Euro-Stars

Der Blitzstarter

19.06.2024 • 12:00 Uhr
Germany Champions League
Khvicha Kvaratskhelia tanzt seine Gegner regelrecht aus. AP

Der Georgier Khvicha Kvaratskhelia (23) war der Senkrechtstarter der Serie A in der Saison 2022/23. Auch mit dem Nationalteam könnte er bei der Euro für Furore sorgen.

Als die SSC Neapel sich in der Saison 2022/23 den langersehnten ersten „Scudetto“ nach 33 Jahren sichern konnte, war Khvicha Kvaratskhelia gerade einmal ein Jahr bei den Süd-Italienern unter Vertrag. Was keinesfalls negativ interpretiert werden darf – ganz im Gegenteil. Auf Anhieb wusste der Linksaußen zu überzeugen, steuerte damals in seinem ersten Saisonspiel beim 5:2 Sieg gegen Hellas Verona ein Tor und eine Vorlage bei. Folgend knüpfte er an seine starken Leistungen an, wurde gleich zum Spieler des Monats August 2022 in der Serie A gewählt. Er erspielte sich sofort einen Stammplatz, war aus dem Team des damaligen Erfolgstrainers Luciano Spalletti nicht mehr wegzudenken. Sein Spielstil brachte ihm den Spitznamen „Kvaradona“, nach Vereinsikone Diego Maradona, ein. Schnell, technisch versiert, dribbelstark und torgefährlich. Er pflegt seine Gegner regelrecht auszutanzen. Wie einst die 2020 verstorbene argentinische Vereinslegende und Namensgeber des Stadio Maradona, der neapolitanischen Heimstätte.


Im Gegensatz zum südamerikanischen Kontinent, der durchaus schon etliche große Fußballer hervorgebracht hat, kommt Kvaratskhelia aus dem aus ballsportlicher Sicht bisher wenig beachteten eurasischen Staat Georgien, liegend im Südkaukasus. Genau zwischen Europa und Asien. Mehr als ein Viertel der 3,7 Millionen Einwohner lebt in der Hauptstadt Tiflis, wo im Jahre 2001 auch Khvicha Kvaraczhelia das Licht der Welt erblickte. Seine ersten fußballerischen Schritte machte er beim Traditionsverein Dinamo Tiflis, dessen Nachwuchsabteilungen er auch durchlief. Mit gerade einmal 16 Jahren wurde er in die erste Mannschaft beordert und gab im September 2017 sein Debüt in der ersten Georgischen Liga. Und würde man seine Geschichte nicht kennen, würde man es kaum glauben: auch in diesem, seinem ersten Spiel, machte er sofort auf sich aufmerksam, bereitete nach seiner Einwechslung den Ausgleichstreffer zum 1:1 gegen den FC Kolcheti vor. Um dem ganzen noch einen draufzusetzen, erzielte er am dritten Spieltag den entscheidenden Treffer zum 1:0-Sieg über den FC Schukura Kobuleti. Nach seiner Einwechslung.

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Khvicha Kvaratskhelia wird ob seiner Spielweise mit Diego Maradona verglichen. Reuters

Wechsel und Turbulenzen

Die folgende Saison wechselte Kvaratskhelia zum Ligakonkurrenten FC Rustawi. Dort gelangen ihm in 18 Spielen lediglich drei Treffer. Dennoch wurde der junge Georgier nach Russland zu Lokomotive Moskau verliehen, wo er sich als Rotationsspieler etablierte. Als sich beide Vereine nicht auf einen Vertrag verständigen konnten, griff Lokomotives Konkurrenzklub Rubin Kasan kurzerhand zu und verpflichtete den jungen Georgier am 6. Juli 2019.
Es folgten knapp drei erfolgreiche Jahre für Kvaratskhelia, bis zum 6. Juli 2022. An jenem Mittwoch gaben die Verantwortlichen der FIFA bekannt, das ausländische Spieler in Russland, aufgrund des russischen Überfalls auf die Ukraine, ihre Verträge bis zum 30. Juni desselben Jahres einseitig aussetzen und bei Vereinen außerhalb Russ­lands einen neuen Kontrakt unterzeichnen durften. Am 1. Juli bestätigte die SSC Neapel die Verpflichtung von Khvicha Kvaratskhelia, wo er einen Vertrag bis 2027 unterschrieb. Der Rest ist eine, noch sehr junge, Erfolgsgeschichte. Obwohl die Neapolitaner nach dem Abgang Spallettis bisher nicht mehr an ihre Erfolge anknüpfen konnten.

