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Evangeliumkommentar: Aufbrechen im Vertrauen

27.12.2025 • 10:00 Uhr
Evangeliumkommentar: Aufbrechen im Vertrauen
Das Gemälde „Die Flucht nach Ägypten“ von Vittore Carpaccio (um 1515) zeigt die Heilige Familie auf ihrem Weg ins Exil und gehört zu den klassischen Darstellungen dieses biblischen Ereignisses. National Gallery of Art, Washington D.C

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Margit Willi, katholische Religionslehrerin.

Sonntagsevangelium

Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, siehe, da erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef auf und floh in der Nacht mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. Dort blieb er bis zum Tod des Herodes. Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen. Als Herodes gestorben war, siehe, da erschien dem Josef in Ägypten ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und zieh in das Land Israel; denn die Leute, die dem Kind nach dem Leben getrachtet haben, sind tot. Da stand er auf und zog mit dem Kind und dessen Mutter in das Land Israel. Als er aber hörte, dass in Judäa Archelaus anstelle seines Vaters Herodes regierte, fürchtete er sich, dorthin zu gehen. Und weil er im Traum einen Befehl erhalten hatte, zog er in das Gebiet von Galiläa und ließ sich in einer Stadt namens Nazaret nieder. Denn es sollte sich erfüllen, was durch die Propheten gesagt worden ist: Er wird Nazoräer genannt werden. Matthäus 2,13-15.19-23

Die Weihnachtszeit klingt langsam aus, und schon konfrontiert uns das Evangelium mit einer Szene, die ganz und gar nicht idyllisch ist: Flucht in der Nacht, Bedrohung, Unsicherheit. Noch bevor Jesus sprechen oder handeln kann, wird sein Leben bedroht. Mitten hinein in diese drastische Situation wird Josef gestellt – ein Handwerker, ein Familienvater, der eigentlich nur in Ruhe leben wollte. Doch er muss handeln. „Steh auf“, sagt der Engel, „nimm das Kind und seine Mutter und flieh.“ Diese Aufforderung scheint so klar. Aber wir haben vermutlich schon oft erlebt, wie schwierig es ist, tatsächlich aufzustehen, Gewohntes hinter uns zu lassen und dorthin zu gehen, wo kein sicherer Boden unter den Füßen ist.

Familien, die überstürzt ihre Heimat verlassen müssen, weil Gewalt, politische Instabilität oder Klimakatastrophen ihnen den Boden entziehen, gehören mittlerweile zum Alltag. Menschen, die wie Josef nicht wissen, was das Morgen bringt, die aber hoffen, Sicherheit zu finden. Die Heilige Familie war auch eine Flüchtlingsfamilie, die Weihnachtsgeschichte ist auch eine Fluchtgeschichte.

Josef als zentrale Figur in diesem Textabschnitt zeigt sich als einer, der hinhört auf eine Stimme, die ihn ruft – nicht laut, nicht spektakulär. Im Traum soll diese große Veränderung zur Realität werden. Möglicherweise kennen wir das: in Augenblicken der Ruhe zu realisieren, was der nächste Schritt sein soll. Dieser nächste Schritt ist für die junge Familie ein bahnbrechender. Wieder einmal hinaus aus der ohnehin wenig komfortablen Komfortzone. Wieder einmal Aufbruch. Wieder einmal ungewisses Ankommen. Mutig, was dieser Josef da umsetzt.  Die Familie macht sich auf den Weg, getragen von einem tiefen Vertrauen, dass Gott sie nicht ins Leere schickt, sondern begleitet und führt.

Vielleicht ist uns die Erfahrung nicht unbekannt, nach mutigen Entscheidungen festzustellen: Es war richtig so. Manchmal werden Umwege von uns abverlangt, es entstehen dunkle, ungeplante Momente, in denen wir „alles“ gerne anders hätten. Auch dann trägt dieses „Steh auf!“ Nimm das Leben in die Hand, es wird gut, ich bin bei dir. Vertraue. Habe Mut. Geh.

Margit Willi
Religionslehrerin Margit Willi. Privat