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Letzte Schau unter Mitwirkung von Günter Brus

12.02.2024 • 23:00 Uhr
Günter Brus <br><span class="copyright">Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek</span>
Günter Brus
Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

Am Freitag wird die große Ausstellung mit Werken aus allen Schaffensphasen des verstorbenen Künstlers Günter Brus im Kunsthaus eröffnet.

Während im Kunsthaus Bregenz (KUB) die Aufbauarbeiten für die große Ausstellung „Günter Brus“ auf Hochtouren laufen, wird der Künstler selbst die Eröffnung dieser Ausstellung – der letzten, an der Günter Brus aktiv mitgearbeitet hat – nicht mehr erleben können. Wie Sonntagfrüh der Galerist Philipp Konzett, Mitinitiator und Geschäftsführer des im März öffnenden Wiener Aktionismus Museums bestätigte, ist der österreichische Künstler Günter Brus, Mitbegründer des Wiener Aktionismus, Autor, Bild-Dichter, Bühnenbildner und Zeichner am Samstag im Alter von 85 Jahren in einem Grazer Krankenhaus gestorben.

Außergewöhnliches Werk

Die KUB-Ausstellung mit fast 500 Arbeiten aus allen Schaffensphasen wurde gemeinsam mit Günter Brus und dem Bruseum im Universalmuseum Joanneum gestaltet. Sie zeigt die wichtigsten Phasen seines außergewöhnlichen Werkes. „Günter Brus und seine Frau Anna haben wesentlich zur Auswahl beigetragen, ein großer Teil der Leihgaben stammt aus ihrem persönlichen Bestand. Es ist unendlich schade und traurig, dass Günter Brus die Ausstellung, die eine Woche nach seinem Tod eröffnet wird, nicht mehr erleben kann“, so Thomas D.

<span class="copyright">Günter Brus/Kunsthaus Bregenz, Foto: Stefan Wagner</span>
Günter Brus/Kunsthaus Bregenz, Foto: Stefan Wagner

Trummer, Direktor des Kunsthauses, zum Tod des Künstlers. „Das Team des Kunsthauses Bregenz trauert um einen außergewöhnlichen Künstler. Brus zählt zu den wichtigsten Positionen der Nachkriegszeit, sein Abschied ist ein unvergleichlicher Verlust für die Kunstgeschichte Österreichs. Brus war Zeichner, Aktionskünstler, Dichter, Intellektueller – und Visionär. Seine Werke zeugen von einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit den Themen des Menschseins und der Existenz“, sagt Trummer. Wie geplant werde die Ausstellung am 16. Februar um 19 Uhr eröffnet und bis zum 20. Mai zu sehen sein.

„Es ist unendlich schade und traurig, dass Günter Brus die Ausstellung, die eine Woche nach seinem Tod eröffnet wird, nicht mehr erleben kann.“

Thomas Trummer,
KUB-Direktor

Brus zählte zu den bedeutendsten österreichischen Künstlern der Gegenwart und hat ein in vielfacher Hinsicht grenzensprengendes Werk geschaffen. Seit Herbst 2011 ist ihm in Graz mit dem Bruseum ein eigenes Museum gewidmet. Für sein künstlerisches Werk hat Brus unter anderem den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst (1996) und den Oskar-Kokoschka-Preis (2003) erhalten. In den vergangenen Jahren lebte Brus mit seiner Tochter Diana und seiner Frau Anna am nördlichen Stadtrand von Graz. Zuletzt soll er an einer Lungenentzündung gelitten haben.

