Euro-Stars

Der Unscheinbare

21.06.2024 • 14:26 Uhr
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Sehr wichtig für das Spiel der Slowakei: Stanislav Lobotka. Reuters

Jedes Team hat Spieler, die in keiner relevanten Statistik herausstechen, aber trotzdem für den Erfolg essenziell sind. Der Slowake Stanislav Lobotka vom SSC Neapel ist so einer.

Egal wo Lobotka in seiner Karriere spielte, Stammspieler war der mittlerweile 29-jährige Slowake überall. Egal ob in seiner Heimat, in Dänemark, in Spanien oder in Italien. Der defensive Mittelfeldspieler war bei all seinen Stationen ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Ein Faktor, der sich eben nicht in Scorern, sondern in anderen Bereichen widerspiegelt. In dieser Saison zum Beispiel war Lobotka für den SSC Neapel in allen 38 Ligaspielen in der Startelf vertreten. Der Sechser überzeugte als ruhiger und passsicherer Stratege. Pro Partie spielt er im Schnitt 55 Pässe mit einer Quote von über 92 Prozent. Für den Spielaufbau von Neapel ist der Slowake unersetzlich. In der Defensivarbeit sind seine Stärken Tacklings und sein hoher läuferischer Einsatz. Seine Spielintelligenz und die Fähigkei,t das Spiel zu lesen, machen ihn sowohl für Klub als auch Nationalteam so wichtig.

Scudetto

Die beste Saison seiner Karriere lieferte Lobotka im vergangenen Jahr ab: Der Mittelfeldspieler holte mit der SSC Neapel in der italienischen Serie A den ersten Meistertitel seit Diego Maradonas Kunststück 1990. In der Meistersaison war er ebenfalls in allen 38 Ligaspielen im Einsatz, steuerte zudem noch je ein Tor und eine Vorlage bei. Lobotka gelang damit jenes Kunststück, das seinem ehemaligen Nationalmannschaftskollegen und bis heute Rekordteamspieler Marek Hamsik verwehrt blieb. Hamsik selbst war von 2007 bis 2019 in über 400 Spielen Mittelfeldstratege vom SSC Neapel. Der 138-fache Teamspieler wollte in seiner aktiven Zeit nichts lieber als den Scudetto mit Neapel gewinnen. Lobotka selbst sagte darüber nach dem Gewinn der Meisterschaft Folgendes: „Hamsik hat achtmal den Preis als bester slowakischer Fußballer gewonnen, aber ich bin mir sicher, er würde einen mit mir für die Meisterschaft tauschen.“

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Ob mit dem Kopf oder mit dem Fuß – Lobotka lässt den Gegner erst gar nicht an den Ball kommen. AP

Fixer Bestandteil

Lobotka durchlief seit der U18 alle Nachwuchsnationalteams der Slowakei. Für die U21 kommt er sogar auf 27 Spiele. Am 15.11.2016 feierte der damals 21-Jährige, zehn Tage vor seinem Geburtstag sein Länderspieldebüt unter dem damaligen Trainer Jan Kozak. Nominiert wurde er damals aufgrund seiner guten Leistungen in der dänischen Liga. Erst ein Jahr später war er dann fixer Bestandteil des Nationalteams. Mittlerweile kommt Lobotka auf 54 Länderspiele, in denen ihm vier Treffer gelangen. Damit hat der Slowake in 54 Länderspielen doppelt so viele Tore erzielt, wie in den letzten sieben Jahren bei Celta Vigo und Neapel in 253 Spielen zusammen (2).
Die Europameisterschaft in Deutschland wird für den Mittelfeldmotor bereits das zweite große Turnier werden. 2021 war Lobotka ebenfalls im Kader dabei, kam dabei aber nur im letzten Gruppenspiel bei der deutlichen 0:5-Pleite gegen Spanien zum Einsatz.

