Wir haben uns diesen Muttertag echt verdient

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Wie das mit vielen Dingen im Leben so ist, verändern sich Ansichten über etwas dann, wenn dieses Etwas Teil des eigenen Lebens wird. Muttertag hatte ich in jungen Jahren rebellisch als Scheinheiligkeit abgetan. Die über das Jahr kaum wahrgenommene Leistung der zu Hause arbeitenden Frauen wird an einem Tag heroisch gefeiert, um dann sofort wieder in Vergessenheit zu geraten. „Nicht mit mir! Wenn ich einmal Mama bin, werde ich diesen Tag geflissentlich ignorieren!“
Ich habe das exakt bis zu meinem ersten Muttertag durchgehalten. Tochter eins war genau sieben Monate, als ich meinen Premiere-Anruf von meiner eigenen Mama bekam: „Alles Gute zum Muttertag!“, und ihr schelmisch liebevolles Lächeln überwand via Telefon die Distanz Bregenz–Wien. Mit meinem kleinen Wutzi im Arm explodierte ich fast vor Freude. Ich war jetzt Mama und ich hatte einen Muttertag.
In der Wiener Praterallee spazierte ich mit Kinderwagen und stolz geschwellter (zugegeben, noch mit Muttermilch gefüllter) Brust in der Frühlingssonne mit vielen anderen Mamas. Alles fühlte sich anders an als noch vor acht Monaten gedacht. Ich empfand diesen kleinen Feiertag nicht mehr als Augenauswischerei, sondern wie eine Art zweiten Geburtstag.
Durch diese kleine Zwetschke, die hier friedlich ihre Nase von der Frühlingsluft umschmeicheln ließ und wahrscheinlich gerade bunte Lebensbilder träumte, hat sich mein eigenes Sein verändert. Prioritäten haben sich verschoben, eine neue Form der tiefen Liebe hat sich in meine Seele eingeschlichen, und mein Lebensrhythmus war auf den Kopf gestellt. Nichts mehr war so wie zuvor, und es war komplett egal.
Tja, so ist das, wenn man ein neues Leben der Welt geschenkt hat, und deshalb und wegen soviel mehr wird auch im Hause Salmhofer der Muttertag ein klein wenig zelebriert. Ein Jahr später waren es dann schon zwei Minimenschen, denen ich mein Mamasein zu verdanken hatte. Süßer wurden die Muttertage, als die zwei Wutzis dann selbst anfingen, diesen mitzufeiern. Die gebastelten Muttertags-Geschenke und -Karten mit Gedichten sind fein säuberlich in einem Regal ausgestellt und die nervös-freudigen Kinderaugen beim Vortragen eines Gedichtes in meinem Gedächtnistagebuch festgehalten. Bis heute.
Jetzt sind die Teenies nicht mehr ganz so bastelfreudig. Mein Geschenk heute war, dass die Mädels um sieben Uhr mit dem Hund Gassi gegangen sind, während ich meinen Kaffee unter der Bettdecke genoss. Wir Mamis haben uns diesen Muttertag echt verdient! Alles Gute!
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.