Ein Spiel auf dem See im Winter

Die Bregenzer Festspiele haben gestern das Programm für die nächste Saison von 17. Juli bis 18. August auf der Werkstattbühne präsentiert.
Für die 78. Bregenzer Festspiele wird Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl die Oper „Der Freischütz“ im Stil des magischen Realismus auf die Seebühne bringen. Über die Wahl waren Intendantin Elisabeth Sobotka und der kaufmännische Direktor Michael Diem (vor dem Vorverkauf) zuerst skeptisch, wie sie in der gestrigen Programmpräsentation, moderiert von Babette Karner, verrieten: „Es ist ein Stück, das unglaublich tolle Musik hat und hinreißende Szenen, aber gleichzeitig auch gerade durch die Dialoge – es ist ja ein Singspiel – und durch eine zum Teil biedermeierliche Haltung auf den ersten Blick nicht aktuell wirkt“, erklärt Sobotka. Die theatral herausfordernde Wolfsschlucht-Szene, aber auch die inhaltlichen Seelenzustände in Carl Maria von Webers Oper hätten sie dann aber überzeugt.
Erstmals auf dem See
Nach dem Erfolg mit „Rigoletto“ 2019/21 wird Philipp Stölzl als einer von wenigen ein zweites Mal das Spiel auf dem See inszenieren, und mit dem „Freischütz“ zudem ein Werk, dass davor noch nie auf der Seebühne zu erleben war. Weil er hier „so glücklich ist als Künstler“, sei er auch besonders inspiriert: „Ich bin an manchen Orten als Künstler weniger gut als in Bregenz“, beschreibt der Regisseur seine Freude über den in Erfüllung gegangenen Wunsch, erneut am See zu arbeiten.

2005 hatte Stölzl mit dem „Freischütz“ seine allererste Oper inszeniert und damit gleich die schwierigste Opernform erwischt, da man mit der „Mischung aus Musiknummern und Dialog“ auch mit zwei verschiedenen Rhythmen umgehen müsse. „Es war ein Wunder, dass das trotzdem sehr gut geworden ist.“
Der Freischütz sei mit dem vielen Theaterspektakel für den See sehr geeignet, und obwohl die ursprüngliche Geschichte im Wald spielt, setzt Stölzl die Figuren in ein halbüberschwemmtes Dorf neben tote gruselige Bäume, die als Schattenriss bei der Programmpräsentation bereits einen ersten visuellen Eindruck des Stücks verschafften. Einen zweiten vermittelte am Ende der Trailer, der das kinohafte Denken des auch als Filmemacher tätigen Regisseurs unterstreicht.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Mit dem Bühnenbild für die Gespenstergeschichte möchte er ein Gefühl für die Kälte des Winters schaffen. „Dann ist man in dieser harten Welt, wo Max um seinen Platz im Leben kämpfen muss und den Teufel trifft“, beschreibt Stölzl. Weil der Wasserspiegel im See von Probenbeginn bis zur letzten Vorstellung um etwa zwei Meter sinkt, werden die Sänger und Schauspieler in einer Art „Infinity Pool“, der bis zur ersten Reihe des Publikums reicht, performen. Für den Freischütz habe Stölzl nur deutschsprachige Sänger gecastet und den Text komplett überarbeitet, um die aus der Zeit gefallenen Figuren ins Heute zu übersetzen.

