Auf Herbergssuche nach dem Hangrutsch – Frust, Hilferuf und Sackgasse

Die Hörbranzer Naturkatastrophe nahm Leonhard Matt sein Zuhause. Die Suche nach einer neuen Bleibe für sich, seine Mutter und seine Schwester, gestaltet sich schwierig – ein Lokalaugenschein.
Am 28. April 2023 stellte die Natur Leonhard Matt und seine Familie auf eine harte Probe. Der Gartenbauer, der gemeinsam mit seiner Mutter und Schwester den elterlichen Bauernhof bewohnte, kam von einem Faschingsessen nachhause.

„Gegen 22 Uhr verließ ich die Veranstaltung, da ich am nächsten Morgen arbeiten musste. Doch in der Nacht wachte ich plötzlich auf. Ein intensiver Waldgeruch lag in der Luft, und ich hörte unheimliche Geräusche, als würden Bäume umfallen. Erst dachte ich, dass möglicherweise jemand im Wald arbeitete, doch es war mitten in der Nacht – das war unwahrscheinlich“, schildert der Hörbranzer gegenüber der NEUE am Sonntag die Ereignisse jener schicksalhaften Nacht, die ihn und seine Familie um sein Hab und Gut bringen sollte. Als die Geräusche nicht abrissen und immer lauter wurden, stand plötzlich die Feuerwehr vor der Türe. „Sie informierten uns, dass wir das Haus sofort verlassen müssten. Der Hang war in Bewegung, gegen Mitternacht waren wir gezwungen, unser Haus zu verlassen“, führt Matt weiter aus.

Rückkehr nicht möglich
Nach einer Nacht voller Sorge und wenig Schlaf wurde am nächsten Tag erkennbar, dass das Haus massive Schäden davongetragen hatte. Gemeinsam mit Freunden, den Nachbarn und der Feuerwehr brachten die Familie Matt ihre Habseligkeiten in Sicherheit. Der Großteil blieb jedoch im Haus zurück, da eine umfassende Rettung wegen der anhaltenden Instabilität des Geländes nicht möglich war. „Meine Mutter und Schwester konnten bei Verwandten unterkommen, während ich dank eines Feuerwehrkameraden in der kleinen Wohnung seines verstorbenen Vaters untergekommen bin“, führt Matt weiter aus.
Anfangs bestand noch die kleine Hoffnung, dass mit Sicherungsmaßnahmen wie einem Entlastungsgraben die Liegenschaft zu retten wäre. Die Natur zeigte aber wenig Einsicht und die Erd- und Geröllmassen bahnten sich unaufhaltsam ihren Weg – Familie Matt und viele weitere Betroffene waren gezwungen, den aussichtslosen Kampf gegen die Naturgewalten aufzugeben.

Zwischen Tür und Angel
Leonhard Matt versuchte, sein Leben so gut wie es ging in den Griff zu bekommen und seine Gartengestaltungsfirma trotzdem weiterzuführen. „Meine Gerätschaften konnte ich im Stadel eines Freundes unterbringen, den Hausrat und die Möbel in einem weiteren Lager. Das Geschäft führe ich von der Wohnung aus, die räumliche Distanz zwischen drei verschiedenen Orten macht das Leben aber nicht leichter“, informiert der Gartenbauer.

Die Wochen und Monate nach dem Hangrutsch seien aber geprägt gewesen von Unsicherheit, Stress und der Notwendigkeit, immer wieder neue bürokratische Hürden zu überwinden. „Der Verlust unseres Zuhauses, die scheinbar endlosen Versprechen vonseiten der Behörden und die fehlende Klarheit über den weiteren Verlauf der Hilfsmaßnahmen zehrten an unseren Kräften. Für mich persönlich war es besonders schwer, einen klaren Kopf zu behalten“, so Matt.
Schließlich forderte die Situation ihren Tribut. Im vergangenen Jahr wurde bei Matt Hautkrebs diagnostiziert – „vermutlich eine Folge der ständigen Belastung und des emotionalen Drucks. Der Gedanke, dass meine Existenzgrundlage bedroht ist, hat mich an den Rand meiner psychischen Belastbarkeit gebracht.“


Hoffnungsschimmer?
Inmitten all dieser Schwierigkeiten entstand die Idee, das alte Haus seiner Großmutter zurückzukaufen. „Ursprünglich war es testamentarisch der Caritas überschrieben worden, doch mein Onkel hatte vor seinem Tod eine Änderung des Testaments zugunsten unserer Familie beabsichtigt. Leider kam es nicht mehr dazu, da er einen Monat vor der geplanten Änderung verstarb“, beteuert der leidgeprüfte Unterländer. Das Unterfangen erwies sich aber von Anfang an als schwierig, da das Gebäude bereits von der wohltätigen Organisation genutzt wurde und eine Heimat für mittlerweile elf Schutzbedürftige, darunter Familien und Kinder, geworden war.

