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Spaniens Politsommer ist brandheiß

18.07.2023 • 13:44 Uhr
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez (links) und sein Widersacher Núñez Feijóo (rechts)
Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez (links) und sein Widersacher Núñez Feijóo (rechts).AFP

Die Spanier müssen bald über eine neue Regierung abstimmen und haben die Qual der Wahl.

Es ist eine schmutzige Schlammschlacht, wie sie Spanien schon lange nicht mehr erlebt hat. Mit Beleidigungen, Lügen und persönlichen Angriffen unterhalb der Gürtellinie. Ein aufgeladenes Klima, in dem sich die tiefen Gräben spiegeln, die auch die spanische Gesellschaft spalten. Und in dem sich zwei verfeindete politische Blöcke gegenüberstehen, die der jeweils anderen Seite vorhalten, das Land in die Katastrophe zu steuern.

Wahltermin im Sommer sorgt für Ärger

Es geht um links oder rechts. Um die Zukunft der progressiven Regierung des Sozialdemokraten Pedro Sánchez (51), die seit fünf Jahren Europa mit einem soliden Wirtschaftskurs und gesellschaftlichen Reformen positiv überraschte. Und um den steilen Aufstieg seines konservativen Widersachers Alberto Núñez Feijóo (61), dem Chef der christdemokratischen Volkspartei, der sich anschickt, Arm in Arm mit der europaskeptischen und reformfeindlichen Rechtspartei Vox die Macht im Land zu übernehmen.

Am Sonntag steht das Finale des Politkrimis an: Dann müssen die Spanier über eine neue Regierung abstimmen. Dabei könnte auch der Termin eine Rolle spielen. Viele Bürger sind bereits am Strand. Der Ärger darüber, dass Premier Sánchez die Parlamentswahl vorzog und mitten in die Urlaubszeit legte, ist nicht gering. “Er wollte uns die Ferien versauen”, heizt die konservative Politikerin Marta Rivera de la Cruz die ohnehin gereizte Stimmung weiter an.

Für “VOX” existiert Macho-Gewalt nicht

Der konservative Spitzenmann Feijóo, der den Bürgern Steuersenkungen verspricht, liegt in allen Wahlerhebungen vorne – allerdings ohne eine absolute Mehrheit. Nach den mittleren Werten, die von Spaniens öffentlichem Rundfunksender RTVE aus allen Meinungsumfragen errechnet wurden, kann Feijóo mit 33 Prozent rechnen. Premier Sánchez: 28 Prozent.

Feijóo bietet sich als Regierungspartner nur die Rechtspartei Vox an. Diese liegt laut RTVE-Stimmungsbarometer bei 13 Prozent. In vielen Rathäusern und mehreren Regionen regieren Konservative und Vox bereits gemeinsam. Die Rechtspartei gilt als europaskeptisch, will den Einfluss der EU auf die nationale Politik beschneiden und lehnt den europäischen Asylpakt ab. Vox-Chef Santiago Abascal leugnet den Klimawandel, er will aus den Klimaabkommen aussteigen. Die Rechtspopulisten wollen zudem das liberale Abtreibungsgesetz und die weit fortgeschrittenen Gleichstellungsregeln für Frauen sowie LGBTQI-Menschen kippen. Macho-Gewalt existiert nach Meinung der Rechtsnationalen nicht.

Schwierige Machtbündnisse

Feijóo ist anscheinend bereit, all diese Vox-Kröten zu schlucken, um die Sánchez-Regierung aus dem Amt zu katapultieren und die nationale Macht zu erobern. Er verteidigt die in Stadt- und Regionalparlamenten geschlossenen Regierungspakte mit Vox: “Wo die Stimmen von Vox notwendig sind, ist es logisch, dass Vox auch in der Regierung sitzt.” Sánchez hofft hingegen, dass ihm die Sorge mancher Bürger vor einem Rechtsruck zugutekommt: “Eine Regierung aus Volkspartei und der rechtsextremen Vox-Partei wäre ein schlimmer Rückschritt für das Land” – und wohl auch Europa. Auch der Sozialdemokrat müsste sich im Falle einer Regierungsbildung auf ein schwieriges Machtbündnis stützen. Ein Bündnis, das Feijóo auf “Regierung Frankenstein” taufte.
Sánchez, der seit fünf Jahren als Ministerpräsident im Amt ist, bräuchte zum Regieren die Hilfe der neuen linken Wahlliste Sumar. In dieser Plattform vereinen sich 15 Parteien, darunter Sánchez’ bisheriger Juniorpartner Podemos. Diese Allianz könnte laut RTVE-Wahlbarometer auf 14 Prozent kommen. Die Plattform wird von der charismatischen Yolanda Díaz angeführt, die unter Sánchez Arbeitsministerin und Vize-Regierungschefin war.

Zudem kann Sánchez vermutlich wie bisher auf die Stimmen der einflussreichen Unabhängigkeitsparteien aus dem Baskenland und aus Katalonien zählen. Sie können mit Sánchez eher auf Zugeständnisse hoffen. Sánchez‘ Dialogpolitik trug vor allem in Katalonien zur Entschärfung des Unabhängigkeitskonfliktes bei. Allerdings gingen Sánchez‘ Zugeständnisse, wie etwa die Begnadigung verurteilter Separatistenführer, vielen Spaniern doch zu weit.