Voraussichtlicher Sieg vor dem Supreme Court

Trump war gerichtlich gegen ein Urteil des Bundesstaats Colorado vorgegangen, das ihn von dem Ballot genommen hätte
Donald Trump sieht offenbar einem Sieg vor dem Supreme Court, dem obersten Gericht der USA entgegen. Die Verfassungsrichter beraten zwar nach einer stundenlangen Anhörung am gestrigen Donnerstag noch. Einzelne Richter aber haben der zahlreich vorhandenen Presse gegenüber bereits signalisiert, dass sie den früheren Präsidenten nicht von der Kandidatur ausschließen wollen.
Stürmung des Kapitols
Trump war gerichtlich gegen ein Urteil des Bundesstaats Colorado von Ende 2023 vorgegangen, das ihn von dem Ballot, den Stimmzetteln genommen hätte (die bereits mit seinem Namen gedruckt waren). Die Begründung war laut dem obersten Juristen Jason Murray aus Colorado, dass Trump am 6. Januar 2020 die Stürmung des Kapitols unterstützt habe. Nach der Sektion 3 des 14. Verfassungszusatzes, der nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg erlassen wurde, ist es Politikern verboten zu kandidieren, wenn sie versucht haben, eine gewählte US-Regierung zu stürzen.
Macht der Staaten
Der Zusatz wurde damals eingefügt, um abtrünnigen Südstaaten-Senatoren die Rückkehr in den Kongress zu verwehren. Sie wurde aber noch nie gegen einen Präsidenten angewandt. Und das scheint der Supreme Court auch nicht zu wollen. Das würde, so war der Konsens, einzelnen Staaten zu viel Macht über die Bundespolitik geben. Diese Stimmung galt durch die Bank und nicht nur unter Republikanern. Die liberale Juristin Elena Kagan sagte, man müsse sich fragen, warum ein einzelner Staat entscheiden könne, wer als Präsident antreten dürfe.
Der Vorsitzende des Supreme Court, John G. Roberts, sagte, der Verfassungszusatz sei ausdrücklich erlassen worden, die Macht der Staaten zu beschränken, und nicht, um die zu erweitern. Sonst wäre das ein „Rezept für Chaos“. Die Richter diskutierten auch, ob für eine Anwendung dieser Sektion 3 nicht mindestens ein Beschluss den Kongress notwendig sein würde. Der wäre allerdings chancenlos.
Trumps Anwalt argumentiert
Trumps Anwalt Jonathan Mitchell sagte, Trump sei kein „Offizieller“ der USA und deshalb von diesem Verfassungszusatz sowieso nicht mitgemeint. Er sagte auch, für einen tatsächlichen Umsturz sei ein ernsthafter, organisierter Aufwand notwendig, keine spontane, eher zufällige Aktion wie die am 6. Januar.
Weiteres Gerichtsverfahren
Organisiert war der Sturm auf das Capitol aber durchaus. Und Trump — der sich seit der verlorenen Wahl beklagt, dass er um seinen Sieg betrogen wurde — hat sich aus dem Weißen Haus heraus eingemischt. Deshalb sieht er demnächst einem weiteren Gerichtsverfahren entgegen. Zu Trumps Unterstützerinnen gehört auch Ginni Thomas, die Frau des konservativen Verfassungsrichters Clarence Thomas. Sie hat die „Stop-the-Steal“-Kampagne gegen das Wahlergebnis mitorganisiert und hat sich an Demonstrationen beteiligt, Trump im Weißen Haus zu lassen.
Überdies hatte sie Emails an Trumps Stabschef Mark Meadows geschickt und den aufgefordert, die „Biden-Verbrecherfamilie“ zu verhaften und nach Guantanamo Bay zu bringen, da sie sich der Wahlfälschung schuldig gemacht hätte. „Eigentlich dürfte Thomas, als jemand, der seiner Frau wegen befangen ist, gar nicht mitstimmen“; meinte der Late-Night-Talker Seth Meyers auf dem Sender NBC.
„Sie klingt wie ein Pate von der Mafia“
Trumps bisher eher glücklose Anwältin Alina Habba forderte, dass der von Trump ernannte Verfassungsrichter Brett Kavanaugh für den Ex-Präsidenten stimmen müsse, da er dem seinen Posten zu verdanken haben. Jetzt sei er dran, sich erkenntlich zu zeigen. „Sie klingt wie ein Pate von der Mafia“, spottete Meyers.
Trump selbst nutzt die vielfachen Auftritte vor Gericht für seine Wahlwerbung. Vor seinem Anwesen in Mar-a-Lago sagte er, ihn auszuschließen, sei undemokratisch und widerspreche dem Wählerwillen. Dass er Wähler hinter sich hat, ist unbestritten: Er gewann die Vorwahlen im US-Bundesstaat Nevada, und zwar haushoch.
Vorwürfe gegenüber Biden
Vor dem Recht gesiegt hat am Donnerstag auch US-Präsident Joe Biden, allerdings war das eher ein Pyrrhussieg. Das Justizministerium hat das Ergebnis einer Untersuchung vorgelegt, ob Biden sich strafbar gemacht habe. Der frühere Vizepräsident von Barack Obama hat zahlreiche, auch geheime Dokumente aus dem Weißen Haus mitgenommen und diese teils auch unsachgemäß gelagert, etwa in seiner Garage. Er soll zudem Geheimmaterial an seinen Ghostwriter gegeben haben. Für den Bericht wurden fast 150 Zeugen interviewt.
Gegen Biden solle kein Verfahren angestrengt werden, befand die Staatsanwaltschaft. Denn er habe zwar fahrlässig gehandelt, aber ohne bösen Willen. Dazu brauche es den „mentalen Zustand der Willenskraft“. Der 81-jährige Biden sei aber eher ein „wohlmeinender alter Mann mit einem schlechten Gedächtnis“, hieß es in dem Bericht des Staatsanwalts Robert K. Hur. So habe er nicht mehr genau gewusst, wann sein Sohn Beau Biden gestorben sei oder seit wann er nicht mehr Vizepräsident sei.
Biden empörte sich noch am gleichen Abend vor dem Weißen Haus gegenüber Reportern, was zum Teufel diesem Hur einfiele, so etwas zu behaupten. Sein Sohn gehe diesen einen verdammten Dreck an. Er sei in der Lage, sich an wichtige Daten zu erinnern und habe auch niemals versehentlich geheime Informationen verraten, weder an ausländische Staatschefs, noch an seinen Ghostwriter.
Ein “Alptraum”
Allerdings hat der Präsident in den letzten Tagen gleich zwei Böcke geschossen: Er verwechselte den französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit dessen Vor-Vorgänger Francois Mitterand, der er überdies für einen deutschen Politiker hielt. Und er meinte sich daran zu erinnern, dass er 2021 auf einem Gipfel in London über die Beinahe-Erstürmung des Capitols gesprochen habe, und zwar mit dem deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl. Kohl ist seit 1998 nicht mehr Kanzler und 2017 verstorben. Für die Republikaner, die Biden als alt und senil hinstellen, ist dies eine Steilvorlage. Demokraten sprachen von einem „Alptraum“.
Trump wiederum beschwerte sich, dass er und Biden von der Staatsanwaltschaft nicht gleich behandelt würden, da gegen ihn wegen der Mitnahme von Dokumenten rechtlich vorgegangen wird. Allerdings hat Trump, anders als Biden, etwaige geheime Dokumente trotz Aufforderung nicht zurückgegeben.