Euro-Stars

Der Senkrechtstarter

22.06.2024 • 14:56 Uhr
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Amadou Onana hat sich in den letzten Jahren zu einem der besten defensiven Mittelfeldspieler Europas entwickelt. AFP

Amadou Onana erklimmt Stufe um Stufe. Nach der EURO könnte der Sechser zu einem Topklub wechseln, denn gute defensive Mittelfeldspieler sind aktuell gefragt.

Bereits im Sommer 2023 wünschte sich der damalige Bayern-Trainer Thomas Tuchel eine Holding Six, also einen tiefstehenden Spielmacher. Die Bosse um Uli Hoeneß lehnten dankend ab. Ein Jahr später ist Tuchel Geschichte und Vincent Kompany der neue starke Mann an der Seitenlinie der Bayern. Sein Wunsch? Ein neuer defensiver Mittelfeldspieler. Und genau da kommt Amadou Onana ins Spiel. Der Sechser vom FC Everton soll neben dem Portugiesen Joao Palhinha ganz oben auf der Wunschliste des deutschen Rekordmeisters stehen. Das Problem? Onanas Klub Everton hat dem 22-Jährigen ein Preisschild in Höhe von 60 Millionen Euro verpasst. Neben den Bayern sollen auch der FC Barcelona, Manchester United, Chelsea London und der FC Liverpool dran sein.

Viele Topteams sind auf der Suche nach einem robusten Sechser für ihr Spielsystem, doch dieser Spielertyp ist Mangelware. Genau das macht den Belgier so wertvoll. Der 1,95m große Abräumer bringt alles mit, was eine Holding Six benötigt: Er ist schnell, körperlich robust und sehr zweikampfstark. Onana ist ein sehr unangenehmer Gegenspieler, der keine direkten Duelle meidet. Mit Ball schaltet er gerne schnell um und versucht mit großen Schritten und viel Tempo Raum zu gewinnen. Sowohl für den FC Everton als auch für die belgische Nationalmannschaft sind diese Qualitäten schwer zu ersetzen.

Teamdebüt

Belgiens „Goldene Generation“ war bei den letzten Turnieren immer der Geheimfavorit auf den Titel, für mehr als eine Halbfinalteilnahme hat es dennoch nie gereicht. Jetzt dringt eine neue Generation an Spielern an die Seite der Altstars und will es in Deutschland besser machen. Einer dieser „jungen Wilden“ ist der 22-jährige Amadou Onana.
Nachdem der Sechser sämtliche Nachwuchsnationalteams durchlief, feierte er am 3. Juni 2022 gegen die Niederlande sein Teamdebüt. Mittlerweile ist er im Team von Trainer Domenico Tedesco Stammspieler und kommt auf 13 Länderspiele. Sein Highlight war die WM in Katar, bei der er in zwei von drei Spielen zum Einsatz kam.
Sein Aufstieg verlief rasant, zwei Jahre zuvor kickte der Belgier noch in der zweiten deutschen Liga beim HSV. Doch dort wussten die Verantwortlichen damals schon, dass Onana spätestens in zwei Jahren im Nationalteam sein würde.

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Hoch, höher, am höchsten. Onana erzielt ein Kopfballtor im Premier League Spiel gegen den FC Burnley. Reuters

Marktwertexplosion

Amadou Onana wurde am 16. August 2001 in Senegals Hauptstadt Dakar geboren, ehe er mit elf Jahren zu seinem Vater nach Brüssel zog. Bis zu seinem 15. Lebensjahr spielte er neben dem Fußball auch noch Basketball.
In Belgien war er für die Jungendvereine von RSC Anderlecht, White Star Brüssel und Zulte Waregem aktiv, bekam dort aber nirgends wirklich eine Chance und musste sogar vereinzelt als Torhüter ran. So wechselte er 2017 nach Deutschland in die U17 der TSG Hoffenheim. In der TSG-Jugend lief es deutlich besser, er war Stammspieler und in der U19 sogar Kapitän. Im Sommer 2020 folgte dann der Abschied, weil der HSV ihm einen attraktiven Plan vorlegen konnte, der ihm das Wichtigste in dem Alter garantierte: Spielzeit. In Hamburg hatte er zu Beginn einen Marktwert von 400.000 Euro, nach einem Jahr wurde er auf 3 Millionen Euro taxiert. Inzwischen liegt dieser, drei Jahre später, bei 50 Millionen.

Nach einem für ihn persönlich sehr erfolgreichen Jahr beim HSV, wechselte er im Sommer 2021 für sieben Millionen Euro zum französischen Meister und Champions-League-Teilnehmer Lille. Verantwortlich für die Transfers ist seine Schwester Melissa, der er laut eigener Aussage „blind vertraut“.

Beim LOSC absolvierte Onana 42 Spiele, davon 15 in der Startelf, ehe im Sommer 2022 erneut die Interessenten Schlange standen. Lille wollte eigentlich nicht verkaufen, wurde aber bei der lukrativen Offerte des FC Everton schwach. Die Toffees bezahlten dem Vernehmen nach 35 Millionen Euro für den Abräumer und machten Onana dadurch zum teuersten Lille-Abgang seit Eden Hazard im Jahr 2012.

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Amadou Onana gilt als beinharter Zweikämpfer aber auch als fairer Sportsmann. Reuters

Durchgeplant

Auf der Insel lief es für den gebürtigen Senegalesen ähnlich erfolgreich wie bei seinen bisherigen Stationen: In zwei Jahren kommt der Sechser auf 72 Spiele, in denen ihm sieben Torbeteiligungen gelangen. Der Belgier ist einer der Senkrechtstarter der letzten Jahre, nicht umsonst zeigen viele Topklubs dieser Welt Interesse am 22-Jährigen. Für ihn selbst kommt der rasante Aufstieg auch überraschend, obwohl er schon immer wusste, was ihn im steckt.

Seine bisherige Karriere verlief immer nur steil nach oben. Um das alles im Blick zu haben hat Onana seine Zukunft bereits „von A bis Z“ durchgeplant. Auf einem Spiegel im Badezimmer hängt ein Zettel, auf dem steht: „In wie vielen Jahren er wo spielen möchte und wie viele Spiele und Titel er in diesem Zeitraum gewinnen will. Das sind dann auch mal Ziele, die etwas größer ausfallen, wie beispielsweise ein Titelgewinn mit der belgischen Nationalmannschaft“, erklärte Onana in einem Interview.

Mit Belgien möchte der Senkrechtstarter jetzt auch in Deutschland ein Ausrufezeichen setzen, seine steile Entwicklung vorantreiben und die mittlerweile in die Jahre gekommene „Goldene Generation“ um Kevin de Bruyne, Romelu Lukaku, Thibaut Courtois & Co. zum langersehnten Titelgewinn treiben.

Von Florian Gabriel

Amadou Onana

Geburtsdatum: 16.8.2001
Nationalität: Belgien
Position: Defensives Mittelfeld
Verein: FC Everton
Marktwert: 50 Millionen Euro
Leistungsdaten Verein:
2. Bundesliga: 25 Spiele, 2 Tore, 0 Vorlagen; League 1: 42 Spiele, 3 Tore, 1 Vorlage; Premier League: 72 Spiele, 4 Tore, 3 Vorlagen; Leistungsdaten Nationalteam:
13 Spiele, 0 Tore, 1 Vorlage
EM-Historie: 2024 (qualifiziert, erste Teilnahme);
Größte Erfolge: Nominierung für den belgischen Kader für die Europameisterschaft 2024; U21 Mannschaftskapitän Belgien (2021)