Verurteilt und gewürdigt

Geboren wurde Günter Brus am 27. September 1938 in Ardning in der Obersteiermark. Zwischen 1953 und 1958 besuchte er die Kunstgewerbeschule in Graz und die Hochschule für angewandte Kunst in Wien, wobei er Letztere vorzeitig abbrach. Nach einer informellen Werkphase schockte er in den 1960er-Jahren gemeinsam mit Muehl, Nitsch und Schwarzkogler die Öffentlichkeit mit seiner grenzensprengenden Körperkunst, die als Wiener Aktionismus weltbekannt wurde. Nachdem Brus in Österreich wegen einer Kunstaktion an der Wiener Uni zu monatelanger Haft verurteilt wurde, flüchtete er 1969 mit Frau und Kind nach Berlin, von wo er erst 1979 zurückkam. In den Jahrzehnten danach wurde aus dem Verfolgten ein vielfach Geehrter und Gewürdigter.

In seinen Aktionen in den 1960er-Jahren in Wien hat Günter Brus seinen eigenen Körper und seine Körperflüssig­keiten als Material für seine Kunst eingesetzt und ist dabei an die Grenzen des körperlich und psychisch Erträglichen gegangen – für sich selbst und für das Publikum: Der Mitbegründer des Wiener Aktionismus nutzte die kratzende Rasierklinge am eigenen Körper als Ersatz für den Zeichenstift, auch Exkremente kamen bei seinen Aktionen zum Einsatz. Und er ging von Aktion zu Aktion immer einen Schritt weiter. „Er scheut nicht davor zurück, Grenzen zu überschreiten und Tabus zu brechen, um die Betrachter zum Nachdenken über die Existenz und zu einem vertieften Verständnis des Daseins anzuregen. Gesellschaftliche Missstände und Machtverhältnisse werden über den exponierten Künstlerkörper sichtbar“, beschreibt das Kunsthaus Bregenz in einer Aussendung.

In seinen Aktionen thematisierte Brus das Leid, das durch die gesellschaftlichen Regeln und Zwänge der späten 1960er-Jahre verursacht wurde, sowie die körperliche Verletzlichkeit und Ausgesetztheit. Zugleich stellte er die vorherrschenden künstlerischen Konventionen auf den Kopf, indem er seinen Körper zum Medium der Kunst erklärte.

Ausuferndes Oeuvre

Nach der Abwendung vom Aktionismus 1979 verlegte Brus seine Botschaften auf Papier. Es begann mit der Mappe „Irrwisch“ (1970 bis 1972), und von da an stand die Zeichnung und vor allem seine Bild-Dichtungs-Zyklen im Mittelpunkt seines Schaffens.

Brus war auf den wichtigsten internationalen Kunstausstellungen wie der documenta (1982 und 1992) oder der Biennale Venedig (1980) vertreten. Als Bühnenbildner stattete er unter anderen die Gerhard-Roth-Uraufführung „Erinnerungen an die Menschheit“ beim Steirischen Herbst 1985 aus, aber auch Arnold Schönbergs „Erwartung“ und Leo Janaceks „Das schlaue Füchslein“. Zu seinen schriftstellerischen Arbeiten zählen der Roman „Die Geheimnisträger“ (1982), die Kurzprosasammlung „Amor und Amok“ (1987) sowie seine „Schmähmoiren“, „Die gute alte Zeit“ (2002) und „Das gute alte Wien“ (2007), ein Fantastisch-albtraumhafter Rückblick auf seine Wiener Jahre.

<span class="copyright">Günter Brus/Kunsthaus Bregenz, Foto: Stefan Wagner</span>
Günter Brus/Kunsthaus Bregenz, Foto: Stefan Wagner

„Auf seiner langen, tiefgehenden Suche hat Günter Brus die Weltkunst mitgeprägt und unser Land zu einer Zeit mitverändert, als Veränderung dringend notwendig war“, meldete sich Vizekanzler und Kulturminister Werner Kogler (Grüne). „Ein großer Geist und Mensch – er wird fehlen.“ Auch in der österreichischen Kunstszene herrschte am Sonntag große Betroffenheit. „Sein Einfluss auf die internationale Kunst kann gar nicht überschätzt werden“, würdigte etwa Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder den Verstorbenen. „Wir verlieren einen Kunstrebell, der nie aufgehört hat, sich weiterzuentwickeln und seine künstlerischen Mittel immer wieder neu zu erfinden“, meinte Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvederes.