Nach der Ich-Umkreisung die Welt-Umkreisung

Der neue Roman von Karl Ove Knausgård ist eine Weltumkreisung und magische Herausforderung. Weitere Bände im neuen Zyklus folgen.
Das neue Buch beginnt mit der Gruppe Status Quo und deren Hit „Rockin’ all over the World“. Das tut auch er – er rockt die Literaturwelt. Mit seiner exzessiven, brutal ehrlichen, ultrapersönlichen Selbstumkreisung „Mein Kampf“ mutierte der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgård 2009 zum Weltstar, die sechs Bände wurden in 35 Sprachen übersetzt. Danach veröffentlichte der manische, selbstausbeuterische Vielschreiber eine Jahreszeiten-Tetralogie, deren Teile – Frühling, Sommer, Herbst, Winter – je einem seiner Kinder gewidmet sind.
Dieser Mann ticket offenbar in Zyklen, der neue ist auf fünf Teile angelegt. Nach dem Roman „Der Morgenstern“ (2020), in dem der Planet von einem unerklärlichen Naturphänomen bedroht wird, folgt jetzt mit „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ das Prequel.
Der Beginn
Alles beginnt Mitte der 1980er-Jahre im Süden Norwegens. Ein junger Mann kehrt vom Militärdienst nach Hause zurück, eine Regierungskrise erschüttert das Land, und in Tschernobyl ist gerade ein Atomreaktor explodiert. Der Vater des Jugendlichen ist tot, die posthume Spurensuche des Sohnes führt in die Sowjetunion.
Das ist nur der kleine Teil einer ausufernden Rahmenhandlung. Wie stets bei Knausgård befindet man sich bald in einem mäandernden Erzählkosmos, der alles bereithält: Magie, Mystik, Zärtlichkeit, Brutalität, Banales und Triviales. Vor allem das Wechselspiel aus Tiefsinn und Alltäglichem ist tief in der Schreib-DNA dieses Autors verankert: Kleinen Menschen passieren große Dinge.
Anschreiben gegen die Auslöschung
Im Zuge der uferlosen Handlung taucht eine Lyrikerin auf, die ein Buch über eine alte russische Kultur schreibt, in der der Glauben an ein ewiges Leben eine gewichtige Rolle spielt. Und dieser Ansatz treibt auch Knausgård um. Es geht ihm nicht um das Ende im Großen und Kleinen, sondern vielmehr um die Frage, ob der Tod tatsächlich irreversibel ist. In diesem Sinne ist „Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“ auch ein verzweifeltes, wortgewaltiges Anschreiben gegen die Auslöschung.
Karl Ove Knausgård sprengt einmal mehr die Grenzen des Romans. Essay, Diskurs, Erzählung fließen ineinander. Zuerst die Ich-Umkreisung, jetzt die Weltumkreisung. Konstant geblieben ist die Sehnsucht und Suche des Autors nach dem Unveränderlichen, Ewigen. Der Boden wankt, der Zyklus geht weiter.
