Kultur

Interpretationen durch die Natur verstärkt

29.08.2023 • 19:37 Uhr
Der Bariton Konstantin Krimmel (Mitte) mit Klavierbegleiter Julus Drake (rechts) und dem Cellisten Mathias Johansen.  <span class="copyright"> Schubertiade/Sprenger</span>
Der Bariton Konstantin Krimmel (Mitte) mit Klavierbegleiter Julus Drake (rechts) und dem Cellisten Mathias Johansen. Schubertiade/Sprenger

Konstantin Krimmel, Julius Drake und Mathias Johansen sowie Francesco Piemontesi gastierten bei der Schubertiade.

Von Katharina von Glasenapp

Binnen weniger Jahre hat sich der deutsch-rumänische Bariton Konstantin Krimmel zu einem Liebling der Schubertiade und anderer Liedfestivals entwickelt. Und er bestätigt seinen Ruf mit kluger Gestaltung, feiner Pianokultur und atemberaubender Dramatik, wenn er auch vor einem Koloss wie der Schiller-Ballade „Der Taucher“ nicht zurückschreckt.

Wie bei Christoph Prégardien war auch an diesem Nachmittag Julius Drake als brausender Klavierpartner an seiner Seite. Für ein Lied gab auch der in Feldkirch lehrende Cellist Mathias Johansen sein erfolgreiches Debüt. Abends tauchte der Schweizer Francesco Piemontesi in die Farbenwelt der Préludes von Debussy und spannte in Schuberts G-Dur-Sonate einen gro­ßen Bogen.

Schubertlieder

Bei der Programmplanung konnten die Künstler nicht ahnen, dass die „wässrigen“ Themen der Schubertlieder auch perfekt zum derzeitigen Wetter passen würden: Der Nebel, der mit „Der Wanderer“ aus dem Tal aufsteigt, die Stromschnellen, die Mayrhofers „Der Schiffer“ mit ächzendem Kahn überwinden muss, die brodelnde Energie von „Auf der Bruck“ und natürlich die Wasserfluten von „Der Taucher“ – all diese Bilder wurden durch die Natur draußen verstärkt.

Sie machte die Interpretation noch intensiver und beförderte die Konzentration, bei den Künstlern wie beim Publikum. Krimmel spielt auch gern mit seiner Stimme, mit hellen Vokalen oder dämonischer Fokussierung in der „Maske“, er nimmt sich zurück – wunderbar getragen von Drakes perlenden Arpeggien etwa in „Nachtstück“ oder im sanften Schwingen von „Des Fischers Liebesglück“ – und wirft sich natürlich mit aller Kraft ins Geschehen.

Das Trio beim Musizieren.   <span class="copyright">Schubertiade/Sprenger</span>
Das Trio beim Musizieren. Schubertiade/Sprenger

In „Auf dem Strom“ gesellte sich der norwegische Cellist Mathias Johansen mit wunderbar silbrig singendem Ton dazu. Das Lied wird auch gern mit Horn begleitet, doch Celloton und Gesangsstimme verbanden sich in schönster Harmonie mit der ebenmäßigen Begleitung von Julius Drake, wirkt diese dritte Stimme doch wie das Echo einer fernen Geliebten.

In der riesigen Balladenvertonung „Der Taucher“, vertont vom 17-jährigen Schubert, gingen Krimmel und Drake aufs Ganze, mit theatralischem Auftritt des Sängers, einem schäumenden Tongemälde im Klavier, verschiedenen „Stimmen“ für den hochmütigen König, den mutigen Knappen mit seiner Schilderung der schauerlichen Meeresungeheuer, die liebliche Prinzessin. Über zwanzig Minuten wurde man mitgerissen von diesem großartigen musikalischen Strudel. Zur Beruhigung verabschiedeten sich die Künstler mit dem melancholischen „Abendstern“, das glücklich überschäumende „Willkommen und Abschied“ ließ noch einmal alle Herzen höherschlagen.

Der Schweizer Pianist Francesco Piemontesi.         <span class="copyright">Schubertiade/Sprenger</span>
Der Schweizer Pianist Francesco Piemontesi. Schubertiade/Sprenger

So ganz anders sind die Klänge und Tongemälde, die Claude Debussy zu Beginn des 20. Jahrhunderts in seinen zweimal zwölf „Préludes“ geschaffen hat. Auch er fängt Naturstimmungen ein, Nebel, Wolken, Wasser, doch bei ihm „hört“ man südliches Licht, flirrende Atmosphäre oder den Mond über einer Terrasse am Meer.

Mit zauberischer Anschlagskultur, Farben und Leuchtkraft machte der gebürtige Tessiner Francesco Piemontesi die zwölf Préludes des ersten Bandes lebendig, schuf unheimliche Stimmungen („Feuilles mortes“), ließ sich hinreißen vom spanischen Rhythmus einer Habanera („la Puerta del Vino“) und umhüllte die tanzenden Feen mit einem Gespinst von huschenden Trillern. Vieldeutig sind diese Stücke, deren Titel Debussy als mögliche Deutung erst ans jeweilige Ende setzte. In den letzten beiden zündete der Pianist ein virtuoses Feuerwerk kleinräumig wirbelnder Figuren.

Große Ruhe

Dass er sich auch in Schubert versenken kann, hat Piemontesi in den letzten Jahren in einem Zyklus bei der Schubertiade bewiesen. An diesem Abend fand er große Ruhe für die weit ausschwingenden Bögen des „molto moderato e cantabile“ im ersten Satz der späten G-Dur-Sonate D 894, ließ die Melodien strömen und ausklingen, schuf aber ebenso auch bohrende Schicksalsklänge oder hell glitzernde Figuren im Finale. Für seine erste Zugabe wählte er ein farbenreiches Stück des Polen Karol Szymanowski, bevor er sich mit dem fließenden Ges-Dur-Impromptu op. 90/3 von Schubert verabschiedete.