„Keine Erfahrung mit Demokratie“

Beim FAQ-Gespräch am Sonntag war die Witwe des vom russischen Geheimdienstes vergifteten Alexander Litwinenko zu Gast im Bregenzerwald.
Marina Litwinenko sprach am Sonntag beim FAQ-Festival im kleinen Dorfsaal in Schwarzenberg über ihren ermordeten Ehemann Alexander Litwinenko, warum sie keine Angst hat, die Wahrheit zu sagen und wie das System Putin funktioniert. Die Fragen stellte Alexandra Föderl-Schmid, stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung.
Teures Gift
Eine Tasse Grüntee, angereichert mit dem radioaktiven Element Polonium-210. Es ist ein teures Gift, das nicht leicht herzustellen ist. Dieses Getränk wurde Alexander Litwinenko am 1. November 2006 von zwei Mitarbeitern des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in einer Bar in London zum Trinken gereicht. Da er beide Männer kannte, schöpfte er keinen Verdacht. 22 Tage danach verstarb er nach hartem Kampf gegen diese hochgiftige Substanz. Seine Frau Marina Litwinenko kämpfte zehn Jahre lang dafür, dass dieser Mord aufgeklärt wurde. Im Abschlussbericht heißt es: „Die Operation des FSB, Herrn Litwinenko zu ermorden, wurde wahrscheinlich von Präsident Putin gebilligt.“
Es ist kein Märchen, sondern harte Realität, wie mit den Kritikern des Systems Putin umgegangen wird. Sie werden beseitigt. „Dass der russische Geheimdienst Menschen vergiftet, hat eine lange Tradition“, so Litwinenko. „Mein Mann hat Putin nach einem persönlichen Gespräch, er selbst war auch FSB-Mitarbeiter, unterschätzt. Er meinte, er sei keine starke Führungspersönlichkeit. Sein weicher Händedruck und die Vermeidung von Augenkontakt seien Indizien dafür.“ Bei einer Pressekonferenz 1998 beschuldigte Alexander Litwinenko die Führung des FSB der Anstiftung zum Mord. Damit landete er auf der Liste von Präsident Putin, damals in ganz Europa noch ein angesehener Staatsmann. Er floh im Jahr 2000 mit seiner Familie ins Exil nach London.

Keine Angst
Während des ganzen Gesprächs war kein Hass zu spüren. Marina Litwinenko geht es um Gerechtigkeit und um Aufklärung. „Putin ist ein Verbrecher. Es heißt immer, es gibt ein System Putin. Wenn er nicht mehr an der Macht ist, kommt wahrscheinlich ein noch schlimmerer. Aber gibt es wirklich jemand schlimmeren als Putin, wenn wir jetzt den Krieg in der Ukraine anschauen?“ Sie selbst habe keine Angst, dass sie auch in die Fänge von Putin komme. „Ich bin Alexanders Ehefrau und tue das, was eine Ehefrau macht, ich verteidige meinen Mann.“
Auch wenn es nicht das Hauptthema des Vormittags war, unweigerlich kam auch die Sprache auf den Krieg in der Ukraine. Aber warum wehre sich die russische Bevölkerung nicht gegen den Krieg in der Ukraine? Marina antwortet darauf, dass Russland keine Erfahrung mit Demokratie habe. Nur die kurze Zeit unter Mikael Gorbatschow (Generalsekretär und Präsident der UDSSR von 1985 bis 1991) hätte so etwas wie Demokratie in ihr Land gebracht. Jetzt haben die Menschen Angst, eingesperrt zu werden, wenn sie etwas sagen. Auf die Frage aus dem Publikum, ob sie sich als Russin fühle und gern wieder nach Russland zurückkehren wolle, antwortete sie: Ja ich fühle mich als Russin und ich habe einige ukrainische Freunde. Wenn die Zeit reif ist, will ich auch meinen Teil dazu beitragen, diese beiden Völker zu versöhnen.
Vor der Diskussion spielte Alicia Edelweiss freche und kecke Musik mit der Ziehharmonika und der Ukulele und zeigte ein Zirkusstück mit einem Hula-Hoop Reifen vor.
Von Daniel Furxer