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Secondhand auf der Piste, der türkise Skioverall

12.02.2024 • 09:48 Uhr
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. <span class="copyright">NEUE</span>
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Ich habe das große Glück, Skifahren gehen zu können – mit meinen Kindern! Um die Kosten moderat zu halten, wird die Ausrüstung selbst secondhand gekauft. Die Mädels wachsen noch immer, das ist wirklich unfassbar. Ich hatte zumindest gehofft, dass sich ihre Füße langsam auf ihre Endgröße eingegroovt haben. Falsch gedacht. Jährlich braucht es Neues an Fuß- und Körperbekleidung. Früher, als ich selbst noch so ein wachsendes Menschlein war, bekam ich ebenso häufig Gewand aus zweiter Hand. Der Unterschied zu damals war nur, dass die Gesellschaft im Ganzen noch nicht so wegwerforientiert war. Das hieß, Secondhand-Bekleidung war in den meisten Fällen mindestens 10 bis 15 Jahre alt. Somit rannte ich in den 80ern herum wie aus den 70ern. Ich hatte mich unglaublich geniert, als ich auf meiner Skiwoche mit einem türkisfarbenen Skioverall erschien, während alle schon cooles neongelbes Outfit mit Jacke und Hose besaßen. Eine Freundin von mir hatte sogar zwei (!) Skianzüge im Gepäck. Einen davon hat sie mir geborgt. Unglaublich, was eine Bekleidung mit einem Selbstwertgefühl ausmacht. Sofort war ich um fünf Zentimeter größer und um eine Stufe besser beim Skifahren. Außerdem war ich gesprächiger und involvierte mich wieder viel mehr in der Klasse. Dabei war es nur Bekleidung, aber eben eine, die mich sozusagen „stigmatisiert“ hatte als nicht zur gehobenen Mittelschicht gehörend.

Meinen Mädels bleibt dieses Gefühl trotz secondhand erspart. Die Klamotten schauen genau gleich aus wie jene, die sich sonst so auf der Piste befinden. Andererseits hat mich dieses Gefühl des Nicht-dazu-Gehörens auch sehr geprägt. Zu oft wird Armut oder weniger Geld im Haushalt mit zu wenig Leistungsorientiertheit, zu wenig Ehrgeiz und Selbstverschulden in Verbindung gesetzt. Dabei erfordert es unglaubliche Kraft, Durchhaltevermögen und emotionale Stärke, mit wenig Einkommen in unserer Gesellschaft glücklich über die Runden zu kommen. Von Kind auf sollten wir lernen, dass teure Bekleidung kein Zeichen der Stärke ist, sondern lediglich als das erkennen, was es ist, nämlich etwas mehr an Barem im Haus zu haben.

Apropos Bares: Ich plädiere dafür, dass Schulkinder gratis Skifahren lernen dürfen. So ein Frischluft-Bewegungsaufenthalt in den Bergen kann den Horizont unmittelbar erweitern, und gesund ist es obendrein. Geht’s unseren Kindern gut, geht’s uns gut. Insgesamt. Ich hau’ mich jetzt auf die Piste. Hätte ich meinen türkisen Overall noch, würde ich ihn heute mit Stolz tragen. (Wenn ich noch reinpassen würde.)

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.