Erfolgreiche Wiederbelebung: Curtis und Yunus retten Leben

Die Sanitäter rücken täglich aus, um Menschen zu helfen. Während der zwölfstündigen Schicht ereignet sich ein Einsatz, bei dem es um Leben oder Tod geht.
10.38 Uhr. Pager, „Kreislaufstörung“, Blaulicht, Sirene. Ein älterer Mann liegt bewusstlos auf einer Wiese. Ein Ersthelfer führt bereits eine Herzdruckmassage durch. Binnen Sekunden hat der Sanitäter Curtis erfragt, was passiert ist, und sein Kollege Yunus hat dem Patienten eine Sauerstoffmaske angelegt.
Die Stimmung ist angespannt, die Retter sind konzentriert. Es regnet, der Mann liegt mit offenem Hemd in der Kälte, die Sanitäter knien im Matsch. Doch das ist nebensächlich, wenn es um Leben oder Tod geht. Der Patient muss hier und jetzt wiederbelebt werden, ihn zuerst ins Rettungsfahrzeug zu bringen, würde zu viel Zeit kosten. Passanten und Polizei bilden mithilfe einer Wärmedecke ein provisorisches Dach.
Ohnmacht im Auto
Die Zeitwahrnehmung ist in so einer Situation gestört, eine Minute kommen einem vor wie zehn. Doch nach nicht einmal einer Minute ist der Patient wieder bei Bewusstsein. Er ist ansprechbar, doch reagiert langsam. Er atmet schwer und klagt über Schmerzen in der Brust. Eine Bekannte ist bei ihm und erzählt, dass sie zusammen mit dem Auto gefahren sind als dem Mann schlecht wurde. Er schaffte es noch, das Auto auf einer Wiese neben der Straße anzuhalten, bevor er das Bewusstsein verlor. Anschließend zog ihn der Ersthelfer aus dem Auto und begann die Wiederbelebung.
Curtis und Yunus lassen sich den Stress kaum anmerken, sie sind dafür viel zu fokussiert. Ruhig legen sie dem Patienten einen Zugang für eine Infusion und messen den Herzschlag des Mannes. Der Betroffene wird nach Vorerkrankungen und Medikamenten gefragt. Nach etwa zehn Minuten trifft der Notarzt ein. Er musste aus Dornbirn kommen, da der Notarzt aus Bregenz auf einem anderen Einsatz ist.

Zustand verschlechtert sich
Es ist ernst. Auch der Notarzt ist der Meinung, dass der Patient schnellstmöglich ins Landeskrankenhaus nach Feldkirch muss. „Das ist jetzt ein Bombennotfall“, sagt Yunus, als er wieder hinter dem Lenkrad sitzt. Die Fahrt nach Feldkirch ist lang, der Zustand des Patienten verschlechtert sich wieder. In Feldkirch wird der ältere Mann sofort in den Schockraum gebracht und den Ärzten übergeben. Was nun geschieht, liegt nicht mehr in den Händen der Sanitäter. „Manchmal frage ich mich nach den Einsätzen schon, wie es den Patienten wohl geht“, erzählt Yunus. Vor allem wenn er ein Kind wiederbelebt oder Schlaganfallpatienten ins Krankenhaus gefahren hat, sind seine Gedanken bei den Menschen. Denn sobald sie im Spital sind, kriegt man in den seltensten Fällen noch mit, wie es ihnen geht.
Zwischen Erleichterung und Sorge
Nach dem Einsatz zerbricht sich Curtis noch den Kopf. Brustschmerzen, Schnappatmung, zuckende Augen – das habe nicht wirklich zusammengepasst, da Brustschmerzen zwar für einen Herzinfarkt sprechen, aber die zuckenden Augen eher auf eine neurologische Erkrankung hindeuten. Doch insgesamt ist die Erleichterung der Sanitäter groß, denn eine erfolgreiche Wiederbelebung gibt es nicht jeden Tag. Oft komme leider jegliche Hilfe zu spät. Als Sanitäter darf man die einzelnen Schicksale nicht zu nahe an sich heranlassen, meint Curtis. Das würde einen psychisch viel zu sehr belasten. Wenn schwierige Einsätze dabei sind, tauschen sich die Sanitäter im Team aus oder können psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
Zwölfstündige Schicht
Gegen ein Uhr mittags sind Curtis und Yunus wieder zurück in Bregenz. Sie sind seit sechs Uhr morgens im Einsatz und haben erst jetzt Zeit, Mittag zu essen. An manchen Tagen bleibt kaum Zeit für eine Pause, während es auch Tage gibt, an denen es wenige Einsätze gibt. Die Schichten der Sanitäter dauern elf oder zwölf Stunden, vier Tage die Woche. Der Job und Freizeit sind nicht immer leicht zu vereinen. Manchmal gibt es kurz vor Dienstschluss noch einen Notfall und man kommt später nach Hause. „Ich komme dadurch immer wieder zu spät zu Treffen mit Freunden. Das ist auf Dauer nervig“, so Curtis. Doch seit der Sanitäter seinen Zivildienst beim Roten Kreuz gemacht hat, brennt sein Herz für diesen Beruf. Und er kann sich auch kaum einen anderen Job vorstellen – außer Regisseur. In seiner Freizeit dreht er gerne Kurzfilme und Videos.

