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Das älteste ist nun das jüngste Medium

04.07.2023 • 18:12 Uhr
Am Freitag erschien die letzte Ausgabe der "Wiener Zeitung", am 1. Juli ging "WZ" online.
Am Freitag erschien die letzte Ausgabe der “Wiener Zeitung”, am 1. Juli ging “WZ” online. APA/AFP/ALEX HALADA

Jung, multimedial und fast trotzig gibt sich „WZ“, der Nachfolger der „Wiener Zeitung“. Die traditionsreiche Marke wird damit fast aufgegeben. Das muss nicht schlecht sein.

Sagen Sie niemals „Wiener Zeitung“ zu ihr. Weil weder eine Zeitung noch wienerisch will sein, was sich nun kurz „WZ“ nennt. Darüber hinaus hat die Vorgängerin ein Attribut, das der Nachfolger meidet wie der Teufel das Weihwasser: alt. Und nichts war älter als die „Wiener Zeitung“.
Vernehmbarer Trotz leuchtet durch die ersten Beiträge des vorerst ausschließlich online erscheinenden Nachfolgeprojekts. Nicht etwa gegenüber jener Politik, die gänzlich unbeirrt die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt einstellte. Den Trotz teilte „WZ“ hingegen gegenüber traditionellen Medien aus. Fast genüsslich berichtet man über das zeitgleich mit der Einstellung der „Wiener Zeitung“ erfolgte Ende einer Epoche in der heimischen Papierindustrie: Die Papierfabrik Steyrermühl erzeugte am Freitag die allerletzte Rolle österreichischen Zeitungspapiers.

Seit 30. Juni ist die „Wiener Zeitung“ also Geschichte. Die Tränen sind getrocknet, jedenfalls die Krokodilstränen jener, die nie ehrlich daran interessiert waren, dem alten, ja ältesten Medium ein nicht auf staatliche Almosen ausgerichtetes wirtschaftliches Konzept zu ermöglichen. Das immerhin, könnte die Medienministerin an dieser Stelle anmerken, verbrach nicht erst die aktuelle Regierung. Schon in den Jahrzehnten davor wurden solche Maßnahmen bewusst unterlassen.

Auch jetzt gilt: Die mit stattlichem Budget und im doppelten Wortsinn druckfreie „WZ“ wird für traditionelle Tageszeitungen keine Konkurrenz sein. Wenn schon, dann für kostbare Klein- und Mittelständer wie „Datum“, „Dossier“ oder „Die Chefredaktion“, die sich, anders als „WZ“, am Markt finanzieren müssen.

Wie fragil das primär auf TikTok, Instagram und Yotube setzende Geschäftsmodell ist (wenn hier von einem Geschäftsmodell die Rede sein kann), bewies Elon Musk am Wochenende, als er spontan die Zahl der täglich lesbaren Beiträge reduzierte. Der Social-Media-Gigant, er gibt und nimmt. Die Geiselhaft ist freilich alternativlos, will man viele Junge erreichen.