Auf der Suche

Als meine Mädels noch etwas kleiner waren, also noch so Wutzis, die mir nicht viel weiter als übers Knie gegangen sind, waren sie begeisterte Sucherinnen und Sammlerinnen.
In jedem Bilderbuch wurde eifrig nach bestimmten Figuren gesucht, Versteckspiel stand auf der Hitliste der Langeweilevertreibung ganz oben – oder ehrlicherweise auf Platz zwei, denn Fernsehen wäre sicher die Wahl Nummer eins gewesen. Und selbstverständlich war an Ostern das Suchen der Geschenke schon für sich genommen ein echtes Highlight. Das Erfolgserlebnis beim Finden des Osterschokohasen dann nur noch die Krönung.
Dann sind sie im Garten herumgewuselt, haben nach den bunten Eiertupfen im Gras gesucht und freudig gekiekst, wenn sie fündig geworden sind. Das Erleben von Tun, Entdecken und dabei auch noch erfolgreich sein – das war der schönste Zeitvertreib.
Ich habe mich gefragt, woher eigentlich diese Lust am Suchen kommt. Ist das ein Überbleibsel aus unserer Jäger-und-Sammler-Zeit? Als wir durch die Wälder gestreift sind, um Heidel-, Him- und Brombeeren in unsere hungrigen Münder zu stopfen? Oder ist das Suchen noch tiefer in uns verwurzelt, weil wir uns unserer Endlichkeit bewusst sind – und deshalb immer auf der Suche nach mehr Einfachheit in unserem kleinen Dasein, nach dem Sinn und vielleicht auch nach der einen Antwort schlechthin? Was passiert mit uns, wenn es unser körperliches Ich nicht mehr gibt? Jede Suche hat uns bisher einen Schritt weitergebracht. Wir suchten nach einem Weg, Fleisch leichter verdaulich und haltbarer zu machen – und entdeckten die Sinnhaftigkeit von Feuer. Wir suchten eine Möglichkeit, mehr Dinge von A nach B zu transportieren – und erfanden das Rad. Wir suchten ein Mittel, um weniger denken zu müssen, oder – positiver ausgedrückt – Denkhilfe und Gestaltungskraft zu bekommen, und kreierten die KI. Und wir suchen weiter.
Eine Suche jedoch bleibt individuell, ganz persönlich: die nach dem Sinn des Lebens.
Da wir das letzte große Ei noch nicht gefunden haben – das finale Element, das womöglich alle offenen Fragen beantworten und den Tod entmystifizieren könnte – bleibt es an uns selbst, zu entscheiden, was wir finden wollen.
Ich bin der Meinung: Den einen Sinn gibt es vielleicht gar nicht – sondern viele, ganz persönliche. Wie bunte Ostereier, die überall versteckt liegen und nur darauf warten, entdeckt zu werden. Jeder von uns sucht auf seine Weise, und vielleicht findet auch jeder etwas anderes. Etwas Eigenes, etwas Echtes.
Und genau darin liegt vielleicht der wahre Sinn: im Suchen, im Finden – und im Freuen über das, was wir entdecken.