Georgien mit Premiere

Noch nie konnte sich Georgien als eigenständiger Staat, nach Auflösung der UdSSR, für eine Welt- oder Europameisterschaft qualifizieren. Im Play-off konnte man sich mit 4:2 nach Elfmeterschießen gegen Griechenland durchsetzen. Die Euphorie am Südkaukasus ist groß, auch weil die U21-Nationalmannschaft letztes Jahr bei der Heim-Europameisterschaft, zusammen ausgetragen mit Rumänien, für ihre Verhältnisse sensationell abschnitt. Man konnte sich in einer Gruppe mit Belgien, Portugal und den Niederlanden als Gruppenerster fürs Viertelfinale qualifizieren. Dort scheiterte man knapp nach Elfmeterschießen an Israel. Das Interesse im Land war so groß, dass mit 43.004 ein Zuschauerrekord für ein U21-Europameisterschaftsspiel aufgestellt wurde. Schauplatz: das Boris-Paichadze-Stadion in Tiflis.

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Geschwindigkeit und Technik zeichnen den Georgier aus. AFP


Khvicha Kvaratskhelia seinerseits debütierte im Jahr 2017 für die U17 seines Landes. Wie meistens bei seinen Karrierestationen sollte er auch hier schnell zum Stammspieler werden und er erzielte in 21 Länderspielen 15 Tore. Ab November 2019 war er für die U19 im Einsatz und eineinhalb Jahre später in die A-Nationalmannschaft Georgiens berufen. Dort ist seit 2021 der ehemalige Rechtsverteidiger von Bayern München beziehungsweise der ehemalige französische Nationalspieler Willy Sagnol als Nationaltrainer engagiert. Der Franzose hat ein funktionierendes Team geformt das sich, wie erwähnt, erstmals für eine Europäische Endrunde qualifizieren konnte.

Nicht nur Kvaratskhelia

In Georgien spricht man, aufgrund der Qualität des Teams, von einer goldenen Generation. Abgesehen vom Neapel-Shootingstar gelten Torwart Giorgi Mamardaschwili vom FC Valencia, Luka Lotschoschwili von US Cremonese sowie Giorgi Kotschoraschwili vom UD Levante als Leistungsträger. Hierzulande sind vor allem Sandro Altunaschwili vom Wolfsberger AC und Otar Kiteischwili vom amtierenden Meister SK Sturm Graz dem gemeinen Fußballfan ein Begriff.
Man darf also gespannt sein, was die Mannen um den „Maradona vom Kaukasus“ bei der Europameisterschaft zu leisten imstande sind.

Khvicha Kvaratskhelia

Geburtsdatum: 12.2.2001
Nationalität: Georgien
Position: Flügelstürmer
Verein: SSC Neapel
Marktwert: 80 Millionen Euro
Leistungsdaten Verein:
Erovnuli Liga: 34 Spiele, 12 Tore, 6 Vorlagen; Premjer Liga: 76 Spiele, 10 Tore, 18 Vorlagen; Serie A: 88 Spiele, 25 Tore, 26 Vorlagen; Champions League: 17 Spiele, 2 Tore, 5 Vorlagen;
Leistungsdaten Nationalteam:
29 Spiele, 15 Tore, 7 Vorlagen
EM-Historie: 2024 (qualifiziert)
Größte Erfolge: Italienischer ­Meister (2023);
Ehrungen: Spieler der Saison Serie A (2022/23); Tor des Jahres Italien (2023); Team des Jahres Serie A (2023)