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“Bei uns im Dorf werden so gut wie alle alten Menschen zu Hause betreut”

25.07.2025 • 16:45 Uhr
"Bei uns im Dorf werden so gut wie alle alten Menschen zu Hause betreut"
Thomas Konrad ist seit 2020 Bürgermeister in Langenegg.hartinger

Bürgermeister Thomas Konrad spricht im NEUE-Interview über die Gemeindegeschichte, Visionen und Visionäre – und warum er sein Gehalt mit der Vize-Bürgermeisterin aufgeteilt hat.

Von Kurt Bereuter
neue-redaktion@neue.at

Wie wird man als „Ländler“ Bürgermeister von Langenegg?

Thomas Konrad: Über unsere Kinder im Kindergarten und in der Schule hatten wir sehr schnell Zugang zu den Langeneggern gefunden und als mich der damalige Bürgermeister Georg Moosbrugger fragte, ob ich mir eine Mitarbeit in der Gemeindevertretung vorstellen könne, habe ich zugesagt und kam im Jahr 2015 als erster Ersatz in die Gemeindevertretung. Nach der Pensionierung des Bürgermeisters soll ich dann einmal gesagt haben, dass ich es machen würde, bevor wir vom Land draußen verwaltet werden. Und so kam es, dass ich dann auch dezidiert gefragt wurde, ob ich das Amt übernehmen würde. Mit der Vize-Bürgermeisterin Katharina Fuchs an meiner Seite habe ich mir dieses Amt dann nebenberuflich zugetraut, um es auch auf breitere Schultern zu legen. Wir haben dann, was im Vorderwald völlig neu war, unser Gehalt aliquot aufgeteilt.

Obwohl es nur eine Liste „Langenegg verbinden“, gab, Sie parteifrei sind, ist ihre Vizebürgermeisterin bei den Neos engagiert und wird im Herbst in den Vorarlberger Landtag einziehen.

Konrad: Ja, dazu gratuliere ich ihr und ich freue mich, wenn wir durch sie einen direkten Draht ins Landhaus haben. Aber ich kann sagen, dass wir in der Gemeindevertretung parteifreie, sehr gute und konstruktive Sachpolitik machen und wir hervorragend zusammenarbeiten. Wir haben klare Kompetenzbereiche ausgemacht und treffen uns wöchentlich zu Jour-fixe-Terminen, um uns gut abzustimmen. Das klappt hervorragend.

"Bei uns im Dorf werden so gut wie alle alten Menschen zu Hause betreut"
Seit 2015 in der Gemeindepolitik aktiv: Thomas Konrad setzt auf Teamarbeit, Nachhaltigkeit und Bürgernähe.

Bei einem Wohnbauprojekt in der Gemeinde gab es aber doch massiven Widerstand?

Konrad: Ja, das ist richtig, aber dieses Thema hatten wir geerbt und war schon davor in der Bauverhandlung eskaliert. Wir organisierten Workshops und konnten die Notwendigkeit von verdichtetem Wohnbau erklären – gerade als e5-Gemeinde der ersten Stunde – auch als Chance für junge Langenegger. Mittlerweile sind dort die Bewohner und ihre Nachbarn mit dem Projekt sehr zufrieden.

Apropos e5-Gemeinde: Langenegg galt ja lange Zeit als „verschlafen“, bis zu Bürgermeister Peter Nussbaumer, der ein Visionär war.

Konrad: Langenegg ist Anfang der 90er-Jahre in den Medien als die ärmste Gemeinde Österreichs bezeichnet worden und von Bevölkerungsabzug geprägt. Bürgermeister Peter Nussbaumer gelang die Ansiedlung verschiedener Gewerbebetriebe am Ortsrand Richtung Krumbach, die Entwicklung eines neuen Dorfzentrums „Neue Mitte“ in der Parzelle Bach, das „Café Stopp“ wurde mit einem Verein im Hintergrund gebaut, der Kindergarten neu errichtet und das „Bachhaus“ wurde renoviert und es kamen eine Zahnarzt- und Arztpraxis hinein. Spannenderweise war auch diese ärmste Gemeinde eine der ersten, die in den Bereich Energie investierte und bald zu einer e5-Gemeinde wurde. Der Gemeinde war auch Energie ein wichtiges Thema und zugleich wurden die Moore im „Nord“ zum Schutzgebiet erklärt. So hatte sich die Entwicklung durch eine starke Person als Bürgermeister bis Ende der 1990er-Jahre sehr zum Positiven gedreht. Für uns ist das nicht nur ein Marketinggag, sondern tatsächlich Haltung mit einem klaren Leitbild im Hintergrund. Die nachfolgenden Gemeindeoberhäupter Georg Moosbrugger (2006-2015) und Kurt Krottenhammer (2015-2020) konnten die positive Entwicklung der Gemeinde Langenegg fortführen.

Bei den Betriebsansiedelungen war auch die Firma Hoeckle dabei, die in den letzten Jahren mit Krisen zu kämpfen hatte.

