Zwei Putschversuche und der Wunsch nach kalten Zehen

Michael König (49) war im Zuge der Entwicklungszusammenarbeit drei Jahre lang in Burkina Faso tätig. Seit ungefähr zwei Wochen ist er wieder zurück in Vorarlberg.
Er ist erst seit knapp zwei Wochen wieder im Land, am 5. Februar landete das Flugzeug auf europäischem Boden. Zuvor war Michael König für eine Zeit von drei Jahren in Burkina Faso tätig. König arbeitet in der Entwicklungszusammenarbeit und wanderte für diese Zeit für ein Arbeitsprojekt in den westafrikanischen Binnenstaat aus.

Der Aufenthalt gestaltete sich jedoch von vorneherein alles andere als geplant. „Zwei Wochen nachdem wir angekommen waren, gab es in Burkina Faso einen Putschversuch“, erzählt König. Bei dem Putsch handelte es sich um eine vom Militär ausgeführte Machtübernahme des Staates. Oft wird bei Putschversuchen die bestehende Regierung gestürzt, ohne dass dies durch Wahlen oder andere demokratische Prozesse legitimiert ist. „Die westlichen Vorstellungen eines Putschs unterscheiden sich wesentlich von dem, wie ich es erlebt habe“, schildert König. Sein Team und er haben nicht sonderlich viel von den Ausnahmezuständen im Land mitbekommen, alles schien trotz Putsch ziemlich geregelt abzulaufen.

„Man stellt sich natürlich schon die Frage: Militärputsch, was heißt das jetzt? Es war komisch, man hat nämlich rein gar nichts gehört. Weder Hubschrauber, noch Schüsse, nichts.“ Etwas anders gestaltete sich die Situation nach dem zweiten Putsch, der ungefähr ein halbes Jahr später folgte. Dieser erfolgte militärintern und gestaltete sich laut König deswegen etwas aufwendiger. „Man hörte die ganze Zeit über Helikopter und es gab mehr Verletzte als beim ersten Mal“, erzählt er. Was ihm bei beiden Regierungsstürzen auffiel, war die Normalität, die sofort wieder einkehrte. „Nach drei, vier Tagen war alles wieder beim Alten. Man hat überhaupt keine Veränderung wahrgenommen.“
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Telefonleitungen gekappt
Vorsicht war trotzdem geboten. „Beim ersten Putsch wurden die Telefonleitungen gekappt, wir horteten Vorräte für zwei Wochen im Haus, raus gingen wir nur so selten wie möglich“, sagt König. Auch sich im Inland zu bewegen war mit Vorsicht zu genießen, reisen wurde nahezu unmöglich. König und sein Team versuchten so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen und kamen mit dieser Strategie noch einmal glimpflich davon.

„Wir gingen tagsüber nur raus, um in die Büroräumlichkeiten zu kommen, abends gingen wir manchmal noch ums Eck, um etwas essen zu gehen, ansonsten hielten wir uns im Haus auf“, sagt er. Rückblickend betrachtet war die Entscheidung, sich so wenig wie möglich im Freien aufzuhalten und sich bestmöglich ins umgekrämpelte System einzufügen die Entscheidung, die König und seinem Team größeren Ärger ersparte, erklärt er.
Umdenken gefordert
König war fünf Jahre lang Leiter der Entwicklungszusammenarbeit des Landes Vorarlberg. Den Aufenthalt in Burkina Faso absolvierte er über die Organisation ADA (Austrian Development Agency). In seinem Beruf fordert er ein Umdenken. Ihm ist es wichtig, keine für die Bevölkerung unbrauchbaren Strukturen zu hinterlassen, sondern dabei zu helfen, stabile, funktionierende staatliche Netze zu schaffen und keine lokalen Märkte zu zerstören. „Der aktuelle politische Diskurs geht sehr stark in Richtung Wirtschaft, die klassische Entwicklungszusammenarbeit wird mehr und mehr abgesägt“, so König.
Seiner Meinung nach ist es essenziell, der Bevölkerung eine Perspektive zu hinterlassen, statt sie von externer Hilfe abhängig zu machen. „An den Orten, an denen es am schwierigsten ist, muss man Flagge zeigen.

