Von den großen Kleinigkeiten

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Weißt du, ich finde das hier, diesen Moment großartig!“, freute sich meine langjährige Freundin aus Studienzeiten, schaute dabei aus dem Autofenster, während wir Richtung Neusiedlersee düsten. Aus dem Autoradio hiphopte lautstark Peter Fox. Es war wunderbares Wetter und wir fuhren auf der berglosen Landschaft, einem Mini-Roadtrip gleich, dem Steppensee der (Juhuu!) Rotweinregion Burgenland entgegen. In dieser Freude stellten wir fest: Wir benötigen keine Großartigkeiten, um ein wohliges Glücksgefühl in der Bauchgegend zu spüren.
Ein gemeinsamer Hock nächtens auf den Stiegen hinauf zum Haus des Meeres, eine Radfahrt von Lustenau über die Schweizer Landschaft nach Gaißau oder einfach eine neue, große Tasse für den morgendlichen Kaffeeschub. Alle diese vermeintlichen Kleinigkeiten sind wunderschöne, genussvolle Lebensmomente, an denen wir uns erfreuen können, so richtig. Da kann sogar eine tote, grüne Libelle aufgebahrt auf einem Stein nahe dem Wasser, zu einem Freudenjauchzer animieren. Nicht weil sie tot war, sondern, so meinte Freundin zwei, weil sie dieses faszinierende Insekt noch nie so nah betrachten konnte. Zack, und der Fotoapparat wurde gezückt.
Ich mag das, dieses Sehen von Glück in all den kleinen Dingen, die uns unser Leben zur Verfügung stellt. Wie viele „Lottogewinne“ uns täglich umgeben! Ein Ort, der für mich voll dieser Gewinne ist, ist zum Beispiel der Alte Rhein. Der Schwan, der gerade seinen Flügelschlag startet, wenn man vorbei spaziert. Die Hagebutte, die sich just in dem Moment einen Tautropfen perlengleich umhängt, als mein Blick auf sie fällt. Das Schilf, welches im Wind tanzt; die Vögel, die zwitschern; das spiegelnde Wasser, alles rundherum einzigartig.
„Was ist denn das für eine Plörre“, vermeldete einmal ein Spazierpartner zu meinem Lieblingsort. Ich gestehe, er war daraufhin nicht mehr mein Spazierpartner. Für mich ist dieser erstaunte und entdeckende Blick auch im Alltäglichen wichtig. Es bedarf nicht immer einer Reise zum Tal des Todes in Ägypten, dem Grand Canyon oder den Niagarafällen, um fasziniert zu sein. Schon einmal einen verblühten Löwenzahn, die Pusteblume, genau betrachtet? Mit diesem Blick kann man sich jeden Tag kleine Urlaubsmomente und Lebensfreude holen. Diesbezüglich gibt es auch Upgrades. Ich schau mir mal die Spinnweben in der Ecke des Zimmers genauer an, bevor ich sie wegsauge. Ich mein’, da kommt aus dem Po eines Lebewesens einfach ein Faden raus. Das ist doch krass!
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.