenau oder Lech.

Die Landeshauptstadt macht in ihrer Verordnung zur Gästetaxe dafür mit der Wortkreation „Gäst:innen“ auf sich aufmerksam. Die vielerorts fehlende Ausnahmebestimmung hat zur Folge, dass beispielsweise der 16-jährige Freund der Tochter, der in Altach wohnt und einmal bei der Familie seiner Angebeteten in Lustenau nächtigt, am nächsten Morgen den Eltern einen Euro Gästetaxe zahlen müsste.

Auch wenn die Abgabenhöhe in der Regel überschaubar ist, dürfte es durch die fehlende generelle Ausnahmeregelung für unentgeltliche Übernachtungen im Gesetz doch jährlich zu zehntausenden unbewussten Steuerhinterziehungen im Land kommen.

Fehlende Ausnahme

Die Landesregierung hatte bei der Vorlage des Gesetzes 1966 erklärt, dass die Ausnahmen alle treffen sollten „deren Heranziehung zur Steuerleistung allgemein als unbillig zu beurteilen wäre“. Man wollte also niemanden besteuern, der sich aufregen könnte. Die Gemeinden könnten etwa „eine Befreiung für Gäste in Schutzhütten oder Jugendherbergen“ vorsehen, hieß es weiter. Damals dachte offenbar niemand daran, kostenlose Übernachtungen im Gesetz generell von der Gästetaxe auszunehmen.

Der Vorarlberger Verfassungsjurist und Universitätsprofessor in Innsbruck, Peter Bußjäger, sieht in der Einhebung der Gästetaxe bei kostenlosen Privatübernachtungen eher kein größeres Problem im Hinblick auf das Grundrecht auf Privat und Familienleben. Die Frage sei eher, ob die Abgabenpflicht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz entspreche: „Ist die Übernachtung bei Freunden wirklich gleich wie die Übernachtung im Gasthaus zu sehen?“ Schließlich könne die Gemeinde dann doch mit einer Verordnung die Abgabepflicht ausschließen.

Bis das Land das Gesetz ändert, die Gemeinden ihre Gästetaxen anpassen oder der Verfassungsgerichtshof über eine Ein-Euro-Abgabe entscheidet, taugt die Steuer zumindest zur Vertreibung unliebsamer Gäste.