„Habe mich dazu entschieden, ich selbst zu sein“

Queer-sein ist heute immer noch ein Tabu in Vorarlberg. Lilith Blenk ist lesbisch und trans und steht offen dazu. Denn sie will dazu beitragen, dass es zur Normalität wird.
Am Samstag, dem 8. Juni geht in Wien und Schaan in Liechtenstein die queere Community auf die Straße, um gegen Diskriminierung zu demonstrieren. Gleichzeitig bietet die Pride einen Schutzraum, wo die Teilnehmenden keine Angst vor verurteilenden Blicken haben müssen. Noch für den gesamten Juni, der sogenannte „Pride Month“, werden Regenbogenparaden und andere Events veranstaltet. Am 29. Juni machten die LGBTIQ+-Personen in der Bregenzer Innenstadt auf sich aufmerksam.
Denn auch wenn es inzwischen akzeptierter als in der Vergangenheit ist, ist Queer-Sein immer noch mit einem Tabu behaftet. Das zeigt sich auch ziemlich schnell, als die NEUE Lilith Blenk in der Dornbirner Innenstadt fotografiert. Als die Transfrau mit ihrem schwarzen Kleid, Regenbogentasche, Tattoos, Piercings und Regenbogenflagge in der Hand für das Foto durch die Innenstadt spaziert, zieht sie sofort die Aufmerksamkeit der Fußgänger auf sich. Ihre Wirkung geht in zwei Richtungen. Ein älterer Herr ruft ihr motivierende Worte zu. Doch nicht nur positive Reaktionen gibt es. „Zipfelhuber“, ist eine unpassende Beschimpfung eines anderen Passanten. Manche würden sie auch „die Domina von Haselstauden“ nennen, obwohl diese Begrifflichkeiten nichts mir ihr als lesbische Transfrau gemeinsam haben. Über derartige Kommentare von Fremden lacht Blenk nur. Von solchen Rückmeldungen lässt sie sich nicht unterkriegen.

Durch Sichtbarkeit zur Norm
Denn die 51-Jährige steht selbstbewusst und offen zu ihrer Geschichte. Die Dornbirnerin ist nämlich überzeugt, dass Präsenz der richtige Weg ist, um Queer-sein zu enttabuisieren. So würde die Gesellschaft sehen, dass sie auch ein „Mensch wie alle anderen“ ist. Auch möchte sie ihr Wissen im Rahmen von Sozialberatung zukünftig unter anderem auch an Transpersonen weitergeben. Sie hat kürzlich ihr Studium der Lebens- und Sozialberatung an der „René Otto Knor Akademie“ in Wien abgeschlossen. In ihrer Diplomarbeit hat sie sich mit dem Thema Transidentität und Psychosoziale Beratung beschäftigt. Nun ist ihr Plan, soziale Arbeit zu studieren. Eigentlich ist sie gelernte Konditorin, ist jedoch aufgrund ihrer Epilepsieerkrankung mit ihrer Hand in die Teigmaschine geraten. Seitdem ist sie aufgrund der teilweise nicht kontrollierbaren Anfälle in Pension und darf nicht mehr an Maschinen arbeiten.
Die freie Zeit hat sie genutzt, um sich in mehreren Bereichen für queere Personen zu engagieren – etwa beim Verein „Go West“ oder dem Café „Freiräumle“ oder dem Verein „CSD Pride Vorarlberg“. Doch sie möchte wieder mehr als nur Praktikantin sein und strebt mehr Verantwortung an. Da es in der Beratung keine Maschinen gibt, sieht sie dort ihre Zukunft. „Ich wünsche mir, dass ich irgendwann mal die Welt etwas besser hinterlasse, wenn ich nicht mehr sein sollte“, erklärt sie, woher sie den Mut für ihre Offenheit nimmt. „Ich hoffe, dass dann jeder sich selbst sein darf, ohne dass er irgendwie angefeindet wird oder Gewalt erfahren muss, in welcher Form auch immer“, träumt sie. „Wir leben ja nicht mehr im Mittelalter.“

