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Dafna Maimons Einladung in den Darm

12.07.2023 • 23:00 Uhr
Die Künstlerin Dafna Maimon.<span style="background-color: rgba(111, 111, 111, 0.2); color: rgba(111, 111, 111, var(--tw-text-opacity)); font-size: 0.75rem; text-transform: uppercase;"><span class="copyright">Klaus hartinger</span></span>
Die Künstlerin Dafna Maimon.Klaus hartinger

Am Samstag eröffnet die Stadt Bregenz im Magazin 4 die Gruppenausstellung „Das große Fressen“.

Nicht das Gesicht, sondern das Innenleben des Körpers zeigt die Künstlerin Dafna Maimon, wenn sie ihren fiktiven Charakter „Shelly“ portraitiert. Eine Videoschleife zeigt eine Frau mittleren Alters, die sich in ihrer Wohnung von einer Fleischmahlzeit zur anderen hangelt und auf der Couch liegend die endlosen Nachrichtenberichte über sich ergehen lässt. Die Welt ist entsetzt vom Tod des letzten Orang-Utans und ähnlich wie dieser sei auch Shelly „entfremdet in ihrer eigenen seltsamen, kleinen Wohnung“ und von ihrer Natur getrennt.

Appetit unserer Zeit

Die Figur soll nicht als Individuum, sondern als Teil ihrer Umwelt betrachtet werden, die Shelly in ihrer Existenz stark beeinflussen. „Was für ein Mensch ist sie geworden, weil sie in einer Gesellschaft lebt, in der diese Art von Appetit vorkommt?“, beschreibt Maimon ihren Zugang zur Installation in der gestrigen Pressekonferenz im Magazin 4. Mit dem Video versucht die Künstlerin, verschiedene Konstrukte unserer Welt kritisch widerzugeben. Maimon verweist etwa auf die Massenproduktion von Fleisch, das in verarbeiteter Weise konsumiert wird und ebenso auf deren Werbung, bei der üblicherweise Frauenbilder verwendet würden. „Kühe und Schweine werden oft verweib­licht“ und genau wie auch Frauen schon seit sehr langer Zeit objektiviert werden, werden Tiere nicht mehr als Wesen mit Gefühlen wahrgenommen, wenn es darum geht, sie zu essen, erklärt die Künstlerin tiefer­gehende Aspekte ihrer Arbeit.

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Videoloop. Klaus hartinger

Noch näher an das Innenleben der Protagonistin geraten die Besucher im zweiten Teil des Portraits, wo sie im Grunde dazu eingeladen werden, „von Shelly verschlungen zu werden“. Mit dem als Tunnel angelegten begehbaren Darm möchte Maimon auf spielerisch abstrakte Weise eine andere Perspektive auf die Beziehung von Gedanken, Gefühlen und Körper ermöglichen. Mithilfe von Licht- und Soundeffekten werden die biologischen Geräusche der Eingeweide, aber ebenso die Erinnerungen der Person verdeutlicht.

„Ich habe mir vorgestellt, wie es sich anhört, wenn man etwas gegessen hat und das Stück Huhn aufhört, ein Stück Huhn zu sein und ein Teil von einem selbst wird. Könnten wir die Stimme des Huhns hören, das die Welt verlässt?”

Dafna Maimon,
über „Indigestibles“
Michael Rauth, Dafna Maimon und Michael Ritsch. <span style="background-color: rgba(111, 111, 111, 0.2); color: rgba(111, 111, 111, var(--tw-text-opacity)); font-size: 0.75rem; text-transform: uppercase;"><span class="copyright">Klaus hartinger</span></span>
Michael Rauth, Dafna Maimon und Michael Ritsch. Klaus hartinger

Facettenreich

und um Dafna Maimons Ausstellung „Indiges­tibles“ im Magazin 4 dreht sich die Gruppenausstellung „Das große Fressen“, die am Samstag eröffnet wird, um Konsum, Überfluss und Ressourcenknappheit. Ausgangspunkt des Themas ist der 1974 erschienene französisch-italienische Kinofilm „La Grande Bouffe – Das große Fressen“, in dem satirisch die selbstzerstörerische Konsumgesellschaft unter die Lupe genommen wird. Damals sei der Film heftig kritisiert worden, von der heutigen Zeit aus betrachtet, habe er aber eine zentrale Aussage, sagt Kulturstadtrat Michael Rauth. „Lebensüberdruss und Leben im Überfluss bedeuten eigentlich das Ende, das zeigt der Film – das Ende des Lebens um uns herum, womöglich auch das Ende des Lebens der Natur.“

Die Künstler Roland Adlassnig und Lucie Strecker.<span style="background-color: rgba(111, 111, 111, 0.2); color: rgba(111, 111, 111, var(--tw-text-opacity)); font-size: 0.75rem; text-transform: uppercase;"><span class="copyright">Klaus hartinger</span></span>
Die Künstler Roland Adlassnig und Lucie Strecker.Klaus hartinger

Diesem Thema des Lebens im Überdruss und auch der Frage nach der Verantwortung widmet sich der Bregenzer Kultursommer 23 in neun ineinandergreifenden Ausstellungen und Installationen und neun Interventionen und Performances. In unterschiedlichen Aspekten soll dabei das Wertesystem unserer Gesellschaft kritisch hinterfragt werden.

Beispielsweise beschäftigt sich das Künstlerduo Honey & Bunny in fotografischen Inszenierungen mit der Nahrungsrealität und dem von der Natur entfremdeten industriell produzierten Essen. Ironische Bilder sollen Zusammenhänge sichtbar und andere Wahrnehmungen möglich machen. Lucie Strecker und Phillipe Riéra präsentieren im Erdgeschoss des Magazin 4 eine installative Dinner-Szene auf Toiletten, während Roland Adlassnig im kleinen Nebenraum legale Suchtmittel wie Kaffee, Schnaps und Zigaretten auf den Altar bringt.

Rahmenprogramm und alle Ausstellungen zum Kultursommer 2023 unter www.bregenz.gv.at/kultur