Vom Automatismus des „Normalen“

Das neue Stück des Aktionstheater Ensemble, „Alles normal“, wurde am Dienstag im Spielboden Dornbirn uraufgeführt.
Das Aktionstheater Ensemble hat den rosa Teppich ausgerollt, links und rechts sitzen die Zuschauer im Salon d’amour und damit mittendrin im „bunten Abend“, der in einer möglichen Zukunft mit den extremen Rechten an der Macht ironisch die Lage sortiert.
Derber Humor
Ausgegangen wird wieder in Martin Grubers Aktionstheaterstil vom ganz banalen Alltag im „Vierten Reich“, in dem die persönlichen Eigenheiten der Leute hervorgeholt und drastisch als Show-Elemente in Szene gesetzt werden. In „Alles normal“ sind nun die „Durchschnittsmenschen“ dran mit all den verbreiteten Gewohnheiten und indoktrinierten Verhaltensweisen.
In den Texten, die Gruber gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt hat, zerlegen die Schauspielerinnen und Schauspieler den Begriff in die faschistischen Brösel. Vom Körper- und Schönheitsempfinden über Esskulturen und die Optimierung von Namen, damit der Schein erhalten bleibt, wird die von der Politik angestoßene „Normal-Debatte“ dem Publikum mit viel derbem Humor in kleinen Stücken serviert – mit der Absurdität aus ganz unterschiedlichen Bereichen nacheinander und jeweils einzeln.

Während manche der Schauspielerinnen und Schauspielern für ihre Performance-Beiträge zwischenzeitlich auch aus der Band heraustreten, bleiben Thomas, Babette oder Isabella auch dann in der Rolle, wenn etwa Elias vom „normalen“ Leben referiert, um dann – wieder an der Reihe – dort weiterzumachen, wo sie zuvor unterbrochen wurden. Damit erreicht vor allem Michaela in ihrem fanatischen Glanz eine beachtliche Authentizität. Die in ihrer Schönheit verhaftete Isabella hält sich von allem Negativen fern, wenn sie mit ihrer Selfie-Kamera vor dem Gesicht das Geschehen verfolgt, bei dem etwa Thomas so besessen davon zu sein scheint, was die Leute in der Hose haben, dass auch das Publikum zur Aufklärung über die „normalen“ Größen beitragen darf.
Genauso wie die Musik immer genau im richtigen Moment die einzelnen Themen verbindet, tragen sich die Schauspielerinnen und Schauspieler gegenseitig auch als Angriffsfläche durchs Programm. Was anfangs noch mit Kochspielen, Haarfarben und Seelenarbeit recht harmlos erscheint und nicht selten in oberflächlichen Aufzählungen endet, wird schnell schockierend, wenn Elias im ernsten Poetry-Slam-Vortrag die österreichische Zubereitung der Fleischteile in allen makabren Varianten zu Wort bringt, Michaela zum Automaten wird, der die in den Kopf eingegebenen Bierpreise auch im Schlaf zusammenrechnen kann, oder Thomas auf dem Teppichläufer überdreht auf und abtanzt, nachdem er Suizid als mögliche Alternative propagiert, wenn die Schauspielerei bei den „Naz … Österreicherinnen und Österreichern“ nicht mehr funktioniert. Spätestens dann ist die mit Slogans durchzogene Gebirgslandschaft im Hintergrund längst zur Wüste geworden.
Weitere Vorstellungen: Heute bis Samstag, 20 Uhr, Spielboden Dornbirn.