Wie Celina mit geretteten Hühnern Menschen hilft

Celina Ihrig-Egger aus Nenzing und ihre tierischen Begleiter helfen immer dann, wenn sich menschliche Grenzen aufzeigen.
Von Menschen im Altersheim, Wachkomapatienten, Kindern, Menschen mit Beeinträchtigung und Erwachsenen mit Angststörungen: Celina Ihrig-Eggers Klientel ist breit gefächert. Sie arbeitet in der tiergestützten Sozialpädagogik, mit vier- und zweibeinigen Helfern, dort, wo die menschlichen Möglichkeiten oft aufhören.

Zwei Kaninchen, drei Meerschweinchen, drei Alpakas, zwei amerikanische Miniaturpferde, neun Zwergschafe, 15 Wachteln, 22 Hühner, eine Katze, drei Hunde und zwei Eulen. Das sind alle Tiere, mit denen Celina zusammenlebt. Nicht alle davon verwendet sie für ihren Beruf, auch privat schätzt und liebt sie die Tiere sehr. „Viele der Tiere werden uns auch einfach vor die Türe gelegt. Die päppeln wir dann auf.“
Anfangen zu sprechen
„Ganz viele unserer Tiere sind gerettet“, erzählt Ihrig-Egger. Mit gerettet meint die junge Frau von Schlachthöfen, oder aus privater, oftmals katastrophaler Haltung. Diese Tiere nimmt sie dann bei sich aus und bildet sie je nach Möglichkeit zu Therapietieren aus. „Mit den Eulen versuchen wir zum Beispiel gerade, ein Wiederauswilderungsprojekt zu machen.“ Was Ihrig-Egger jedoch bei all den vielen Tieren am wichtigsten ist: Kein Tier wird geschlachtet. „Unsere Tiere werden immer operiert, egal, wie viel es kostet. Sogar ein Kaninchen bekommt 1000 Operationen, wenn es sie braucht. Man muss die Tiere genau so wertschätzen wie die Menschen“, meint sie. Auch alte Tiere, die für Celinas Arbeit nicht mehr zu gebrauchen sind, dürfen auf dem Hof der Familie einen angenehmen Lebensabend genießen. „Der Tierschutz ist das A und O meiner Arbeit.“
Viele der Menschen, mit denen ich arbeite, sagen nicht viel. Wenn ein Tier dabei ist, fangen sie wieder an, zu sprechen.
Celina Ihrig-Egger

Doch was ist die tiergestützte Intervention überhaupt? „Ich arbeite mit Leuten in jedem Alter und in jeder Lebenssituation“, erklärt Ihrig-Egger. In ihrem Beruf geht es geht darum, an Ängsten, Traumata und anderen psychologischen Ursachen mithilfe von Tieren zu arbeiten. „Viele Menschen, mit denen ich arbeite, sagen nicht viel, oder haben überhaupt schon lange nicht mehr gesprochen. Ihre Mitmenschen meinen zum Teil, dass sie gar nicht mehr sprechen können. Wenn dann jedoch Tiere dabei sind, fangen sie auf einmal wieder an, zu sprechen. Es ist wie ein kleines Wunder“, lächelt Ihrig-Egger. Mithilfe der Tiere lockt sie die Menschen aus der Reserve, auf eine humorvolle Art und Weise. „Viele der Heimbewohner haben Fotos meiner Tiere in ihrem Zimmer hängen. Das berührt mich total.“
Angst nehmen
Doch auch mit den kleinen Mitgliedern der Gesellschaft arbeitet Celina. Mit ihren Tieren besucht sie regelmäßig Volksschulen. Dabei gehe es einerseits um Bewusstseinsbildung gegenüber den Tieren, den richtigen Umgang mit ihnen und um Tierschutz, erklärt sie. Aber auch wenn Kinder Probleme haben, vor der Klasse zu sprechen, kann der Kontakt mit einem Zwergschaf oder einem Kaninchen einiges bewirken. „Durch die Tiere kommen die Kinder auch miteinander in Kontakt“, erklärt sie.
Meine Arbeit ersetzt keine Therapie. Es ist lediglich eine pädagogische Unterstützung.
Celina Ihrig-Egger