Bürgermeister vermittelt
Das bestätigt auch der Hörbranzer Bürgermeister Andreas Kresser auf Anfrage der NEUE am Sonntag: „Wir haben intensive Gespräche mit der Caritas und dem Land Vorarlberg geführt, auch der damals zuständige Landesrat Christian Gantner war intensiv in die Suche nach einem passenden Ersatz involviert. Trotzdem ist es nachvollziehbar, wenn die Caritas als Eigentümer froh ist, um den Platz und die funktionierende Situation rund um das Gebäude. Bis dato haben wir bedauerlicherweise keine passende Alternative gefunden. Das heißt aber nicht, dass wir nicht weiter versuchen, eine für alle Betroffenen gangbare Lösung zu finden.“

Leonhard Matt zeigt sich zwar enttäuscht, zumal das Haus seiner verstorbenen Großmutter auch eine große, emotionale Bedeutung für sich, seine Schwester und seine Mutter habe. Aufgeben kommt für den Mann, dem es im wahrsten Sinn des Wortes den Boden unter den Füßen weggerissen hat, aber nicht infrage. In der Hoffnung, dass seine Herbergssuche vielleicht auch in Anbetracht der baldigen Adventszeit von Erfolg gekrönt sein wird.

Stellungnahme der Caritas
„Aus Sicht der Caritas ist die Alternativ-Prüfung abgeschlossen“
“Die Auswirkungen der Hangrutschungen in Hörbranz für die dortigen Bewohner machen auch uns nach wie vor betroffen. Deshalb haben wir uns an einer Prüfung zu diversen Alternativen beteiligt. In drei Wohneinheiten leben Familien mit Kindern und Personen, die sich auf dem privaten Wohnmarkt keine Wohnung leisten können. Das Objekt hat sich für diese Unterbringung bewährt. Außerdem ist die Caritas durch die testamentarische Verfügung des früheren Eigentümers der Liegenschaft gebunden. Er hat das Haus 1997 an die Caritas vererbt, damit sie dieses nach seinem Ableben für ihre soziale Tätigkeit verwendet.
Für die Caritas ist deshalb nur eine Lösung infrage gekommen, in der sichergestellt ist, dass die Nutzung, die uns mit dem Erbe übertragen ist, in einem anderen Objekt in vergleichbarer Weise weitergeführt werden kann. Bei der Prüfung durch Gemeinde, Land und die Caritas zeigte sich übereinstimmend, dass sich die Anforderung, in der Region ein für die Anliegen der Wohnungslosenhilfe vergleichbar geeignetes Objekt zu finden, nicht realisieren lässt.
Wir haben inzwischen in den Gesprächen mit Gemeinde und Land den Eindruck gewonnen, dass es für eine zeitnahe Lösung einfacher möglich sein wird, dass die betroffene Familie für sich ein anderes adäquates Objekt findet, als für die Wohnungslosenhilfe ein Mehrparteienobjekt in der Region aufzutreiben. Damit ist aus Sicht der Caritas die Alternativen-Prüfung abgeschlossen.”
Claudio Tedeschi, Caritas
Drei Fragen an: Landesrat Daniel Allgäuer (FPÖ), zuständig für Sicherheit und Intergration

1. Wie steht es um einen möglichen Erwerb der Caritas-Liegenschaft?
Daniel Allgäuer: Die Entscheidung, das erwähnte Gebäude am Giggelstein der Caritas an Herrn Matt zu verkaufen, liegt bei der Caritas. Ob bei einem möglichen Verkauf der Liegenschaft an die Verwandtschaft dem Willen der Erblasser widersprochen wird und ein Verkauf überhaupt möglich ist, gilt es durch die Caritas zu prüfen und zu entscheiden.
2. Wie unterstützt das Land die Opfer der Hangrutschung?
Allgäuer: Das Land unterstützt die betroffenen Familien durch Leistungen aus dem Katastrophenfonds und durch Vermittlung aller bekannten Unterstützungsmöglichkeiten. Mehrere Familien sind von dieser furchtbaren Katastrophe der Hangrutschung betroffen. Es ist nicht die Aufgabe des Landes, den Familien Liegenschaften zu vermitteln, sondern mit finanziellen Mitteln den Aufbau eines neuen Lebensumfeldes zu unterstützen. Im Sinne eines Gleichheitsgrundsatzes ist es geboten, allen Betroffenen im selben Ausmaß Hilfestellungen zu bieten, was wir mit all unseren Kräften und Mitteln tun.
3. Ist der Objekterwerb für Herrn Matt von der Caritas vom Tisch oder bestehen alternative Möglichkeiten, vielleicht auch mit Unterstützung des Landes?
Allgäuer: Das Land Vorarlberg hat sich in diesem Fall eingebracht, um einen möglichen Immobilienabtausch der Caritas mit einer Landesimmobilie zu prüfen. Diese Möglichkeit ist leider nicht umsetzbar. Die Immobiliensuche liegt in der Verantwortung der Familie und kann nicht vom Land Vorarlberg übernommen werden.
(NEUE am Sonntag)