Kultur

Die Möglichkeit, Hoffnung zu schöpfen

05.10.2023 • 19:55 Uhr
„Alles nur Windhauch – Es gibt nichts Neues unter der Sonne“, der Künstler Lothar Heinzle. <br><span class="copyright">Lothar Aemilian Heinzle</span>
„Alles nur Windhauch – Es gibt nichts Neues unter der Sonne“, der Künstler Lothar Heinzle.
Lothar Aemilian Heinzle

Für die Lange Nacht der Museen hat Lothar Aemilian Heinzle in akribischer Kleinarbeit eine Kunstaktion vorbereitet.

Welche künstlerische Entwicklung haben Sie bis zur Installation in der Dreifaltigkeitskirche durchlaufen?

Lothar Aemilian Heinzle: Geleitet von konzeptionellen Ideen beschäftige ich mich in meinem Oeuvre seit Beginn mit der Welt von Zeichen, Sprache, Irrationalem, geheimen Kräften, Energien und Legenden. Noch während des Studiums an der Angewandten in Wien 1978, entstanden erste Ansätze von Konzeptkunst. Ich startete mit dem Projekt „Erhöhung des Großglockners“. Dabei transferierte ich einen Steinquader von den nördlichen Kalkalpen auf die Spitze des höchsten Berges von Österreich. 1989 markierte ich am Fuße des am Bürserberg gelegenen Schillerkopfs mit großen Lettern das Zitat „Seid umschlungen Millionen“. 1992 präsentierte ich einen Passionszyklus im Wiener Stephansdom, der heute die Barbarakapelle in Poysdorf ziert. Ein Jahr später arbeitete ich unter dem Titel „Brennende Seelen“ mit dem Komponisten Gerold Amann zusammen. Im Hohenemser Steinbruch wurden dreißig im Kreis stehende Baumstämme verbrannt und aus der dunklen Felswand erklangen von einem Mönchschor gesungene, gregorianische Choräle und eine Abordnung des Bundesheers interpretiert in der Weite der Nacht eine Komposition von Gerold Amann mit Gewehrsalven. 2000 bändigte ich unter Mithilfe meiner 15 Studenten aus der Meisterklasse der Graphischen in Wien den Masonbach in Braz und belegte ihn mit der sogenannten „Satorformel“: „Sator arepo tenet, opera rotas“, die darauf hinweist, dass die Kraft, – Gott oder die Energie – das Werk in Gang hält.

Künstler Lothar Aemilian Heinzle. <span class="copyright">Lothar Aemilian Heinzle</span>
Künstler Lothar Aemilian Heinzle. Lothar Aemilian Heinzle

Wie sind Sie auf das Kohelet-Zitat „Es gibt nichts Neues unter der Sonne“ gestoßen?

Heinzle: Als ich im Frühling 2020 beim Lesen eines „Spiegel“-Interviews mit dem alttestamentlichen Bibelwissenschaftler Ernst Axel Knauf auf das Zitat stieß, faszinierte mich dieses Paradoxon. Dieses König Salomon aus Jerusalem zugeschriebene Zitat besitzt noch heute eine derartige Aktualität, dass es sich lohnt, sich damit zu beschäftigen.

Wie schaut das Arrangement in der Dreifaltigkeitskirche aus?

Heinzle: In der Dreifaltigkeitskirche wird ein Werk zu sehen sein, das brennende Themen unserer Zeit thematisiert und in ästhetisch ansprechender Form Hoffnung schöpfen lässt. An der Fassade entsteht ein Lichtwerk, das die Erkenntnisse der letzten drei Jahrtausende relativiert. Im Kirchenraum zeigt eine Ausstellung Werke, die diese Aphorismen in Form von Graphit-Zeichnungen auf transparentem Seitenpapier zeigen und in formal reduzierter Schlichtheit diese Weisheiten visualisieren.

Warum soll man am Samstag zu Ihrer Lichtinstallation kommen?

Heinzle: Es ist ein Event von Seltenheit und wird sich in dieser Form nicht wiederholen. Die Kirche als kontemplativer Ort verstärkt die Chance, das Leben für einen Augenblick verändert zu sehen und Kraft zu schöpfen, den Alltag leichter zu bewältigen. Es eröffnet neue Dimensionen, sich als Individuum als Teil im Ablauf des Universums zu erkennen und zu relativieren. Es gibt die Möglichkeit, Hoffnung zu schöpfen, zu erkennen, dass alles Sinn macht und man sich voller Zuversicht auf die Zukunft freuen kann.

Samstag, 21 Uhr, Dreifaltigkeitskirche, Bludenz.

Wolfgang Ölz