Kultur

Pressetag: Butterfly im Geist der Zeit

07.07.2022 • 20:43 Uhr
Einblicke in die Proben auf der Seebühne. <span class="copyright">Hartinger</span>
Einblicke in die Proben auf der Seebühne. Hartinger

Am 20. Juli werden die Bregenzer Festspiele eröffnet und Giacomo ­Puccinis Oper „Madame Butterfly“ feiert Premiere auf der Seebühne. Am gestrigen Pressetag wurden Einblicke in die Proben gewährt.

In knapp zwei Wochen starten die Bregenzer Festspiele und bereits jetzt kann man am Seeufer die Opernstimmen von „Madame Butterfly“ beim Proben hören, die als diesjähriges Spiel auf dem See am 20. Juli Premiere feiert. Am Samstag werden die Proben erstmals auch mit Kostüm, Maske und Projektionen stattfinden, am Montag werden die Wiener Symphoniker das Spiel auf dem See komplettieren.

Im Zeitplan

Beim gestrigen Pressetag zeigte sich Intendantin Elisabeth Sobotka sehr positiv gestimmt. So würden beide Produktionen im Zeitplan liegen und allgemein sei im Hinblick auf die bevorstehenden Festspiele „eine sehr wache, sehr ­energievolle und sehr begeisterte Atmosphäre im Haus.“

Coronabedingt verzögerte sich die Präsentation der Oper von Giacomo Puccini um ein Jahr, womit aber auch ein Jahr mehr Zeit für Planung, Aufbau und die Kartenverkäufe gewesen war. Demnach liege für das Spiel auf dem See die Auslastung bei 90 Prozent und die meisten der 189.000 Karten für insgesamt 26 Abende sind bereits verkauft, sagt der kaufmännische Direktor Michael Diem.
Beim laufenden Probenbetrieb wurden Aktionen gesetzt, um Covid-19-Infektionsketten zu vermeiden; so müssten Mitarbeiter, die sehr nah zusammenarbeiten und dadurch einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind, wie beispielsweise Chöre, immer mit Maske proben. Bei der Premiere soll es für Besucher jedoch „keine großen wahrnehmbaren Maßnahmen und auch keine 3G Kontrollen“ geben, während im Hintergrund durchaus Maßnahmen getroffen werden, sagt Diem und setzt auf die Eigenverantwortung der Besucher.

Besondere Beleuchtung

Als „ganz spezielles ästhetisches Ereignis“ beschreibt Sobotka die Video- und Lichtinstallationen. Sie hätten eine „ganz neue Art“ gefunden, das Blatt Papier und die zarten Bemalungen „zum Leuchten zu bringen“. Die Malerei der japanischen Berglandschaft soll „mit Video verstärkt, in Farbe gesetzt und verändert werden, was man im konventionellen Bühnenraum mit Licht macht“, sagt der Regisseur Andreas Homoki und spricht von einer „magischen Veränderung auf dem Papier“.

Die Titelfigur von Puccinis Oper, genannt Butterfly, ist für den Regisseur Andreas Homoki „eine der ganz großen Tragödienfiguren“, die „radikal“ das Ziel verfolgt, „aus einer Gesellschaft auszubrechen, in der sie sich nicht verwirklichen kann“. Es geht um die „unbegrenzte Freiheit des Individuums“ und um eine „Utopie, verkörpert durch den Tenor“, die sich als falsch erweist. Von der Familie verstoßen, wird die Utopie Amerika zum einzigen Ausweg. Puccini nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise der „Hoffnung und Enttäuschung.“, beschreibt Homoki.

Schon in den Jahren 2015 und 2016 führte Sobotka mit dem Regisseur Gespräche über „Madame Butterfly“. Damalige Bedenken, ob das Stück auf die Seebühne passt, sind nun gänzlich ausgeräumt. „Es geht nicht um Vergrößerungen, sondern man muss die Setzung ändern“, erklärt Homoki.
So würde „die Einsamkeit von Cio-Cio-San und die Größe ihrer Persönlichkeit“ auf der Seebühne sehr gut zum Ausdruck kommen. Die Größe der Bühne erfordere auch, „dass man sehr genau weiß, was in jedem Moment des Stücks passiert.“ So hat der Regisseur bereits vor über eineinhalb Jahren in langer Planung an einem Modell überprüft und im Kopf durchinszeniert, wie Konstellationen sein könnten, dass „es auf die Seebühne passt.“ Der Anspruch dabei sei, „die Vorgänge der Figuren auf den Zuschauer zu lenken“.