In gutem Zustand
Auch an der Konstruktion auf dem See zeigt er sich interessiert: „Die Frage, wie man dort neu baut hat eine lange Geschichte“, jetzt könne man nochmal neu überlegen: „Was braucht eigentlich so eine Seebühne?“ Als Regisseur und Bühnenbildern will sich Stölzl in die Gestaltung insofern einbringen, dass die Bühnenkonstruktion auch für künftige Generationen besonders passend wird.
Der Umbau läuft im Zeitplan und ein Viertel der insgesamt 185.000 aufgelegten Tickets für 26 Abende, an denen „Der Freischütz“ gespielt wird, ist bereits verkauft. Auch abseits des Sees wird es ein „üppiges Programm“ geben, generell sei das Programm dichter und erfolgreicher geworden, freute sich Festspielpräsident Hans-Peter Metzler über den guten Zustand der Festspiele.
Nachdem der „Freischütz“ am 17. Juli 2024 die Festspiele eröffnen wird, feiert Gioachino Rossinis „Jugendmeisterwerk“ „Tancredi“ einen Tag danach im Festspielhaus Premiere. Rossinis „erste ernste große Oper“ habe „wirklich hinreißende Musik, aber ein grauenhaftes Libretto“, erläuterte Elisabeth Sobotka, „denn heutzutage möchte man sich, wirklich nicht mit Kreuzzügen beschäftigen und wundert sich wie nah dieses entsetzliche Thema auf ganz andere Art und Weise doch noch ist.“ Regisseur Jan Philipp Gloger habe aber ein spannendes Konzept entwickelt, „ohne den Kern an widerstreitende Clans“ zu ändern.

Zwei Uraufführungen
Auf der Werkstattbühne wird es zwei Uraufführungen geben, die sich beide um menschliche Beziehungen drehen. Das Musiktheater „Unmögliche Verbindung“ (Premiere am 27. Juli) zeichnet in einer Abfolge von Szenen etliche Momente nach, in denen menschliche Kommunikation scheitert, erschwert oder verhindert wird. Der Komponist Ondrej Adámek wird fremde Klänge in die Musikgestaltung einbinden. Das Stück wird gemeinsam mit den Musikerinnen und Musikern des Ensemble Modern in Frankfurt entwickelt.
Die zweite Uraufführung „Hold Your Breath“ (Premiere am 15. August) ist im Bregenzer Opernatelier in einem mehrjährigen Arbeitsprozess zwischen der irischen Komponistin Éna Brennan, dem britischen Regisseur und Librettisten Sir David Pountney und dem aus Portugal stammenden bildenden Künstler Hugo Canoilas entstanden. Begleitet wurde das Projekt, das beschreibt, wie die nicht vorhersehbare Kreatur des Oktopus in eine Gesellschaft hineinwirkt von Kunsthaus-Direktor Thomas Trummer.
Die Produktion des Opernstudios ist diesmal eine Mischung von Gioachino Rossinis erster öffentlich aufgeführter Oper „Der Ehevertrag“ (La cambiale di matrimonio) und dem Einakter „Gianni Schicchi“ aus Giacomo „Puccinis Il trittico“. Erstmals wird das Opernstudio von Leo McFall dirigiert und am 12. August im Theater am Kornmarkt zur Aufführung gebracht.

Neue Operette
Wieder bei den Festspielen dabei ist auch Franui, diesmal mit einer „neu gebastelten“ Operette nach dem Roman „Hotel Savoy“ von Josef Roth, in dem Menschen in einem Hotel auf Emigration warten (Premiere am 21. Juli im Theater am Kornmarkt)
Schon vor Festspielbeginn gastiert Ende März das Burgtheater mit „Der Menschenfeind“ in der Inszenierung von Martin Kušej. Auch das Deutsche Theater Berlin wird nach der kurzfristigen Absage im Vorjahr doch noch mit Kleists Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ im Juni zu sehen sein.
Als Siegerstück des Wettbewerbs der Österreichischen Theaterallianz wird Josef Maria Krasanovskys „Mondmilch trinken“ am 1. August im Theater KOSMOS uraufgeführt. Insgesamt umfasst das Programm über 80 Veranstaltungen. Nach Abschluss der Spielzeit wird Intendantin Elisabeth Sobotka an die Staatsoper nach Berlin wechseln, zum Abschied wird ihr einer der Musik&Poesie-Abende gewidmet: Nikolaus Habjan wird in „Ich pfeif’ auf die Sobotka“ die beliebtesten Arien aus der Opernwelt inklusive ihrer Lieblingsnummern pfeifen.