Zu Besuch in Österreichs „Regierungsbunker“

Im „Regierungsbunker“, tief in einem Salzburger Stollen, soll Österreichs „Sky Shield“-Kommando Platz finden.
Der Weg zum bestbewachten Bunker Österreichs soll an diesem Vormittag mit einem S-70 „Black Hawk“ Hubschrauber des Bundesheeres zurückgelegt werden. Doch bei der Maschine leuchtet die Rotorbremsleuchte, „das ist noch nie passiert“, raunt ein Pilot. Der „Vogel“ bleibt am Boden, Witze über den Zustand des Heeres machen die Runde. Nach einem Umweg über den Fliegerhorst Langenlebarn heben zwei funktionstüchtige „Black Hawks“ Richtung Salzburg ab.
Dort, genauer gesagt in St. Johann im Pongau, betreibt das Bundesheer die hochgesicherte „Einsatzzentrale Basisraum“, auch „Regierungsbunker“ genannt. Wer in die in den 80er Jahren angesichts des Kalten Krieges erbaute Bunkeranlage will, in der ganzjährig 22 Grad herrschen, muss sich von Handy, Laptop, Smartwatch und Co. verabschieden. Auch das Fotografieren und Filmen ist nur an vom Bundesheer freigegebenen Stellen im Stollenbau möglich. Der Weg dorthin führt über einen langen, dunklen Tunnel, der im Schritttempo befahren wird. Wer hier arbeitet, nimmt aber meist eines der unzähligen Fahrräder, die am Eingang hängen, um vor die schweren Eingangstore zu kommen.

Künftiges Sky Shield Kommando
Grund für die hier geltende und höchste Sicherheitsstufe A: In der fünfstöckigen Bunkeranlage befindet sich – neben Servern mit EU-Schengendaten und einer Unterbringungsmöglichkeit für Regierung und Bundespräsident im Kriegsfall – die Luftraumüberwachung des Landes. Und bald vielleicht auch das Kommando für Österreichs Beteiligung an der heiß diskutierten „Sky Shield Initiative“.
Bundeskanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) betreten mit prüfenden Blicken den Kontrollraum, das Herzstück des Bunkers. Hier sitzen Männer und Frauen vor modernen Bildschirmen an in die Jahre gekommenen Schreibtischen und neben einem noch älteren Faxgerät. An den Arbeitsplätzen wird jedes einzelne Gespräch aufgezeichnet. Auf großen Leinwänden flimmern bunte Codes, die für Flugobjekte stehen, die sich gerade in und um Österreich tummeln.
“Andere Länder beneiden uns um unser System“, sagt der Kommandant der Luftstreitkräfte, Gerfried Promberger, und blickt auf die Leinwand. Die „Goldhaube“, wie das System genannt wird, lässt die Radar-Experten bis weit über die Landesgrenzen und tief in den Osten blicken. 1,93 Millionen Überflüge wurden 2022 registriert, wer keine Genehmigung hat, zu dem gesellt sich im Ernstfall binnen 20 Minuten nach Gefahrenmeldung ein Eurofighter, um aus dem heimischen Luftraum „hinauszubegleiten“.
151 Luftraumverletzungen
151 Mal kam es im vergangenen Jahr zu Luftraumverletzungen. „Das sind dann aber oft eher Hobby- und Privatflieger, die jemanden beeindrucken wollen und von ihrem Kurs abweichen“, erzählt ein Mitarbeiter im Bunker. „Die fühlen sich auch über Funk oft nicht angesprochen, schauen dann aber ordentlich, wenn neben ihnen ein Hubschrauber von uns auftaucht.“ Eine mehrere Tausend Euro hohe Strafe ist hier oft die Folge.
Deutlich gefährlicheren Flugobjekten will man künftig mit einem „Sky Shield“ Beitritt begegnen. Das europäische System sieht gemeinsamen Luftraumschutz vor – inklusive Möglichkeiten des Abschusses von Raketen. Vergangene Woche hatte Tanner eine Beitrittserklärung unterschrieben, man prüfe nun die Verträge. Tritt Österreich bei, wird die Initiative vom Bunker in Salzburg aus koordiniert. Hier tausche man schon jetzt Radardaten mit Deutschland und der Schweiz aus, mit Slowenien und Italien laufen Verhandlungen.
Die Initiative sei „kein Widerspruch zur Neutralität“, sagt Promberger. „Weil wir auf uns selbst aufpassen.“ Die Hoheit über die eigene Waffengewalt bleibe unangetastet. Und er nennt ein Beispiel. Jene militärische Drohne, die im vergangenen Jahr in Zagreb abgestürzt war, wäre unter „Sky Shield“ „niemals so weit gekommen“.

Unklare Kosten
Wie viel das „Schließen von Überwachungslücken im österreichischen Luftraum“, wie es sich Kanzler Nehammer von „Sky Shield“ verspricht, kosten wird, könne laut Verteidigungsministerin Tanner noch nicht genau beziffert werden. Zuletzt war von zwei Milliarden Euro die Rede. Es müsse jedoch etwas getan werden, „die Welt ist eine andere geworden“. Aktuell sind für die Luftraumüberwachung jährlich 660 Millionen Euro vorgesehen. Ob der neue Schutzschirm wirklich wie geplant bis 2025 aufgespannt werden kann, ist jedoch unklar.
Der lange Tunnel führt zurück in die Hitze, die Telefone finden ihre Besitzer. Und kurz darauf schließt sich der wohl bestbewachte Schranken des Landes wieder.