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Pubertierendes Verhalten, eine Allegorie?

29.01.2024 • 08:57 Uhr
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. <span class="copyright">NEUE</span>
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Unser heutiges Erscheinungsbild würde in einer Sippe von Höhlenmenschen etwas herausstechen. Größer, weniger behaart, heuschnupfig, kurzsichtig und einige um einen Teil des Darms leichter. Bleichgesichtig und patschert würden wir versuchen, auf dem harten Boden der Höhle zu schlafen, am Folgetag über Rückenschmerzen jammern und uns fragen, wie die Menschheit sich ohne Kaffee überhaupt weiterentwickeln konnte. So unterschiedlich wir unseren Vorfahren gegenüber sind, ist auch einiges aus der Steinzeit mit unserer Evolution mitgewandert. Gänsehaut, Weisheitszähne und unser Territorialverhalten. Wir markieren zwar unsere Grenzgebiete nicht, indem wir uns gegen einen Baum stellen (obwohl sich das bei manch einem vermuten ließe) aber wir benutzen Zäune, Mauern, Zollämter und auf Landkarten klar definierte „meine und deine“ Ländergrenzen. Meine Teens brauchen ihre eigenen Zimmer und ein Betreten dieser Hoheitsgebiete ist nur unter strengen Auflagen möglich. So weit so gut. Hätte nicht jede ihre eigene Räumlichkeit, wäre ein Zimmer mit einer klar definierten Linie begrenzt, deren Übertreten wohl eine Verbannung auf Lebenszeit zur Folge hätte. Der Ordnung halber sei aber erwähnt, es gibt unterschiedliche Aufenthaltsgenehmigungen. Es gibt Einreisende, die herzlich willkommen geheißen werden, vordergründig dann, wenn sie Spaß und Unterhaltung im Schlepptau haben, Jungs, Mädchen, die nicht dem engeren Familienkreis zuzuordnen sind und vor allem nur Vorteile mit sich bringen. Dann gibt es die Eintrittsbewilligung auf Zeit, die meistens mir, der Mutter, zuteil kommt. Diese wird nur gewährt, wenn man am Zoll stehenbleibt, sich kurz ausweist und den Grund der Einreise angibt.

Herzlicher Empfang, wenn ich mit einem Teller Essen eintrete, ungut, wenn ich das Revier mit der Aufforderung zu einer territorialen Instandhaltung betrete, – der Asylantrag wird abgelehnt. Absolutes Aufnahmeverbot gilt Geschwistern, hier der Schwester. Jede widerrechtliche Übertretung wird sofort geahndet und ein interner Krieg bricht aus. Die neutrale Mutter (also ich) kann sich entweder diplomatisch dazwischen stellen oder dem Konflikt sein natürliches Ende gewähren. Jemand weint. Jemand knallt die Türe zu. Jemand verlangt nach einem Schlüssel für sein Zimmer.

Und ich sitze in der Küche und frage mich, ob uns das Universum die Pubertät als Allegorie zum Verhalten der Menschheit geschenkt hat. Wahrscheinlich sitzt es auch gerade in der Küche, schüttelt den Kopf und fragt sich, wann wir da endlich raus sind.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.