Auch Yunus kam durch den Zivildienst, den er vor etwa einem Jahr beim Roten Kreuz gemacht hat, dazu. Auch für ihn wurde klar, dass ihn dieser Beruf erfüllt. An diesem Tag darf er zum ersten Mal unter Curtis‘ Anwesenheit Blaulichtfahrten machen, also mit Blaulicht und Sirene zu Notfällen fahren.
Jeder Tag ungewiss
Zwischen den Einsätzen ist es ruhig in der Dienststelle. Die Sanitäter tauschen sich über Einsätze aus oder erledigen Bürokratisches. Je nachdem wie viel los ist, haben sie auch Zeit, sich zu unterhalten oder Spiele zu spielen. Doch sie wissen nie, was in den nächsten Minuten passieren wird. Für viele Sanitäter ist genau das das Reizvolle an diesem Job. Von einem eintönigen Büroalltag ist der Beruf weit entfernt, denn es kann immer alles passieren.
Fieberkrampf
Um 15.03 Uhr geht erneut ein Notruf ein, der für Gänsehaut sorgt. Ein Kleinkind hat einen Fieberkrampf. Erneut fahren Curtis und Yunus mit Blaulicht und Sirene zum Einsatzort, wo die Mama des kranken Kindes sie schon an der Wohnungstür erwartet. Sie hat ihren Kleinen auf dem Arm und er weint stark. Der Fieberkrampf ist schon vorbei, doch das Fieber muss trotzdem gesenkt werden.
Curtis möchte nachsehen, ob sich der Bub während des Krampfes auf die Zunge gebissen hat, doch der Kleine ist zu aufgewühlt. Bei Einsätzen mit Kindern ist besonders viel Geduld gefragt. Curtis hat geht auf die Bedürfnisse ein und lässt das Kind im Arm seiner Mutter und wird sich die Zunge ansehen, wenn sich der der Bub etwas beruhigt hat.
Ruhe und Geduld
Auch die Eltern des Kindes bleiben bemerkenswert ruhig. Das heißt, sie folgen den Anweisungen von Curtis, ohne laut und hektisch zu werden. „Oft sind Eltern sehr aufgewühlt, wenn ihre Kinder krank sind“, meint Curtis. Es kommt vor, dass sie laut werden oder sich einmischen. Doch es erleichtert ihnen das Arbeiten, wenn die Anwesenden am Einsatzort ruhig bleiben können. Der kleine Bub und seine Mama werden mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus Bregenz gebracht. Dort wird sich bald entscheiden, ob der Kleine über Nacht bleiben muss.

Ende gut, alles gut.
Kurz vor Schichtende um sechs Uhr abends telefoniert Curtis mit dem Notarzt, um nach dem Zustand des wiederbelebten Mannes zu fragen. Gute Nachrichten: Es geht ihm besser und er kann in wenigen Tagen nach Hause. Schließlich ist die zwölfstündige Schicht der beiden Sanitäter vorbei. Sie können mit dem Gedanken nach Hause gehen, wieder etwas Gutes getan und Menschen geholfen zu haben.