Herausfordernd

Die „drei fantastischen Besetzungen mit hoch virtuosen Sängern“ würden sehr gut mit den fordernden Regieanweisungen zurechtkommen, sagt der Dirigent Enrique Mazzola, für den es sehr bewegend und emotional sei, wieder auf der Seebühne zu dirigieren. Im Unterschied zu Rigoletto folge Puccinis Oper mehr „dem Geist der Zeit.“

Barno Ismatullaeva verkörpert die Sängerin Cio-Cio-San und beschreibt die Musik von Puccini als sehr vielfältig, in der es viel zu entdecken gibt. Sie sei sich ihrer Verantwortung bewusst, eine gute Arbeit zu machen, und auch der sechsjährige Riku Seewald, der in der Oper das Kind von Cio-Cio-San spielt, hört auf die Musik und weiß bestens über die Regieabläufe Bescheid.

Dirigent Enrique Mazzolaund Sängerin Barno Ismatullaeva <span class="copyright">Hartinger</span>
Dirigent Enrique Mazzolaund Sängerin Barno Ismatullaeva Hartinger

Künstlerisch und naiv

Einen Tag nach „Madame Butterfly“ feiert Umberto Giordanos Oper „Sibirien“ Premiere im Festspielhaus. Eine Oper, die nicht dokumentiert, sondern aus einer sehr persönlichen subjektiven Sichtweise fast mit dem Blick eines Touristen die Geschichte erzählt, die nicht realistisch, aber sehr künstlerisch und naiv sei, erzählt Regisseur Vasily Barkhatov.

Dieser Umstand war ausschlaggebend für seine Konzeption, eine zusätzliche Figur zu erfinden und dadurch einen künstlerischen Blick auf die russische Natur zu werfen. In seiner Inszenierung werden mehrere Zeitebenen miteinander verwoben und es gibt eine vierte Hauptfigur, die sich ähnlich wie in einem Roadmovie auf die Suche nach ihrer Familienvergangenheit begibt.
Vor dem Zerfall der Sowjet­union 1991 wäre eine solche Reise sicherlich schwierig gewesen und die Spurensuche ist auch jetzt noch sehr schwer, aber es ist ja eine „eher romantisierte Erzählung“, so Barkhatov, in der eine Frau 1992 von Rom nach St. Petersburg reist und Schritt für Schritt die Geschichte ihrer Eltern rekonstruiert, bis sie im sibirischen Straflager das Grab ihrer Eltern entdeckt.

Die Proben für Sibieren im Festspielhaus <span class="copyright">Hartinger</span>
Die Proben für Sibieren im Festspielhaus Hartinger

Verschiedene Zeitebenen

Neben den sehr konkreten Schilderungen dieser Reise 1992, die unter anderem mit Filmaufnahmen im Hintergrund dargestellt wird, wird auf einer zweiten Ebene die imaginierte Vergangenheit der Eltern gegen Ende des 19. und Anfang des 20 Jahrhunderts szenisch umgesetzt.
Der russische Dirigent Valentin Uryupin beschreibt Sibirien als „eine der italienischsten Opern, die er kennt“, die aber auch russische Elemente aufweist und für das Orchester sehr anspruchsvoll ist und viel Flexibilität verlangt. Sobotka hebt das große Spannungsfeld zwischen den „krassen Texten“, die an Dostojewski erinnern“ und der sehr naiven Musik hervor, „das in besonderer Weise“ aufgelöst eine große Wirkung mit sich bringt.
Die kanadische Sopranistin Ambur Braid beschreibt ihre Figur der Kurtisane Stephana als „delicious“ und bemerkt, dass deren Entwicklung sehr schnell voranschreitet. Ähnlich wie in „Madame Butterfly“ geht es auch hier um ein Verständnis von Freiheit. „In Stephana findet eine Wandlung statt, in der sie sich von gesellschaftlichen Ansprüchen befreit, um ihre eigenen moralischen Vorstellungen zu leben“, sagt Sobotka.


Infos und Karten: www.bregenzerfestspiele.com.