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„Ich hab die Melancholie im Blut“

18.07.2024 • 19:01 Uhr
Avec
Sängerin Miriam Hufnagl präsentiert ihren neuen Song “I hate you so much”, also “Ich hasse dich so sehr”, im Alten Kino in Rankweil. Veronika Sterrer

Sängerin Miriam Hufnagl meldet sich mit der ersten Single zurück und präsentiert den Song „I hate you so much“ heute erstmals beim Open Air im Alten Kino Rankweil.

Worum geht’s in „I hate you so much“? Steckt da eine persönliche Geschichte dahinter?

Miriam Hufnagl: Ja genau, bei meinen Songs ist alles autobio­grafisch, was ich schreibe. Ich bin extrem verletzt worden und habe dann einfach die Gefühle gefühlt, die ich in dem Moment gefühlt habe. Da war es dann einfach so, dass ich einen Menschen sehr geliebt habe und das umgeschwenkt ist auf Hass. Es geht um sehr viel Enttäuschung. Ich hab ein bisschen ein schwieriges Verhältnis mit dem Wort Hass und versuche das Wort eigentlich nicht zu verwenden, weil man es oft sehr leichtfertig verwendet. Aber bei der Geschichte ist es einfach nicht anders gegangen.

Ist das ein wütender Song?

Hufnagl: Der Song ist entstanden, als die Wut schon ein bisschen weniger war, und ich glaube, das hört man auch. Vom Instrumental und der Stimmung her ist es eigentlich ein sehr ruhiger Song, aber im Text ist es auf jeden Fall Wut dabei, da ist Enttäuschung dabei und auch Traurigkeit.

Avec_Miriam Hufnagl
Avec überzeugt mit einer himmlischen Mischung von Instrumentals und Gesang. matthias zeindlhofer (3)

Finden Sie es schwierig, so ganz intime, persönliche Gefühle in der Musik zu verarbeiten?

Hufnagl: Mittlerweile nicht mehr. Am Anfang war das natürlich ein bisschen komisch, weil man das normalerweise ja nicht so macht, dass man gleich in die Öffentlichkeit geht, wenn man etwas erlebt hat. Aber weil das schon zehn Jahre mein Beruf ist und für mich die Musik und mein Schreiben immer ein Ventil und eine Form von Therapie waren, ist es für mich eigentlich schon fast ein bisschen normal geworden. Es kommt auch so viel zurück von meinen Fans und vom Publikum, wo Leute dann sagen: „Hey, ich kann mich mit dem so identifizieren, mir ist genau dasselbe passiert!“ oder „Die spricht endlich mal das an, was ich mir so oft gedacht habe oder was fehlt in der Gesellschaft.“ Dann sehe ich es sogar fast als eine Art Aufgabe, bei der ich mir denke: Okay, ich kann mir und vielen anderen Leuten damit helfen, und somit ist es dann voll das schöne Ding eigentlich. Das ist genau das Schöne an Musik generell, dass man sich so verstanden fühlt und eine Community hat.

Sind Sie dann in dem Sinn froh über diese negativen Erfahrungen, weil sonst hätten Sie die Songs ja nicht schreiben können?

Hufnagl: Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Ich glaube, alles was im Leben passiert, hat irgendwo einen Grund und eine Berechtigung – so versuche ich zumindest oft, die Dinge zu sehen. Ich lerne durch diese Erfahrungen, die ich gemacht habe, und meistens kommt dann ein Song raus, aber viele sind nicht veröffentlicht.

Worum geht es in „It’s a Problem“?

Hufnagl: Darum, dass man sich selbst den Spiegel vorhält und akzeptiert, dass eine Liebe vorbei ist und dass es noch ein Problem ist. Manchmal wird Liebe so obsessiv auf eine Art und Weise, die nicht mehr gesund ist. Und das habe ich eben auch erlebt, dass man dann sozusagen einen Menschen nicht loslassen kann und dieser Liebe immer noch hinterherhinkt.

In der Musik werden auch Themen wie mentale Gesundheit behandelt, worüber viele Menschen vielleicht nicht reden würden. Wollen Sie da bewusst darauf aufmerksam machen?

Hufnagl: Auf meinem ersten Album waren Themen wie Depression und so noch eher versteckter, weil ich selber noch nicht gewusst habe, wie und ob ich es kommunizieren will. Aber nachdem ich schon Jahre in Therapie bin, ist es für mich einfach so wichtig geworden, das unbedingt anzusprechen, weil es leider nach wie vor ein Tabuthema ist. Jeder und jede von uns kennt ja die Phasen, wo man nicht so gut drauf ist, und ich finde es wichtig, dass man miteinander auch darüber redet, weil das Ding ist: Keiner ist allein mit dem, wo er durchgehen muss, und man wird stärker, wenn man offen damit umgeht.

Avec_Miriam Hufnagl

Sind viele der Songs traurig?

Hufnagl: Der Großteil schon, ich habe diese Melancholie generell so ein bisschen im Blut, was nichts Schlechtes ist – ich mag das an mir auch und das war nie anders. Aber ich bin jetzt kein trauriger Mensch, sondern grundsätzlich auch gut drauf. Die Songs sind dann oft in einem happyeren Instrumental verpackt.

Und wollten Sie immer schon Musikerin werden?

Hufnagl: Nein, der Platz auf der Bühne ist überhaupt nicht mein Ding, ich bin keine Entertainerin und immer extrem nervös und hasse es im Mittelpunkt zu stehen. Also das sind echt Dinge, für die sind mein Körper und ich als Person nicht gemacht. Ich wollte eigentlich Ärztin werden. Aber ich hab nach der Matura den Aufnahmetest leider nicht geschafft. Und dann ist auf einmal alles passiert. Das klingt immer so märchenhaft, aber es ist tatsächlich so passiert, über das Internet gefunden worden. Aber es gibt nichts Schöneres für mich, als Musik zu machen. Wenn ich meine Musik spielen kann und Leute zuhören, da geht mir mein Herz auf.

Wie hat sich Ihre Musik über die Jahre entwickelt?

Hufnagl: Ich hab so früh angefangen zu schreiben generell – mit elf, zwölf Jahren – und über die Jahre lernt man sich selber besser kennen, reflektiert und schreibt auch anders – erwachsener vielleicht oder verspielter, man traut sich mehr. Jetzt, gerade im vierten Album, habe ich das Gefühl, da wird kein Blatt mehr vor den Mund genommen, es muss alles raus und es sollte ungefiltert bleiben, das war die Einstellung.

Woher kommen die Inspirationen?

Hufnagl: Also musikalisch gibt es auf jeden Fall Künstler, Künstlerinnen, deren Musik ich cool finde und wo dann Facetten, würde ich jetzt mal sagen, da mit einfließen, aber es ist schon unser eigenes Sounddesign. Ich höre eigentlich recht wenig Musik und mehr Podcasts und gehe ja auch nicht viel auf Konzerte. Sonst sind es nur eigene Erfahrungen, und was mich schon inspiriert, ist Bewegung an sich – also wenn ich im Auto fahre, im Zug oder Rad fahre – das war immer schon etwas, was mich inspiriert hat.

Avec_Miriam Hufnagl

Zur Person

Avec, bürgerlich Miriam Hufnagl, ist eine oberösterreichische Songwriterin und Musikerin, die 2015 mit ihrer Debütsingle „Granny“ bekannt wurde. Ihr erstes Album „What If We Never Forget“ erschien 2016, gefolgt von „Heaven/Hell“ (2018) und „Homesick“ (2020). 2024 veröffentlichte sie ihre neueste EP „It’s a Problem“.