Überregulierung in Europa als Gefahr

Reinhold Lopatka, ÖVP-Spitzenkandidat bei der Europawahl, war in Vorarlberg zu Besuch.
Vor einer Schwächung des europäischen Wirtschaftsraums haben der ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl Reinhold Lopatka und die beiden Vorarlberger Kandidatinnen Christine Schwarz-Fuchs sowie Gerda Schnetzer-Sutterlüty am Freitag gewarnt. Bei einer Pressekonferenz in Bregenz haben die drei über ihre Sichtweise auf die Europäische Union und deren Zukunft gesprochen. Deregulierung und Entbürokratisierung standen dabei im Fokus des Trios. Zudem warnte Lopatka vor der FPÖ. Denn die Freiheitlichen agierten auf europäischer Ebene destruktiv und hätten die EU als Feindbild.
Auf Exporte angewiesen
An den Beginn ihrer Ausführungen stellte das Trio jedoch jeweils ein Bekenntnis zur Europäischen Union. Jeder und jede Einzelne in Österreich profitiere vom Beitritt zur EU, für den sich vor 30 Jahren zwei Drittel der Wahlberechtigten ausgesprochen haben, betonte Lopatka. Schließlich sei Österreich „ein mittelgroßes Land“ in Europa und auf Exporte angewiesen. Jeder zweite Euro, der erwirtschaftet werde, stamme aus dem Außenhandel. Die Exporte hätten sich seit dem EU-Beitritt im Jahr 1995 vervierfacht, das Bruttoinlandsprodukt habe sich verdoppelt.
Auf verschiedenen Ebenen tätig
Auf unterschiedlichen Ebenen sind ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka, Vorarlbergs Spitzenkandidatin Christine Schwarz-Fuchs (bei der EU-Wahl auf Platz 10 der ÖVP-Liste) und Gerda Schnetzer-Sutterlüty (Listenplatz 16) bisher politisch tätig. Der Steirer Lopatka wurde erstmals im Jahr 2003 in den Nationalrat gewählt. Dort ist er seitdem fast permanent als Mandatar vertreten. Für mehrere Jahre tauschte er allerdings seine Rolle als Nationalratsabgeordneter mit jener als Staatssekretär im Bundeskanzleramt (2007-2008), im Finanzministerium (2008-2011) sowie im Außenministerium (2012-2013). Von 2013 bis 2017 war er zudem Obmann des ÖVP-Parlamentsklubs.
Christine Schwarz-Fuchs vertritt seit 14. Jänner 2020 Vorarlberg im österreichischen Bundesrat. Von 2019 bis 2023 war die Unternehmerin zudem als Vizepräsidentin in der Vorarlberger Industriellenvereinigung tätig. Gerda Schnetzer-Sutterlüty ist ebenfalls Unternehmerin und im Bereich Regional- und Standortentwicklung tätig. In ihrer Heimatgemeinde Sulz ist sie seit mehreren Jahren Gemeindevertreterin und seit dem Jahr 2019 Vizebürgermeisterin.
Europa verfüge über drei Prozent der weltweiten Landfläche und stelle sechs Prozent der Weltbevölkerung. Dennoch würden 15 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleitung in Europa erbracht, sagte Lopatka. Dies sei wichtig für den Wohlstand. Damit dies auch künftig so bleibe, brauche es jedoch wieder einen stärkeren Fokus auf den Wirtschaft- und Industriestandort. Es bestehe die Gefahr von Überregulierung.
Grundidee dahinter ist gut
Als Beispiel dafür nannten der ÖVP-Spitzenkandidat und die Vorarlberger Spitzenkandidatin das Lieferkettengesetz. Die Grundidee dahinter sei gut, betonte Schwarz-Fuchs. Allerdings sei der derzeitige Entwurf vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, von denen es in Vorarlberg viele gebe, eine Gefahr. Denn auch sie seien als Zulieferer großer Unternehmen davon betroffen.
Zusätzliche Bürokratie als Hemmschuh
Lopatka fügte auf Nachfrage hinzu, dass es bereits jetzt Möglichkeiten gebe, um etwa gegen Kinderarbeit vorzugehen und die betreffenden Unternehmen zu bestrafen. Beim Lieferkettengesetz bestehe die Gefahr, dass dieses die europäische Wirtschaft durch die zusätzliche Bürokratie hemmt, aber in den eigentlich betroffenen Ländern keine Änderung bringt. Jährlich würden etwa Millionen Pakete aus China direkt an Kunden in Österreich geliefert. Dabei greife das Lieferkettengesetz nicht. Umso wichtiger sei es, Wege zu finden, um andernorts auf andere Art Änderungen zu bewirken.

In Sachen Bürokratie unterstützte Christine Schwarz-Fuchs auch das Ziel der Europäischen Volkspartei von „One in – two out“ (deutsch: „Eins hinein – zwei hinaus“). Gemeint ist damit, dass für jede neue Regelung auf EU-Ebene zwei bestehende aufgehoben werden sollen. Zustimmung gab es dazu von Gerda Schnetzer-Sutterlüty. Politik und Gesetze seien dazu da, um den Menschen zu dienen und nicht umgekehrt. Die Abläufe müssten für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar sein.
Umfragen sind nur Momentaufnahme
Gelassen gab sich Lopatka bei der Frage nach jüngsten Umfrageergebnissen, bei denen die Freiheitlichen vor der Volkspartei liegen. Prognosen seien gerade bei der EU-Wahl schwierig. Umfragen würden zudem immer nur eine Momentaufnahme liefern. Auch als Test für die Nationalratswahl will der ÖVP-Spitzenkandidat den Urnengang auf EU-Ebene nicht sehen. So hätten jüngste Umfragen ergeben, dass rund 75 Prozent der Bevölkerung bei der Nationalratswahl ihre Stimme abgeben wollen, während nur rund die Hälfte an der EU-Wahl teilnehmen möchte. Ziel müsse es sein, den Menschen die Vorteile der europäischen Union und auch die Bedeutung der Teilnahme am Urnengang aufzuzeigen.

Österreich habe im europäischen Parlament lediglich 20 Abgeordnete – weniger als etwa insgesamt im Vorarlberger Landtag vertreten seien. Umso wichtiger sei es daher, Personen und Parteien nach Brüssel zu entsenden, welche die EU als Zukunft für Österreich sehen, meinte Lopatka. Die FPÖ tue dies nicht. Stattdessen hätten die Freiheitlichen nach wie vor einen „Freundschaftsvertrag“ mit der Partei „Einiges Russland“ von Wladimir Putin. Dessen Ziel sei es, die EU zu zerstören. Für die Nähe der Freiheitlichen zum russischen Staatschef habe er daher kein Verständnis, sagte der ÖVP-Spitzenkandidat.