Wie Biene Maja mich fürs Leben lehrte

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.
Mein Onkel hat schon längere Zeit Bienenstöcke. Ich, damals neugierige Mittzwanzigerin, bin mit ihm gerne unterwegs gewesen, wissbegierig, wie denn die „Bienenhandhabung“ funktioniert. Mehrere Bienenstöcke gab es direkt neben dem Wohnhaus. Aber auch einige Kilometer weit entfernt hatte mein Onkel noch welche aufgestellt. „Wenn ich einen Bienenstock vor dem Haus versetzen will, kann ich diesen nicht einfach um einen Meter verrücken. Dann finden die Bienen nicht mehr retour.“ Also musste er den ganzen Stock kilometerweit, fernab von der vertrauten Umgebung der Bienen, neu aufstellen. Das Insektenvolk befand sich nun an einem komplett fremden Ort und musste diesen, Zentimeter für Zentimeter, Blume für Blume neu erforschen. Deshalb fanden sie hier auch den Bienenstock. Wochen später, wenn die Honigmacherinnen ihr altes Zuhause vergessen hatten, konnte mein Onkel seinen Bienenstock an die gewünschte Stelle vor seinem Haus stellen. Dann beginnt das Erforschungsprozedere der Bienen neu, und der Bienenstock wird gefunden. Ich war bei so einem Bienenstocktransport dabei.
Wir fuhren in der Dämmerung zu den schlafenden Bienen. Mein Onkel pfropfte den Stock zu und verlud ihn ins Auto. Plötzlich brummte es neben meinem Ohr, und eine Biene setzte sich auf die Windschutzscheibe, innen, im Auto, beim Fahren! „Oje!“, hörte ich meinen Onkel sagen, und ich hatte plötzlich das Bedürfnis, schnell auszusteigen. Irgendwo hatte der Stock ein kleines Loch, und eine Biene nach der anderen, geweckt von der rüttelnden Autofahrt, kam herausgeflogen. Ich wiederhole, im Auto!
Daheim angekommen, es war inzwischen dunkel, sprang ich aus dem Auto. Mein Onkel hatte noch die Aufgabe, den Stock an seinen Bestimmungsort zu transportieren, und schleppte ihn durch den Garten. Rund um mich herum surrte und summte es. In der Dunkelheit konnte ich nichts sehen, hatte aber das Gefühl, direkt in einem Schwarm gestresster Bienen zu stehen. Und dann spürte ich Kribbeln unter meinen Klamotten. Ich rannte ins Haus, riss mir die Kleider vom Leib und stand in der Unterwäsche im Gang. Drei Mal wurde ich gestochen. Die armen Bienen.
Mein Onkel kam herein, völlig unversehrt und entspannt. Auftrag erledigt. Bienen im Stock. Königin heil. Er schaute mich an, wie ich da so entgeistert in Unterwäsche dastand, und meinte lächelnd: „Einfach ruhig bleiben!“ Was habe ich mir daraus mitgenommen? Fehler entspannter zu nehmen und zu beseitigen, und wenn doch was passiert, hat man wenigstens was gelernt. Oder so. Ich mag jetzt einen Bienenstich. Aber den vom Bäcker!
Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalistin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.