Der Extravagante

Der Druck einer ganzen Nation lastet auf dem Ungarn Dominik Szoboszlai. Doch der 23-jährige Superstar vom FC Liverpool weiß bestens, wie man damit umgeht.
Mit gerade einmal 22 Jahren wurde Dominik Szoboszlai Ende November 2022 von Teamchef Marco Rossi zum neuen Kapitän der ungarischen Nationalmannschaft bestimmt. In seinem Heimatland ist der Mittelfeldspieler der große Hoffnungsträger. Viele bezeichnen ihn jetzt schon als den Nachfolger von Nationalheld Ferenc Puskas. Viele würden oder sind an so einem Druck zerbrochen, Szoboszlai aber tickt da anders. Der offensive Mittelfeldspieler besticht durch Coolness, Lockerheit und großes Selbstbewusstsein. Druck? Kennt der 23-Jährige nicht. Das zeigt auch eine Szene aus dem Jahr 2021 im Champions-League-Duell zwischen RB Leipzig und Paris Saint Germain: Beim Stand von 1:2 für PSG bekam Leipzig in der 90. Minute einen Elfmeter zugesprochen. Szoboszlai nahm sich dieser Aufgabe wie selbstverständlich an. Superstar Neymar versuchte ihn kurz vor dem Schuss mit den Worten „Bist du sicher, dass du triffst?“ noch zu verunsichern. Der Magyar lachte, sagte „Ich verschieße nie!“ und knallte den Ball unhaltbar in die linke Ecke zum 2:2.
Wille und Demut
Druck ist für den selbstbewussten Mittelfeldspieler ein Fremdwort, das zeigte sich auch letzten Sommer nach seinem 70-Millionen-Euro-Wechsel in die Premier League zum FC Liverpool. Jürgen Klopp wollte den vielseitig einsetzbaren Szoboszlai unbedingt auf die Insel lotsen. Dieser kam und schnappte sich direkt das Trikot mit der acht. Eben jenes Trikot, das zuvor niemand geringerem als Steven Gerrard gehörte. Die Liverpool-Legende hat es dem jungen Ungarn angetan, das zeigt auch ein Spruch, den er sich vor Jahren tätowiert hat: „Talent ist ein göttlicher Segen. Aber ohne unglaublichen Willen und Demut ist es nichts wert“. Eine Einstellung, die Szoboszlai buchstäblich unter die Haut geht und ihn weit brachte. Salzburg, Leipzig – und jetzt Liverpool. Die bisherige Krönung seiner immer noch jungen Karriere.

Training und Talent
Bei den Reds zeigte der Ungar eine eher durchwachsene Debüt-Saison, was aber auch viel damit zu tun hat, dass Klopp den offensivstarken Szoboszlai deutlich defensiver einsetzte, als er es gewohnt ist. In der Hinrunde war er zwar absoluter Stammspieler, in der Rückrunde hatte er dagegen immer wieder mit kleinen Verletzungen zu kämpfen und spielte weniger.
Gefürchtet ist Szoboszlai unter anderem wegen seiner besonderen Schusstechnik. Seine Versuche aus der Distanz sind nicht erst seit seiner Zeit in der Bundesliga bekannt, schon in der Jugend feilte Szoboszlai intensiv an seinem Abschluss. Unter der Woche hat er früher an sechs von sieben Tagen nach dem Training noch eigene Schussübungen gemacht. Es sei „eine Mischung aus Training und Talent“, so Szoboszlai. „Aber mehr Training als Talent.“ Außerdem verschafften ihm seine vergleichsweise kleinen Füße einen Vorteil, „denn mit denen kann man besser schießen“.
Bei 1,87 Meter Körpergröße trägt Szoboszlai gerade einmal Schuhgröße 41. In seiner Kindheit soll er sogar extra in zu kleinen Schuhen trainiert haben, weil es in seiner Heimat die Legende gibt, dass Fußballer mit kleinen Füßen die besseren Spieler sind.
Transfer nach Österreich
Dominik Szoboszlais Karriere begann in seiner Geburtsstadt Szekesfehervar in der Jugendabteilung des FC Videoton. Über einen Zwischenstopp im Nachwuchs von MTK Budapest, wechselte der damals 16-Jährige nach Österreich in die Akademie des FC Red Bull Salzburg. Dort spielte er anfangs in der ÖFB-Jugendliga für das U18-Team der Bullen.
Viele Fans aus Ungarn sahen damals seinen frühen Abgang und den Wechsel nach Österreich kritisch. Zur Saison 2017/18 rückte Szoboszlai in den Kader des Farmteams FC Liefering in die zweite Liga auf. Zu Beginn spielte er meistens als offensiver Mittelfeldspieler hinter den Spitzen, im Laufe der Saison rückte er dann ins linke Mittelfeld.
In seiner Debütsaison gelangen ihm zehn Tore und sieben Vorlagen. In weiterer Folge pendelte er immer wieder zwischen den Profis und Liefering hin und her, ehe er ab März 2019, aufgrund seiner guten Leistungen, Zlatko Junuzovic aus der Startelf verdrängen konnte. Auf Anratendes damaligen Cheftrainers Marco Rose arbeitete er noch härter an sich und engagierte sogar einen eigenen Personal Trainer: „Wenn er mir nicht gezeigt hätte, dass ich mich und meine Einstellung verändern muss, wäre ich wohl heute nicht hier“, so Szoboszlai über seinen Mentor Rose.