Entwicklungszusammenarbeit bedeutet nicht, an leicht zugängliche Orte zu fahren und dann in schönen Hotels zu wohnen“, sagt König. In Burkina Faso war hier ein wichtiger Punkt der Arbeit die Dezentralisierung. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, dass mehr Macht, Ressourcen und Entscheidungsbefugnisse von der zentralen Regierung in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, an lokale und regionale Verwaltungen übertragen werden. Ziel ist es, die lokalen Behörden zu stärken, damit sie eigenständig wichtige Aufgaben wie Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur und wirtschaftliche Entwicklung steuern können.
“An den Orten, an denen es am schwierigsten ist, muss man Flagge zeigen.”
Michael König
König beschreibt, dass Burkina Faso sehr zentralistisch organisiert ist, was oft ineffizient ist. Durch die Dezentralisierung soll die Verwaltung näher an die Bevölkerung gebracht werden und Entscheidungen dort getroffen, wo sie gebraucht werden. „Wir haben mit Gemeinden zusammen versucht, Strukturänderungen vorzunehmen. Wir haben versucht, lokale Behörden in die Lage zu versetzen, selbst zu entscheiden und Projekte umzusetzen, ohne dass sie für jede Kleinigkeit nach Ouagadougou pendeln müssen“, erklärt er. Ein weiterer Aspekt seiner Arbeit in Burkina Faso war die Ausbildung von Lehrkräften vor Ort. „Wir haben unter anderem auch Lehrpläne mit ausgearbeitet“, schildert König. Auch die Ausbildung von Ausbildnern und Ausbildnerinnen, das sogenannte „Training of Trainers“ System, war Teil des Programms. Diese Trainer schulen dann vor Ort Lehrer und Lehrerinnen ein, ohne dass noch Hilfe von König oder seinem Team benötigt wird.


Mehr als 3.000 Fotos
Auf seinem Laptop hat er die Handyfotos fein säuberlich dokumentiert, inklusive detaillierter örtlicher Zuordnung auf einer Landkarte. In einem Zeitraum von drei Jahren sind um die 3.000 Fotos entstanden, verrät König. Mit dabei sind Schnappschüsse von Gebäuden, Straßen, Verkehrsmitteln, Hütten, Essen, der Zubereitung davon und vielem mehr. Aber eines fällt dabei vor allem auf: Die vielen Menschen, die König während seines Aufenthaltes vor die Kamera geholt hat. Menschen, in allen möglichen Situationen und Emotionen. „Wir haben so viele wundervolle Menschen kennengelernt“, erzählt er.

Ganz speziell in Erinnerung geblieben ist ihm dabei die Herzlichkeit die ihm während seiner Zeit in Burkina Faso begegnete. Michael König lächelt, wenn er in Erinnerungen schwebt. „Am letzten Tag vor der Abreise kamen den ganzen Tag über Leute zu uns, um sich zu verabschieden. Das waren nicht nur solche, mit denen wir gearbeitet hatten, sondern auch Nachbarn, oder einfach nur Menschen, die man vom Sehen her kannte.“ Mit wir meint König unter anderem seine Frau, die ihn während der ganzen Zeit in Burkina Faso tatkräftig unterstützt und begleitet hat. Jedoch nicht nur aus schierer Loyalität, auch sie ist im Bereich Entwicklungszusammenarbeit tätig.

Eigentlich sollten die beiden noch gar nicht wieder zurück sein. Noch bis Ende des Jahres hätte der Aufenthalt in Burkina Faso noch dauern sollen. „Wenn man drei Jahre eingesperrt ist, reicht es irgendwann“, sagt König. „Ständig schlechte Luft, Temperaturen bis zu 46 Grad. Irgendwann willst du auch einfach einmal wieder kalte Zehen haben.“