Gegen Gewalt an Frauen: Stiller Marsch durch den Weihnachtsmarkt

Eine Mahnwache gegen Gewalt an Frauen und eine künstlerische Auseinandersetzung mit weiblichen Rollenbildern prägten den Abend im Dornbirner Wirkraum.
Groß waren die Augen der Passanten, als über 50 Menschen, hauptsächlich in Orange gekleidet, schweigend in einem Marsch über den Dornbirner Adventmarkt zogen. Zwischen Weihnachtskitsch, Glühwein und funkelnden Lichtern geraten ernste Themen leicht in Vergessenheit. Die Mahnwache am Abend des vergangenen Donnerstags rückte jedoch ein Problem in den Mittelpunkt des Marktplatzes, das gerade in dieser Jahreszeit besondere Bedeutung hat.

Marsch durch die Innenstadt
Die Mahnwache gegen Gewalt an Frauen fand in diesem Jahr bereits zum fünften Mal statt. Organisiert wurde sie vom FHV-Fachbereich Soziales und Gesundheit, der Stabstelle Diversität an der FHV, der ÖH der FHV, dem Soroptimist International Club Dornbirn sowie dem Wirkraum der Caritas Dornbirn. Gemeinsam gedachten sie den Opfern und allen von Gewalt betroffenen Frauen. Der stille Zug startete kurz nach 17.30 Uhr bei der Fachhochschule Dornbirn und bewegte sich wortlos durch die Innenstadt bis zum Wirkraum in der Bahnhofstraße. Dort angekommen, wurden Briefe von ehemals Gewaltbetroffenen vorgelesen – teils unter Tränen.

Es waren zutiefst berührende Geschichten: von Frauen, denen eingeredet wurde, ihr Partner hätte sich geändert, nur um anschließend noch mehr Gewalt zu erfahren. Von Frauen, die sich aufgrund unterschiedlichster Umstände jahrelang nicht aus traumatisierenden Beziehungen lösen konnten. Von Frauen, die so sehr verletzt wurden, dass sie bis heute Medikamente benötigen, um den Alltag zu bewältigen. Und von Frauen, die glauben, selbst schuld zu sein an dem, was ihnen angetan wurde.
Es verwundert kaum, dass auch das Publikum emotional stark von den Erzählungen mitgenommen wurde. Doch genau dafür scheint die Mahnwache da zu sein: Um daran zu erinnern, dass jedes Jahr unzählige Frauen Opfer von Gewalt werden. Allein im vergangenen Jahr wurden in Österreich 27 Femizide und 41 Mordversuche verzeichnet.
Vergötterung und Verurteilung
An diesem Abend wurden jedoch nicht nur direkte Gewalterfahrungen thematisiert, sondern auch die vielfältigen Formen von Unterdrückung, die Frauen im Alltag ertragen müssen. Eine Etage tiefer, im Keller des Wirkraums, präsentierten die beiden Intermedia-Absolventinnen Hannah Boll und Carmen Noggler ihre Ausstellung „Zwischen Vergötterung und Verurteilung“.

Die beiden schufen einen vielschichtigen Reflexionsraum über gesellschaftliche Rollenbilder von Frauen. Was als zwei getrennte Bachelorarbeiten begann, entwickelte sich durch den Austausch zu einem gemeinsamen Projekt. Beide Künstlerinnen setzten sich zunächst individuell mit ihren Themen auseinander. Erst im Dialog innerhalb ihrer Studiengruppe zeigte sich, wie eng die inhaltlichen Schwerpunkte miteinander verbunden sind. “Dann kam irgendwann die Idee, dass wir unsere Themen durch eine gemeinsame Ausstellung verbinden könnten.“, erzählt Boll im Gespräch mit der NEUE.
Ausgangspunkt waren stereotype Vorstellungen über Sportlerinnen und Mütter – zwei Rollen, die gesellschaftlich stark ideologisiert sind und dennoch erstaunliche Parallelen aufweisen.

Bewundert und kontrolliert
Sowohl die Athletin als auch die Mutter werden demnach gleichzeitig bewundert und kontrolliert, zumindest solange sie den Erwartungen entspricht. Abweichungen werden schnell sanktioniert, während tatsächliche Leistungen oft in den Hintergrund rücken. Mit der Unterstützung von Kommilitonen entwickelten die beiden ein Raumkonzept, das performative Elemente, Video-Sequenzen und interaktive Installationen vereint. Ein Teil der Ausstellung besteht aus Projektionen, die in jenem Raum produziert wurden, in dem später auch die erste Präsentation der Ausstellung stattfand. Der Wirkraum selbst ist bereits die zweite Station der gemeinsamen Ausstellung.

Großer Schritt
Für Boll und Noggler war das Projekt auch ein persönlicher großer Entwicklungsschritt. Noggler erklärt dazu: „Sich mit Themen auseinanderzusetzen und von Beginn an was zu erschaffen, dass dann auch eine Wirkung hat. Ich glaube, das Schöne ist, dass Design ein Werkzeug sein kann, mit dem man auch kritische Themen sichtbar machen kann. Die Zusammenarbeit habe sie ermutigt, künftig verstärkt in Richtung Art Direction oder ähnliche Tätigkeiten zu gehen. Die Ausstellung im Wirkraum markiert für sie einen wichtigen Schritt in eine berufliche Zukunft, die kreative Gestaltung und gesellschaftliche Auseinandersetzung verbindet.