Unter Nachfolger Jesse Marsch spielte er sich dann noch mehr ins Rampenlicht: Wettbewerbsübergreifend gelangen ihm 30 Scorerpunkte, die am Ende mit der Wahl zum Spieler der Saison 2019/20 belohnt wurden. Nach dem Trainerwechsel von Rose zu Marsch gewann der Flügelflitzer völlig neue Erkenntnisse über sein Leistungs- und Entwicklungspotenzial: „Er hat mir vor allem auf Videos gezeigt, was ich verbessern muss“, erklärt Szobolszlai heute.
Filialwechsel
Zum 1. Jänner 2021 wechselte Szoboszlai für knapp 20 Millionen Euro in die deutsche Bundesliga zu RB Leipzig. Aufgrund einer Schambeinentzündung kam er in seiner ersten Bundesliga-Saison noch zu keinem Einsatz. Im zweiten Jahr wurde er in 31 Spielen eingesetzt und kam auf 14 Torbeteiligungen, inklusive des Gewinns des DFB-Pokals, der gleichzeitig auch der erste Titel in der noch jungen Vereinsgeschichte von RB Leipzig war. In seinem dritten Jahr im Osten Deutschlands konnte er seine Leistungen unter seinem großen Förderer aus Salzburger-Zeiten Marco Rose noch mal toppen: In 46 Spielen kam er auf 23 Scorer. Ebenso konnte am Saisonende der Cupsieg verteidigt werden.
Im Juli 2023 zog dann eben der FC Liverpool die Ausstiegsklausel in Höhe von 70 Millionen Euro, holte Szoboszlai auf die Insel und machte ihn zum teuersten Ungarn aller Zeiten. Bei der Europameisterschaft in Deutschland lastet der Druck eines ganzen Landes auf dem Millionen-Mann, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Superstar damit keine Probleme hat.
Von Florian Gabriel
Dominik Szoboszlai
Geburtsdatum: 25. Oktober 2000
Nationalität: Ungarn
Position: Zentrales Mittelfeld
Verein: FC Liverpool
Marktwert: 75 Millionen Euro
Wichtigste Leistungsdaten Verein: Deutsche Bundesliga: 62 Spiele, 12 Tore, 16 Vorlagen; Premier League: 33 Spiele, 3 Tore, 2 Vorlagen; Champions League: 23 Spiele, 6 Tore, 3 Vorlagen; Europa League: 15 Spiele, 2 Tore, 4 Vorlagen;
Leistungsdaten Nationalteam:
40 Spiele, 12 Tore, 5 Vorlagen;
EM-Historie: Keine
Größte Erfolge: Zweifacher DFB-Pokalsieger; englischer Ligapokal; vierfacher österreichischer Meister;
Wichtigste Ehrung: Ungarns Fußballer des Jahres (2022)