Stammspieler

Stanislav Lobotka wurde am 25. November 1994 in Trencin geboren. Als kleiner Junge startete er seine Karriere zuerst in der Jugend von Sparta Trencin, dann vom FK AS Trencin, für den er auch am 4. März 2012 sein Debüt in der ersten slowakischen Liga feierte. Über die Leihstation bei der zweiten Mannschaft von Ajax Amsterdam wechselte der damals 20-Jährige in die erste dänische Liga zum FC Nordsjaelland. Dieser Wechsel soll der Startschuss für seine Karriere sein: In Dänemark entwickelte sich der Sechser direkt zum Stammspieler und Leistungsträger. In seinen zwei Jahren bei den „Wild Tigers“ kam er auf 61 Einsätze und wurde in beiden Saisonen zu Nordsjaellands Spieler der Saison gekürt.

Im Sommer 2017 folgte dann der Wechsel zu Celta Vigo in die spanische Primera Division. Auch in Spanien war Lobotka von Beginn an Stammspieler, Eingewöhnungszeit brauchte der defensive Mittelfeldspieler keine. In Spanien entwickelte sich Lobotka schnell zu einem der besten und vor allem konstantesten Mittelfeldspieler der Liga. Nicht ohne Grund wollte PSG ihn unbedingt verpflichten, der Deal scheiterte letztendlich an den zu hohen Ablöseforderungen von Celta Vigo. Für die Spanier lief der Slowake insgesamt 90 Mal auf, Treffer gelang ihm, wie schon in Dänemark aber auch in Spanien keiner. Der Mittelfeldspieler bringt eben andere Qualitäten mit.

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Gegen den Ball ist Stanislav Lobotka völlig kompromisslos und geht buchstäblich dahin, wo’s weh tut. Reuters

Genau diese Qualitäten ließ sich der SSC Neapel im Januar 2020 satte 20 Millionen Euro kosten. Im Süden Italiens unterschrieb Lobotka einen Langzeitvertrag. Bei den „Gli Azzurri“ kommt der Dauerläufer mittlerweile auf 163 Einsätze, bei denen ihm je zwei Tore und zwei Assists gelangen. Bereits im März bestätigte sein Berater, dass erste Gespräche zwischen ihm und dem FC Barcelona bezüglich eines Sommerwechsels stattgefunden haben. Der Marktwert von Stanislav Lobotka liegt mittlerweile bei 30 Millionen Euro. Ein Schnäppchen wird er, für die eh schon etwas klammeren Katalanen, auf jeden Fall nicht werden.

Der Fädenzieher

Der Fokus des Mittelfeldspielers liegt aber vorerst ohnehin auf der anstehenden Europameisterschaft in Deutschland, bei der Slowakei steht dabei mit Francesco Calzona gar der Interimstrainer von Neapel an der Seitenlinie. In einer Gruppe mit Belgien, Rumänien und der Ukraine könnte die Slowakei durchaus für eine Überraschung sorgen und in die KO-Phase einziehen.
Dafür braucht es aber den, der unscheinbar im Mittelfeld die Fäden zieht. Und das ist ein Fall für Stanislav Lobotka.

Von Florian Gabriel

Stanislav Lobotka

Geburtsdatum: 25. November 1994
Nationalität: Slowakei
Position: Defensives Mittelfeld
Verein: SSC Neapel
Marktwert: 30 Millionen Euro
Leistungsdaten Verein: Serie A: 128 Spiele, 2 Tore, 2 Vorlagen; LaLiga: 86 Spiele, 1 Vorlage; Champions League: 19 Spiele; Europa League: 7 Spiele;
Leistungsdaten Nationalteam:
54 Spiele, 4 Tore, 4 Vorlagen;
EM-Historie: 2021, Gruppen-Aus
Größte Erfolge: Italienischer Meister (2022/23); italienischer Pokalsieger (2019/20); zweifacher slowakischer Meister (2014/15, 2015/16);
Ehrungen: Team des Jahres Seria A (2022/23); Slowakeis Fußballer des Jahres (2023, 2024)