Nicht schwul und nicht hetero
Es hat sich bereits einiges getan: Früher war Trans-sein noch illegal und später galt es als krankhaft. Blenk ist sich sicher, dass die Rahmenbedingungen für sie einfacher waren als für Menschen, die zehn Jahre zuvor denselben Weg durchschritten. Sie konnte mit Auflagen ihren Namen ändern und sich einer Operation unterziehen. Dafür musste sie sich von einer Psychotherapeutin und einem Psychiater eine Bestätigung einholen, dass sie wahrscheinlich in Zukunft diesen Schritt nicht wieder rückgängig machen möchte. Blenk traf diese Entscheidung aber keinesfalls leichtfertig. Erst mit 43 Jahren änderte sie den Namen, ein Jahr später wurde sie operiert. „Ich musste mich irgendwann entscheiden: Lebe ich länger in Lüge oder nicht. Ich habe mich für die Variante entschieden, ich selbst zu sein.“
Bis dahin war es ein Prozess. Sie ist konservativ katholisch aufgezogen worden und wurde in ihrer Kindheit in diese „Richtung getrimmt“. So war sie bei den Pfadfindern und Ministrantin. Mit 13 Jahren fing sie dann an, „selbstständig zu denken“ und sie entdeckte die Punk-Szene. Sie fing an, sich auszuprobieren. „Ich wusste, dass etwas nicht mit mir stimmt“, erklärt sie. Sie versuchte Beziehungen mit Frauen, jedoch wurden dabei die Erwartungen beider Seiten nicht erfüllt. „Ein Macho war ich nie, aber ich konnte ihnen nie geben, was sie wollten“, erinnert sie sich zurück. Denn die äußerlichen männlichen Merkmale passten nicht mit dem inneren Gefühl, eine Frau zu sein, zusammen. Denn sie ist nicht derart hart, wie manche Männer es sind. „Es waren eigentlich heterosexuelle Beziehungen, die aber eigentlich lesbische Beziehungen waren“, kann sie es heute aus einem anderen Blick sehen. Auch der Versuch, Männer romantisch kennenzulernen, fühlte sich falsch an. „Meine besten Freunde sind Männer, aber auf Beziehungsebene funktioniert das nicht“, erklärt sie. Als sie dann 2017 ihre OP hatte, verspürte sie keinerlei Angst. Sie hat sich am Weg zur Klinik gefreut.
Wenig Kontakt
In ihrer Familie stieß ihr Weg hingegen nicht immer auf viel Zuspruch. Ihr Bruder hat den Kontakt abgebrochen: „Er redet kein Wort mehr mit mir.“ Dies führt sie unter anderem aufs Trans-Sein, Lesbisch-Sein und die Tattoos zurück. Mit ihrer Schwester, die als Dornbirner Bürgermeisterin keine Unbekannte ist, hat sie sporadisch Kontakt – etwa drei Mal im Jahr. „Sie tut sich schwer, aber sie bemüht sich“, so Blenk über Andrea Kaufmann. Der Kontakt sei aber viel besser im Vergleich zu ihrem Bruder. „Wir respektieren uns gegenseitig, die große Liebe ist es nicht“, so Blenk. Die verstorbenen Eltern konnten ihren Wandel leider nicht mehr miterleben. Doch auch wenn Blenk teilweise auf Gegenwind stößt, ist für sie eines klar: Sie würde wieder alles gleich machen.
pride month
Der Ursprung in der Christopher Street
Der Juni steht im Zeichen der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender. Die Bezeichnung ist bewusst gewählt: Das englische Wort „pride“ heißt nämlich übersetzt „Stolz“. Dies soll signalisieren, dass queere Personen selbstbewusst und stolz darauf sind, wie sie sind. Dass der Pride Month im Juni stattfindet, ist auf die Stonewall-Aufstände zurückzuführen. Am 28. Juni 1969 wollte die New Yorker Polizei die Schwulenbar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street räumen, doch die Gäste wehrten sich. Das war der Beginn mehrerer Proteste und Demonstrationen gegen Diskriminierung. Vielerorts finden aktuell im Juni Veranstaltungen statt.
