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Sprachlos, wenn Heidi die Stimme fehlt

26.02.2024 • 09:18 Uhr
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. <span class="copyright">NEUE</span>
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Mir hat es die Sprache verschlagen. Nicht im übertragenen Sinne, tatsächlich hat mir ein verflixter Virus meine Stimme geraubt. Seit vier Tagen kommuniziere ich hauptsächlich tonlos. Froh darüber sind meine Kids, nämlich um die dadurch auftretende ungewohnte Stille im Haus. Ohne Stimme habe ich mein letztes Quäntchen an eventuell vorhandener Strenge eingebüßt. Ein zwar wild gestikuliertes, aber im Flüsterton gekrächztes: „Zum zehnten Mal in dieser Woche! Räum deine Wäsche weg und dein Zimmer auf!“, wirkt auf meine Mädels mehr wie eine verpatzte Vorstellung eines schlechten Pantomimen.

Irritiert hingegen reagiert meine Hündin. Seit vier Tagen rufe ich sie nicht mehr, um Gassi zu gehen. Ich muss mich direkt vor sie hinstellen, ihr auf den Po tapsen und ein „Gemma!“ mit Händen signalisieren. Lily schaut mich mit großen, altersgrauen Augen an und kapiert nicht ganz, was ich will. Ein Wedeln mit der Leine schafft ein wenig Abhilfe. Inzwischen kann Klein-Lily eine von mir entwickelte Gebärdensprache, die sich des Händeklatschens als Ruf-Ersatz bedient. Das heißt, mein Hund ist dreisprachig. Deutsch, Englisch und Gebärdensprache (das mit dem Englisch erkläre ich beizeiten).

Telefonate führen geht überhaupt nicht. Ich habe es versucht und ich befürchte, diejenige am anderen Ende der Leitung dachte, sie telefoniert mit Batman. Eingeschüchtert meinte sie, es sei wohl besser, sie würde sich an einem anderen Tag wieder melden, mein „Das denke ich auch“ klang ungewollt wie eine Drohung eines nächtlichen Besuches mit meinem Batmobil. Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich wirklich wieder meldet.

Beim Einkaufen wirke ich wie jemand mit Sozialphobie, mein Nicken und freundliches Grinsen als Ersatz muss – dem Stirnrunzeln der Verkäuferin nach zu urteilen – extrem unbeholfen wirken. Etwas so Selbstverständliches wie die eigene Stimme zu verlieren bringt allerhand durcheinander. Aber ich weiß auch, ich bekomme sie wieder. Das ist für mich immer wieder ein Moment, in dem ich gedanklich kurz innehalte und dankbar bin dafür, dass ich, meine Kids, meine Familie gesund sind und ich mich nur mit so Kleinkram wie einer Kehlkopfentzündung auseinandersetzten muss.

Als weitere Vorkehrung nehme ich mir nach Erholung meiner Stimmbänder folgende Sätze via Audiofile auf: „Zimmer sauber machen, bitte!“, „Geschirrspüler ausräumen, Geschirr einräumen, bitte!“, „Nein, wir haben keine Schokolade im Haus“, „Lily, komm! Gassi gehen“ und: „Nein, ich habe keine Vorteilskarte für Bonuspunkte. Danke“.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.