Konrad: Ja, aber auch die Firma „Gerola“ konnte angesiedelt werden. Zu beiden deutschen Unternehmen kam der Kontakt über ihren Urlaub in der Region zustande. Ihnen hatte der Ort und die Menschen mit ihrer Einstellung gefallen. Und ja, bei der Firma Hoeckle gab es Krisen, auch Geschäftsführerwechsel und eine Verringerung der Arbeitskräfte. Als Kurbelwellenhersteller musste die Firma auf die technischen Rahmenbedingungen reagieren und wir hoffen, dass dies gut gelingt. Ein offenes Miteinander ist uns wichtig, zudem bezahlen sie Kommunalsteuer und pflegen eine gute Kommunikation mit der Gemeinde und bieten Arbeitsplätze für Menschen in der Region.

Spielt der Tourismus noch eine Rolle?

Konrad: Nur mehr eine sehr untergeordnete. Die Privatzimmervermietung ist in den letzten 50 Jahren fast verschwunden. Wichtiger geworden ist die Gastronomie, vor allem die Tages- oder Zweitages-Gäste im Seminarbereich durch die „Krone“ in Langenegg und der Ausflugstourismus in unsere Region.

An der Grenze zu Langenegg gibt es ein neu geschaffenes interkommunales Gewerbegebiet.

Konrad: Alle neun Vorderwälder Gemeinden haben gemeinsam dieses Gewerbegebiet, als Wirtschaftsgemeinschaft Vorderwald, geschaffen und der interkommunale Finanzausgleich funktioniert bislang gut. Allerdings konnten wir bisher erst ein Gebäude errichten und vermieten, weil in den vergangenen Jahren durch die massive Baukostensteigerungen wieder einige Firmen abgesprungen waren. Aber das Projekt wird weiter forciert und wir freuen uns auf kleinere und größere Handwerksbetriebe, die sich dort ansiedeln wollen und werden.

"Bei uns im Dorf werden so gut wie alle alten Menschen zu Hause betreut"
„Ich möchte in Langenegg alt werden“ – Bürgermeister Thomas Konrad über seine Vision für das Dorf.

Und die finanzielle Situation der Kleingemeinde?

Konrad: Unsere Gemeindeverschuldung ist relativ gering, die Infrastruktur gut im Schuss und wir können noch klug investieren. Aber Projekte wie der Trinkwasserverband, die Gemeindestraßen, ein neues Feuerwehrhaus und der neue Radweg nach Lingenau müssen finanziert werden. Auch werden wir weitere sechs Klassen unserer Schule sanieren. Wir sind als Gemeinde infrastrukturell gut aufgestellt, von der Kinderbetreuung bis zur Seniorenbetreuung. Und so gut wie alle alten Menschen werden bei uns im Dorf zu Hause mit Unterstützung des Sozialsprengels Vorderwald und 24-Stunden-Betreuern betreut. Wir haben auch eine funktionierende Sennerei und einen Nahversorger im Dorf.

Wie sieht es mit Jugend und Vereinen aus?

Konrad: Wir haben ein starkes Vereinsleben, in das auch die Jugend und die Kinder gut eingebunden sind. Dazu haben wir die Infrastruktur laufend erweitert und mit Vizebürgermeisterin Katharina Fuchs eine weitere sehr gute Ansprechperson für die Kinder- und Jugendbelange.

Und Ihre persönliche Vision als Bürgermeister?

Konrad: Ich möchte ganz sicher in Langenegg alt werden und hier bleiben. Aber nicht als Bürgermeister in Pension gehen, sondern weiter gemeinsam an unseren Projekten und Vorhaben arbeiten, junge Menschen zur Mitarbeit motivieren, weiter an guten Strukturen arbeiten und dann mit gutem Gewissen sagen können, jetzt sind die Nächsten dran und dieses Amt wieder abgeben. Persönlich habe ich schon das Ziel, in meinem Leben noch einmal etwas Neues zu machen. Noch bin ich mit meiner Gemeinde auf dem Weg, die gemeinsam erarbeitete Vision für unser Dorf umzusetzen. Der Schlüssel dazu ist, nichts für selbstverständlich zu nehmen, sondern hinzuschauen, zuzuhören und aktiv zu verbessern. Es ist ein Tauziehen zwischen Tradition und Moderne für eine lebenswerte Heimat und eine lebendige Gemeinschaft.

Zur Person

Thomas Konrad (48) stammt aus Dornbirn, seine Frau aus Kärnten. 2011 siedelten sie sich in Langenegg an. Bevor er sich 2015 als Markenentwickler selbständig machte, war er als „Head of Marketing & Communications“ für einen international tätigen Logistikkonzern tätig. 2015 wurde er als erster Ersatz in die Gemeindevertretung gewählt und übernahm 2020 das Bürgermeisteramt. 2025 in zweiter Amtsperiode. Nebenberuflich, denn er ist weiterhin als Berater tätig. Seine Freizeit verbringt er gerne in der Natur mit seiner Frau und seinen beiden Kindern.