Kultur

„Wie heute – nur ein wenig anders“

14.12.2023 • 22:44 Uhr
Derya Yüzel vor Gemälde von Nadide Akdeniz. <span class="copyright">Daniel Furxer</span>
Derya Yüzel vor Gemälde von Nadide Akdeniz. Daniel Furxer

Kuratorin Derya Yücel präsentiert in der aktuellen Schau im Künstlerhaus Bregenz eine Auswahl an zeitgenössischer türkischer Kunst von „Kolekta“.

Im Künstlerhaus Bregenz ist momentan die Ausstellung „Everything will be just like now – just a little different“ zu sehen. Es ist die erste Ausstellung der Künstlerplattform Kolekta außerhalb der Türkei. 33 etablierte, zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler präsentieren ihre Werke und zeigen so das weite Spektrum und die Komplexität türkischer, zeitgenössischer Kunst. Prädikat sehr sehenswert!

Brüchige Welt

Der Titel ist widersprüchlich und regt zum Nachdenken an. „Ich wollte damit sowohl eine Spur Optimismus also auch eine Spur Pessimismus anklingen lassen. Die ausgewählten Werke stehen genau in diesem Spannungsfeld. Auf den ersten Blick sind viele der Werke farbenfroh, aber das Gefühl der Angst oder der unsicheren Zukunft schwingt fast überall mit“, so Kuratorin Derya Yücel. Sie steht vor so einem bunten, organischen Bild. Es ist die Arbeit von Nadide Akdeniz, („Untitled“, 2023, Öl auf Leinwand) die märchenhafte, grüne Landschaften konstruiert, in der spirituelle und politisch-ökologische Welten aufeinandertreffen. Man wähnt sich in einem Traum, wird dann aber wieder zurückgeholt durch ganz konkrete Gegenstände, die auf die Gesellschaft verweisen.

Die Themen sind vielfältig, werden aber durch die Klammer der Brüchigkeit dieser Welt zusammengehalten. Ein Gefühl, das die Künstlerinnen und Künstler auf unterschiedliche Art mit diversen Stilmitteln zum Ausdruck bringen. Die Gemälde, Fotografien, Skulpturen, Installationen und auch Videos sind auf allen Etagen verteilt.

Metin Celik vor seinem Werk Nisus. <span class="copyright">Daniel Furxer</span>
Metin Celik vor seinem Werk Nisus. Daniel Furxer

Symbolisch herausragend ist die Arbeit von Ferhat Özgür. Auf dem Foto mit dem Titel „Embrace“ hat er 2022 eine Gruppe von Freiwilligen aus Mardin auf einem hohen Hügel versammelt. Sie umarmen sich alle. Die besondere Bedeutung ergibt sich daraus, dass in diesem Gebiet türkische, arabische, assyrische, kurdische und christliche Minderheiten leben. Es ist ein Aufruf für Toleranz und friedliches Zusammenleben.

Existenz und Rollenbilder

Metin Çelik ist einer der beiden bei der Vernissage anwesenden Künstler. Sein Werk „Nisus“ (Bleistift auf Papier, 2023, übersetzt in etwa: starke Bemühungen) zeigt einen roten Männertorso. Der Körper kämpft um eine leichtere Existenz, angedeutet durch die Feder am Rand. „Die Figur steht für den modernen Menschen, seine Ausweglosigkeit und Probleme, denen er als Krieger gegenübersteht. Er ist das Produkt einer kontrollierten Welt, der er entfliehen will“, so der Künstler. Mit einem dünnen Farbstift zeichnet er klare Flächen und Linien, am Werk „Nisus“ hat er eine Woche durchgehend gearbeitet.

Ganz anders Eda Çekil. In ihrer Arbeit „Dokuz oda – Nine Rooms“ fotografierte sie Familienfotos und zeigt, wo sich diese im Raum befinden. „Ich glaube Rollenbilder werden durch fotografische Zuschreibungen verfestigt, das Bild der Frau als Hüterin des Hauses erneut festgelegt. Ja, es ist ein klar feministisches Statement, das ich damit abgeben will“, bekräftigt die Künstlerin. Man kann Pinar Erbil dankbar sein, die als Mittlerin zwischen der Präsidentin des Künstlerhauses, Maria Simma, und Kolekta aufgetreten ist. So viel bildgewaltige, lebendige, aber auch nachdenklich machende Kunst findet man selten auf einem Fleck.

Blick in die Ausstellung im Künstlerhaus. <span class="copyright">Daniel Furxer</span>
Blick in die Ausstellung im Künstlerhaus. Daniel Furxer

,,Auf den ersten Blick sind viele der Werke farbenfroh, aber das Gefühl der Angst oder der unsicheren Zukunft schwing fast überall mit.”

Derya Yücel, Kuratorin

Digitales Archiv

Die Künstlerplattform Kolekta wurde 2020 von Ali Kerem Bilge, Idil Bilge und Asli Boduroglu gegründet, um – gerade während der Covid Pandemie – ein digitales Archiv von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aufzubauen. Momentan umfasst die Plattform 800 Künstler, über 12.000 Kunstwerke, und 46 Kunstgalerien sind Mitglied bei Kolekta. „Unsere Mission war immer schon, auch außerhalb der Türkei auszustellen. Mit dem Künstlerhaus in Bregenz haben wir einen großartigen Ort dafür gefunden. Es ist auch eine schöne Gelegenheit den türkischen Landsleuten, die schon lange hier leben, etwas zurückzugeben“, so Ali Kerem Bilge.

Von Daniel Furxer