Allgemein

Milano im Regen

17.02.2025 • 11:02 Uhr
Neue Kopfkino Salmhofer Kolumne
Sonntags-Tagebuch von Heidi Salmhofer. NEUE

Heidi Salmhofer mit ihrer Kolumne in der NEUE am Sonntag.

Krass spontan wollten wir sein – mein Lieblingsmensch und ich. (Ja, ja, da gibt es jemanden, ich gestehe.) Kinder außer Haus, ein sturmfreies Wochenende, und der Entschluss wurde gefasst – wir hauen nach Italien ab. Dass der Wetterbericht für Mailand und Umgebung Dauerregen voraussagte, wurde geflissentlich ignoriert. Beziehungsweise abgetan mit: „So schlimm wird es nicht sein, es ist doch Italien.“ Auf ging’s Richtung Milano. Wohlgemerkt: Es war noch kein Hotel gebucht. Irgendwo am verschneit-kalten San-Bernardino-Pass überkam uns aber doch unwillkürlich das Gefühl, es wäre wohl vernünftiger, VOR der Einfahrt nach Milano zu wissen, wo man ein Bett zum Schlafen bekommt. Nur zur Sicherheit. Unter dem blauen Himmel zwischen den weißen Berggipfeln versuchte Frau Salmhofer also via App, ein Hotel zu finden. Zugegeben – ich war total überfordert. Alle hatten ein Bett und eine Dusche. Mithilfe einer Empfehlung konnten wir uns dann doch entscheiden, und frohen Mutes, begleitet von Sonnenschein, kurvten wir über den großen Berg auf die andere Seite – und in eine andere Sprachwelt.

Kaum waren wir über den Pass, wurde es grau, kalt und neblig. Es nieselte eisig auf die Windschutzscheibe, und die Außentemperatur fiel unangenehm in die Nähe des Gefrierpunkts. Ein Schild mit der Aufschrift „Benvenuto“ war der einzige Hinweis darauf, dass wir nicht nach Mordor, sondern doch irgendwo Richtung Italien unterwegs waren.

Es regnete, als wir in Milano ankamen, und es war kalt. Egal! Wir waren jetzt hier, und auf gar keinen Fall wollten wir uns die Kurzurlaubstimmung vermiesen lassen (und noch weniger unsere jugendliche Spontanität in Frage stellen). Ich staunte: Modegeschäfte, glitzernde Werbung, schöne Menschen, überdachte Einkaufspassagen aus der Jahrhundertwende, ein wunderschöner Dom, ein Künstlerviertel – und überall im Grau des nasskalten Wetters italienische Stimmung. Ich genoss jede Minute in dieser Stadt. Süße Bäckereien, echte italienische Pizza, grüne Papageien im Stadtpark. Selbstverständlich haben wir in der Modestadt Milano auch geshoppt. Nämlich zwei schwarze, überteuerte Schirme vom Straßenverkäufer ums Eck. Man gönnt sich ja sonst nichts.

So marschierten wir touris­tisch durch die Gassen. Das schwarze, fragile Regendach meines Lieblingsmenschen fiel ihm im Minutentakt auf den Kopf, weil die Federn im Schirmstock nach dem ersten Öffnen so ausgeleiert waren, dass er immer wieder nach unten rutschte.

Und nicht eine Sekunde verfielen wir in miese Stimmung. Denn sich am Unperfekten erfreuen zu können, macht die perfekten Momente aus.

Heidi Salmhofer ist freiberufliche Theatermacherin und Journalis­tin. Sie lebt als alleinerziehende Mutter mit ihren Töchtern in Hohenems.