„Im Jahr 2024 sollte es normal sein, dass in jeder Firma Frauen arbeiten”

Egal, ob typischer Frauen- oder Männerberuf: 2024 haben Mädchen die Berufswelt längst erobert.
Der 11. Oktober steht ganz im Zeichen der Mädchen und der jungen Frauen: Am Weltmädchentag rücken die Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen in den Fokus. Der Tag soll auf die Hindernisse, mit denen Mädchen, speziell in der Berufswelt, oftmals konfrontiert sind, aufmerksam machen.
Klischee kein Thema
Aber nicht immer steht die Jobfindung in direkter Verbindung zum Geschlecht: Bei Andrea Hecht (18) war es die tiefe Begeisterung für Blumen und Pflanzen, die ihre Berufswahl lenkte.

Sie absolviert derzeit die Lehre zur Floristin bei „Mülli‘s Blumenshop“ in Lustenau. Eine Frau in einem klassischen Frauenberuf würde man denken. „Für mich war dieses Stereotyp zu keinem Zeitpunkt ein Thema. Ich hätte nie einen anderen Beruf ergreifen wollen“, so Andrea.
Mehr Vorstellungsvermögen
Trotzdem ist Hecht der Meinung, dass ihr Lehrberuf eher weiblich besetzt ist: „Es sind zwar ein paar Jungs in meiner Berufsschule, aber man merkt deutlich, dass es ein überwiegend frauenlastiger Job ist“, meint die 18-Jährige.

Stören tut sie das aber ganz und gar nicht. Im Gegenteil, sie hat sogar eine Erklärung dafür: „Ich glaube, dass Frauen einfach etwas kreativer sind und mehr Vorstellungskraft haben. Da ist es doch nachvollziehbar, dass wir in dieser Branche in der Überzahl sind.“
Abfällige Kommentare
Berufe, in denen überwiegend Frauen tätig sind, werden oftmals zu Unrecht unterschätzt. Häufig werden Friseurinnen, Verkäuferinnen, oder Floristinnen in ungleiche Relation zu männerlastigen Berufen gesetzt. Das stört Andrea Hecht. „Ich finde, ganz viele Menschen sehen die Arbeit gar nicht, die hinter unserem Beruf steckt. Da habe ich schon einige abfällige Kommentare von Kundschaften, oder auch meiner Familie gehört“, erzählt sie.
Einkommensunterschied
Der Aspekt des ungleichen Gehalts ist auch für Hecht ein Allgegenwärtiger. „Ich finde dieses Thema schwierig. Aber es stört mich auch nicht besonders, ich würde nirgendwo anders arbeiten wollen. Ich lebe meinen Traumjob.“

Trotzdem macht sich die Differenz zu anderen Berufen beim Thema Einkommen auch bei Hecht bemerkbar. Grund dafür, den Job zu wechseln, ist es für sie dennoch keiner.
Skeptisch
Das Pendant zu Andrea Hecht ist Matea Cavic. Sie absolviert derzeit das zweite Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Zerspanungstechnikerin bei der Firma Blum. Ein Beruf, der doch hauptsächlich von Männern besetzt ist. Müsste man zumindest meinen. Doch Matea ist bei weitem nicht die einzige junge Frau, die sich für die Technik begeistert.

„Für mich ist das Thema ‚klassischer Männerberuf, klassischer Frauenberuf‘ ein Klischee. Mittlerweile hat sich das im Gegensatz zu früher glücklicherweise sehr zum Positiven verändert“, so Cavic. Aber auch sie wuchs mit den typischen Berufsbildern, die Frauen zugeschrieben werden, auf. „Auch ich war zuerst skeptisch, ob die technische Branche zu mir passt. Ich dachte mir: Kann ich das? Das ist zu schwer für mich. Ich bin zu blöd dafür“, erzählt sie.
So begann sie in Bereichen wie der Pharmazie Ausbildungen. Als sie sich schlussendlich doch dazu überwand, bei der Firma Blum zu schnuppern, war sie überrascht: „Mir fiel sofort auf, wie viele Mädchen dort arbeiteten. Das hat mir total viel Mut gegeben“, erzählt sie. Durch die Repräsentation bekam sie ein bestärkendes Gefühl, nicht „zu blöd“ für einen technischen Beruf zu sein.
Sich beweisen müssen
„Zu Zeiten meiner Mutter wäre es eigenartig gewesen, eine Frau in einer Autowerkstatt zu sehen. Heute sieht man zum Glück fast überall in diesen Betrieben Mädchen.“

Anfangs musste sich Cavic trotzdem hin und wieder Kommentare, wie „Mädchen können das doch nicht heben“, anhören. „Nur weil ich weiblich bin, heißt das noch lange nicht, dass ich etwas nicht heben kann. Das ist totaler Schwachsinn.“ Sie betont aber, dass das Ganze mehr auf spaßiger, als auf diskriminierender Ebene stattgefunden habe. „Ich hatte nie das Gefühl, mich beweisen zu müssen.“
Außerhalb der Firma sieht das allerdings etwas anders aus, wie sie erzählt. „Wenn ich in meiner Arbeitskleidung mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin, kommt es schon hin und wieder vor, dass mich Leute schief anschauen. Ich glaube aber, dass dieses veraltete Denken in vielen Menschen noch verankert ist.“ Die schrägen Blicke stören sie aber nicht.

Unterschätzt werden
Was Matea allerdings schon beschäftigte, war das Gefühl, unterschätzt zu werden. „Aber auch bei diesem Thema glaube ich nicht, dass es auf mein Geschlecht bezogen war. Das hatte damit zu tun, dass ich neu im Betrieb war“, erklärt sie. „Schon nach wenigen Wochen bekam ich sehr positives Feedback. Ich mache oft Führungen durch unseren Betrieb, dafür bekomme ich immer sehr gute Rückmeldungen.“
Repräsentation ist wichtig
Was müsste sich aber ändern, damit sich mehr Mädchen in Männerberufen repräsentiert fühlen? „Mir hat es immer gefallen, schon bevor ich meine Ausbildung angefangen habe, wenn Mädchen auf Werbeplakaten für Unternehmen zu sehen waren“, so Matea. Mädchen würden sich willkommener fühlen, wenn sie sich repräsentiert sehen.

Auch auf Berufsmessen würde Matea sich mehr junge Frauen an Ständen wünschen. „Wenn bei potenziellen Lehrlingen die Frage aufkommt ‚Ist das überhaupt ein Beruf für mich, ich bin ja ein Mädchen?‘, dann ist es sicher nicht schlecht, Frauen, als Repräsentantinnen an einem Stand stehen zu haben“, betont die Auszubildende. „Im Jahr 2024 sollte es normal sein, dass in jeder Firma ein paar Frauen arbeiten. Es gibt einem einfach ein besseres Gefühl.“ Es geht nicht darum, dass Mädchen in technische Berufe gehen müssen, aber sie sollen die Möglichkeit haben, sich zu trauen.