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Spitzengehälter: Turbo-Gesetz für die Neidgesellschaft

15.07.2023 • 13:35 Uhr
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Der ORF will in Zukunft transparenter sein.APA/EVA MANHART

Die im ORF-Gesetz vorgesehene Veröffentlichung von Spitzengagen hat eine zwiespältige Wirkung.

Wer brutto mehr als 170.000 Euro pro Jahr verdient, der steht künftig namentlich samt Gehalt und Nebeneinkünften in einem öffentlichen Transparenzbericht. Das neue ORF-Gesetz geht also weiter, als es seine Macher sonst tun. Denn sie schützen unverdrossen das Amtsgeheimnis und damit die Einkommensverhältnisse vieler Staatsdiener vor der Neugier ihrer Finanziers, den Steuerzahlern.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird so zum Pilotversuch des digitalen Prangers. Bei anderen Unternehmen mit staatlicher Mehrheit darf nicht einmal der Rechnungshof individuelle Chefgagen benennen sondern nur das Salär der kompletten Geschäftsführung veröffentlichen. Der Brauch börsennotierter Firmen, die Vorstandsbezüge namentlich zu benennen widerspricht immer noch der Austro-Geheimniskultur. Wo hierzulande Transparenz draufsteht, steckt Neidgenossenschaft drin.

Ausgerechnet Top-Leute des ORF dieser Unkultur auszusetzen,wirkt eigenartig populistisch. Die Gagen von Direktoren zu veröffentlichen, mag noch als Vorgriff aufs Informationsfreiheitsgesetz durchgehen. Die 170.000-€-Klausel hingegen erscheint maßgeschneidert für Bildschirm-Promis. Sie folgt dem Muster der britischen BBC, wo Fußball-Legende Gary Lineker soeben erneut als Bestverdiener ausgewiesen wurde – mit umgerechnet fast 1,6 Millionen Euro. Sportstargagen genießen seltsamerweise auch in Österreich die Ausnahme der Neidbefreiung. Für Journalisten gilt aber das Gleiche wie für Politiker: Sogar ein Salär weit unter dem Marktwert wird allgemein in der Rubrik „Abkassierer“ eingestuft.

Mehr als 170.000 Euro brutto (also 6.750 netto) verdient nur ein Prozent der hiesigen Arbeitnehmer. Doch für die Champions League der Medienprominenz – siehe Lineker – ist das bloß ein Einstiegslohn. Der ORF steht vor dem Problem, dass er heute nur noch der Schuhlöffel für Massenpopularität ist, der kluge Proponenten ein Parallelgleis auf Social Media hinzufügen. Sollte der ORF ungemütlich werden, haben die Top-Leute beste Wechselchancen zu Privatmedien. Vom Turbo-Paragraphen für Shitstorm-Entfacher im neuen ORF-Gesetz bliebe dann letztlich bloß eine dumme Attacke aufs Starprinzip.