Vom Schmelzen der Gletscher

Die Ausstellung „Vom Schmelzen und Schwinden“ im Kunstforum Montafon zeigt, wie internationale Künstler in teils ungewöhnlichen Techniken die Gletscherschmelze visualisieren.
Der Gletscher sei ein Tier, das durch den herabfallenden Schnee und die Lawinen genährt wird. Ein Tier, das ständig in Bewegung ist, über den Boden schleift und schmilzt, beschreibt der Kurator und Künstler Roland Haas im Interview den Gletscher. Wie etwas Lebendiges wird dieser nun auch in einigen Werken im Kunstforum Montafon nähergebracht. „Schmelzen und Schwinden“ widmet sich dem drastischen Abschmelzen der Gletscher. Seit 30 Jahren reist der Kurator auf der ganzen Welt, um die Gletscher zu sehen und zu beobachten, „wie sie uns davonrinnen“.
Nicht massentauglich
Die neue Gruppenausstellung vereint herausragende Werke von 14 österreichischen und internationalen Künstlern, die alle den vom Klimawandel verursachten Gletscherschwund in verschiedenen und auch sehr unterschiedlichen Zugängen aufgreifen. Mittels Malerei, Film, Fotografie und Konzeptkunst machen sie die Gefährdung der Gletscher in ästhetischer und teils sehr eindrücklicher Weise sichtbar.
Eine Kunst, die eine gewisse Wahrnehmung erfordere und nicht massentauglich sei, sagt Haas über die Ausstellung. Sie sei aber auch eine „gute Kunst“, „die als Seismograf der Gesellschaft den Spiegel vorhält“, so der Kurator. In der Ausstellung zeigt er eine seiner Arbeiten von vor 30 Jahren, mit der er den Gletscherschwund des Fox-Gletschers an der Westküste der Südinsel Neuseelands thematisiert, und eine aktuelle Arbeit visualisiert das Schmelzen des Ochsenthaler Gletschers. Dass sich dieser in den letzten Jahren so schnell verändert hat, erfüllt Haas mit Traurigkeit und Wut.
„Unglaublich“ ist für ihn auch, „was für ein Aufwand betrieben wird, damit man im Herbst Ski fahren kann“, sagt er in Bezug auf die Gletschervliese: Weiße Textilien aus Polyester und Polypropylendie, die zur Abdeckung des Gletschers verwendet werden, um den Schmelzvorgang des Gletschers zu verringern.

„Leichentücher“
Diese Gletschervliesen hat der britische Fotograf Simon Norfolks in seiner Serie „Shroud“ (auf Deutsch „Leichentuch“) fotografiert. Berge von weißem Stoff verhüllen das Eis und die bereits kahl gewordenen Stellen und bedecken mehrere Quadratkilometer des Rhônegletschers in der Schweiz. Es ist ein unwirklich aussehendes Bild und scheint fast wie eine Szenerie in der Abenddämmerung. In einem dokumentarischen Video von ihm sieht man, wie er die ehemaligen Grenzen eines Gletschers in Mount Kenia mit Feuer nachgezeichnet hat.
Auch der Schweizer Künstler Douglas Mandry lässt die Gletschervliesen in einer sehr aufwändigen Technik als Bildträger in seine Kunst einfließen und druckt Lithografien von historischen Gletscherlandschaften auf Gletschervliesen. Ulrike Heydenreich verwendet alte historische Buchseiten, die sie mit Wollfäden nachbearbeitet, mit Nadeln fixiert und in geraden Linien über die Hochgebirgspanoramen der Silvrettagruppe spannt. Es sei ein Motiv, das die Leute in Vorarlberg kennen und zu dem sie einen Bezug haben, erklärt Haas. Während Norfolk das „Wegschmelzen“ mit Feuer verdeutlicht, verwendet Anna Meyer Blut. In einer großen Malerei, um das geschmolzene Eis drastischer darzustellen.

Abbruch und Fall
Massive Gletscher brechen ab und fallen ins Wasser. Normalerweise müsste man sehr lange warten, um solch ein Ereignis der Natur beobachten zu können, erklärt Haas. Im Video „Ice Cry Baby“ von 2017 hat die holländische Künstlerin Anouk Kruithof, das Abbrechen und Fallen verdichtet und mit dem Schreien von Touristen durchdringlicher gemacht. Durch das Aufschmelzen von Permafrost kommen Tiere zum Vorschein, die längst ausgestorben sind. Diese Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart wollte die in Wien lebende Gabriele Rothemann sichtbar machen, und so hat sie in ganz kleinen Arbeiten Fotos von Gletscherseen auf Mammutelfenbein „draufgeprintet“.
Neben verschiedenen künstlerischen Zugängen arbeitet Thomas Feuerstein sehr wissenschaftlich. Er hat eine Maschine gebaut, in der Algen wachsen, welche er auch in seine künstlerischen Werke einfließen lässt. Im Werk „Blutregen“ hat er über ein Relief einer Gletscherlandschaft Algen geleert und mit Licht bestrahlt, wodurch sich ein sehr markantes Bild ergibt.
Infos und Öffnungszeiten: www.kfm.at.