Außerdem spielt das Thema Hunde bei der Arbeit in Volksschulen eine wesentliche Rolle. „Viele Kinder haben Angst vor Hunden. Wenn sie verstehen, warum er in gewissen Situationen so reagiert, haben sie ein viel besseres Verhältnis zu den Tieren“, erzählt Ihrig-Egger. Der kleine Begegnungshof bei ihr zu Hause kann außerdem auf Anmeldung von Schulklassen besucht werden.
Viel Aufwand
„Natürlich ist es enorm viel Arbeit und kostet auch eine ziemliche Summe Geld“, gibt sie zu bedenken. „Man hat aber zu jedem Tier einen persönlichen Bezug, das ist etwas ganz Besonderes. Sie gehören zur Familie und jedes Tier bekommt ein Weihnachtsgeschenk.“

Diese innige Bindung könne aber wiederum auch ganz schön auf den Magen schlagen, wenn einer der Schützlinge verletzt oder krank ist, erzählt sie. „Wenn man die Pflege gut machen will, ist es ein enormer Aufwand. Aber das tut man gerne. Man hängt voll mit dem Herz dabei.“ Das wichtigste dabei sei, eine gute Balance zwischen dem Wohl der Tiere und dem der Menschen zu finden. Celina ist Mama von zwei Kindern. Die beiden helfen mittlerweile schon mit, bei allem, was mit so vielen Tieren an Arbeit anfällt. „Wenn in der Nacht etwas getan werden muss, kommen sie selbstverständlich mit raus und helfen“, erzählt sie.
Mit dem Hund auf Reisen
Die Nenzingerin wusste schon seit ihrer Kindheit, dass sie mit Tieren arbeiten würde, doch sammelte sie zwischendurch auch Erfahrungen in einer gänzlich anderen Branche: nämlich als Flugbegleiterin. Nach ihrer Matura machte sie ein Auslandsjahr. Während dieser Zeit auf Reisen hatte sie stets einen treuen Begleiter: Hund Fluffy. In einer Hundeauffangstation in Spanien hatte die junge Frau aus Nenzing dann ihr Schlüsselerlebnis. „Da war ein Junge, der immer wieder mit den Hunden spazieren ging. Er sagte nie viel. Von seiner Mutter wusste ich, dass er aus der Schule genommen wurde, weil er sich mit Englisch ziemlich schwertat. Auf einmal hat er dann angefangen, Englisch zu lernen, um sich mit mir über die Hunde unterhalten zu können.“ Ab diesem Zeitpunkt war Celina klar, was man mit tierischer Begleitung alles bewirken kann. „Was aber ganz wichtig zu betonen ist: Meine Arbeit ersetzt keine Therapie. Es ist lediglich eine pädagogische Unterstützung.“

Wachkomapatienten
Ein besonderer Aspekt von Celinas Arbeit ist die Arbeit mit Wachkomapatienten. „Es ist ein ganz spezielles Gefühl, wenn ein Hund im Raum ist und auf einmal ein Finger des Patienten nach dem Tier zuckt“, erzählt sie. „Den Wachkomapatienten fehlt der Körperkontakt. Das ist ja auch logisch, man kann nicht einfach ins Bett dazuliegen. Aber ein Hund kann das. Es tut den Patienten gut, Körperwärme zu spüren und ein Herz neben sich schlagen zu hören.“

Viele der Tiere, mit denen Egger arbeitet, sind geprüft und zertifiziert. Darunter auch einige ihrer Hühner. Mit den Tieren, die dafür geeignet sind, macht sie Ausbildungen, speziell für ihre Arbeit. Celina selbst studierte Sozialpädagogik und ist außerdem diplomierte Fachkraft für tiergestützte Therapie und Fördermaßnahmen.
DankTier
Dass man durch Tiere ins Gespräch kommt, merkte Celina schon während ihrer Reisen. Ihr treuer Begleiter, Hund Fluffy, brachte Menschen dazu, mit ihr zu sprechen. Obwohl sie oft die Sprache gar nicht verstand, ergaben sich Begegnungen. Sie ist dankbar für die Momente mit den Tieren. Daher kommt auch der Name ihres Unternehmens: „DankTier“. „Ich kann mich noch erinnern, es war ein wunderschöner Tag und ich saß einfach in einer Wiese. Da kam eines meiner Schäfchen zu mir her. Ich habe es gestreichelt und einfach den Moment genossen. Ich habe gemerkt, wie dankbar wir beide in diesem Moment waren. Dann habe ich ihm ins Ohr geflüstert: Dank’ dir.“