Wahrnehmung neu entdecken

Pamela Rosenkranz erforscht sie sinnliche Erfahrung.
Wie bestimmt die Evolution unsere Wahrnehmung? Was ist natürlich, was künstlich? Und wie beeinflussen unsere Sinneseindrücke unsere Gefühle? Diese und weitere Fragen erforscht die Schweizer Künstlerin Pamela Rosenkranz, ihre Kunst fußt dabei unter anderem auf Erkenntnissen der Biologie, Chemie und Pharmakologie. Die menschliche Wahrnehmung spielt dabei eine zentrale Rolle, auch in ihrer Ausstellung „House of Meme“ im Kunsthaus Bregenz. Den Besucher erwartet ein auf besondere Weise sinnliches Erlebnis, das geprägt ist von spannenden und bedeutenden Themen der Gegenwart – aber auch des Menschseins an sich.

Mit der Corona-Pandemie wurde vielen Menschen notgedrungen bewusst, wie angreifbar wir für Organismen sind, die wir ohne Mikroskop nicht sehen können. Für Rosenkranz ist dies seit vielen Jahren ein Thema, wie KUB-Direktor Thomas D. Trummer beim Pressegespräch am Donnerstag sagte. Der Mensch ist für die Künstlerin aber nicht nur empfänglich für Krankheitserreger, sondern auch für Licht und Farbe, für Gerüche und Klänge. Aus diesem riesigen Fundus der Phänomene hebt Rosenkranz einzelne Elemente hervor, so Trummer, und macht das, was uns sinnlich erreicht, neu erfahrbar.
Amazon und Amazonas
Ein großer Quader aus Amazon-Paketen, bedeckt mit einer Kunststofffolie, hat die Künstlerin im Erdgeschoss platziert. Das weltbekannte Logo mit dem geschwungenen Pfeil zeigt auf jedem Päckchen in die vorgesehene Richtung. Die Folie reflektiert ein helles Grün, das von LED-Lichtern ausgestrahlt wird. Es ist das „grünste“ Grün im RGB-Spektrum, erklärt die Künstlerin. Aus einer Box ist die Stimme von „Alexa“ zu hören, die von morgens bis abends sämtliche über den Konzern-Riesen erhältliche Produkte aufzählt. Dabei wird die Stimme wohl kaum über den ersten Buchstaben des Alphabets hinwegkommen, so Rosenkranz.

Thematisch kann diese Arbeit auch mit den Malereien in Verbindung gebracht werden, die an der Wand hängen. Stock-Fotos aus dem Internet – das Wasserzeichen ist noch sichtbar – übermalt die Künstlerin per Hand mit einer pinken Farbe, die wie Kleister wirkt. Darunter sind die Bilder von Urwäldern zu erkennen. Auch Amazon möchte ein Organismus sein, der genauso vital und groß ist wie der Amazonas, erläutert Rosenkranz: ein großer Widerspruch für die Künstlerin, und dennoch dringen diese Bilder in uns ein.

Die Farbe Pink beleuchtet die Künstlerin von vielen Seiten: Es ist einerseits die Farbe des Fleisches, aber sie wird auch als harmlos und mädchenhaft angesehen. Warum hingegen Blau weltweit die häufigste Lieblingsfarbe ist, sei laut der Schweizerin evolutionsbiologisch zu erklären. Demnach seien wir besonders empfänglich für diese Farbe, da das Sehen unter Wasser begann, und dort fast nur Blau auf die Netzhaut gelangte. Die Farbe dominiert das zweite Obergeschoss: Durch Lichtfenster wird der Raum mit dem „blausten“ Blau durchflutet. Verstärkt wird der Effekt durch einen Nebel, der den Raum durchzieht. Die Form der Fenster erinnert einerseits an gotische Kirchenfenster, andererseits hat Rosenkranz dabei an Disney-Schlösser gedacht, wie sie erklärt. In den oberen Geschossen auch zu finden ist Kunststoff-Verpackungsmaterial. Natürlich oder synthetisch, die Reflexionen auf der Folie findet die Künstlerin ohnehin schön. Man könne eigentlich alles als natürlich betrachten – oder eben nichts.
Roboter-Schlange
Ein würzig-süßlicher Geruch durchströmt die Obergeschosse, auch Sound ist – am lautesten im Erdgeschoss – zu vernehmen. Es sind die Geräusche, die von den Signalen der elektronischen Geräten der Besucher ausgelöst werden, erklärt die Künstlerin. Und so funktioniert auch die Roboter-Schlange, die im obersten Geschoss am Boden lauert. Gelegentlich bewegt sie sich, gespeist aus dem elektronischen Sound, in der typischen seitlich-windenden Bewegung. Und auch hier ist es evolutionär begründet, warum dieses Tier so starke Emotionen in uns auslöst, wie Rosenkranz aufklärt – selbst wenn uns Schlangen heute im Alltag nicht mehr begegnen. Die Künstlerin selbst begann in der Schwangerschaft plötzlich von den Tieren zu träumen, wie sie in einem Interview mit Shumon Basar erklärte. Warum begegnen uns Schlangen als Symbole, oder eben im Traum, wenn wir doch in unserer Welt kaum damit zu tun haben? Das ist eine weitere Frage, mit der sich die Künstlerin auseinandersetzt. Eine sehr kluge, empfehlenswerte Schau.
Zur Ausstellung
Pamela Rosenkranz. „House of Meme“. Erweiterte Eröffnung heute, von 15 bis 19 Uhr. Zu sehen bis 4. Juli. Künstleringespräch am Samstag, 17. April, 11 Uhr. Infos zur Veranstaltung unter www.kunsthaus-bregenz.at.