Kultur

Ein offenes Haus für „alles Mögliche“

26.01.2024 • 23:00 Uhr
Kirsten Helfrich, Tobias Maximilian Schnell und Roland Adlassnigg widmen sich im Format „…Im Erdgeschoss“ vergangen Kunstperformances. <span class="copyright">florian Raidt</span><span class="copyright"> </span><span class="copyright"></span><span class="copyright"></span><span class="copyright"></span><span class="copyright"></span><span class="copyright"></span><span class="copyright"></span><span class="copyright"></span>
Kirsten Helfrich, Tobias Maximilian Schnell und Roland Adlassnigg widmen sich im Format „…Im Erdgeschoss“ vergangen Kunstperformances. florian Raidt

Das Künstlerhaus in Bregenz eröffnet das Jahr mit vier neuen Ausstellungen – darunter sieben neue Mitglieder und das seit 2022 bestehende Format „… im Erdgeschoss“.

Neben Einzelausstellungen von der Künstlerin Sarah Bechter im ersten Stock und dem Residency-Artist Mahmut Celayir im Dachgeschoss startet die Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis mit den Werken von sechs neuen Mitgliedern und dem Format „… im Erdgeschoss“ ins neue Jahr.

Prozesse

In einer gemütlichen Wohnzimmeratmosphäre mit Sessel, Couch und Teppich hat das Künstlerkollektiv „DieHumanKapitalisten“ Ausschnitte ihrer bisherigen gemeinsamen Kunstprojekte an die Wände geklebt: Mit Fotos und erklärenden Texten schafft die Gruppe für Besucherinnen und Besucher einen Einblick in die Performances, die sie seit 2009 an verschiedenen Schauplätzen der Kunst und im öffentlichen Raum umgesetzt haben. Ganz nach den Zielsetzungen des Formats wird „im Erdgeschoss“ des Künstlerhauses keine klassische Ausstellung präsentiert, vielmehr werden die Ideen der Künstler Kirsten Helfrich, Tobias Maximilian Schnell und Roland Adlassnigg zur erneuten ­Begutachtung nochmals ausgegraben.

„Es geht darum, Prozesse statt Produkte in den Vordergrund zu stellen.“, erklärt Sarah Kirsch vom Künstlerhaus das Konzept des Formats, das alle zwei Wochen neue Projekte mit wechselnden Künstlern in den Fokus stellt. Bis Ende April werden insgesamt sechs Gruppen die Möglichkeit haben, anhand ihrer künstlerischen Arbeit einen Rahmen für kollegialen Austausch zu schaffen. So veranstalten „Die HumanKapitalisten“ öffentliche „Kamingespräche“, um sich mit Weggefährten und interessierten Menschen nochmals auch mit der heutigen Relevanz ihrer Kunst auseinanderzusetzen.

Diskussionen

Nach dem Wohnzimmergespräch mit Winfried Nussbaummüller nächsten Freitag wird das Format mit der Gruppenausstellung „Aggressives Rosa“ weitergeführt, in dem Amrei Wittwer, André Willimann, Florian Bühler, Julia Fuchs, Katja Berger, Lorenz Helfer, Marc Elsener, Patrick Graf und Peter Wehinger zwei Wochen lang für ein intensives Farberlebnis sorgen und dabei Diskussionen über Ethik, Ästhetik und die Effemination der Gesellschaft, aber auch über die Rolle von Technik und Handwerk eröffnen.

Ab 17. Februar werden die Wände wieder weiß sein. Für das Projekt „Entschleunigungsfabrik“ hat sich der Künstler Rainer Schneider mit drei Lehrerkolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Literatur und Musik (Ruth Mairvongrasspeinten, Martin Lindenthal, Christian Heinreich) zusammengeschlossen und Abende mit Lesungen, Konzerten und Diskussionen geplant. Doch davor wollen sie sich Zeit nehmen für die Fragen der Welt. „Sie werden Holz sammeln und dann hier Sitzmöbel bauen. Das heißt, es ist erst einmal ein Prozess, bei dem man als Besucher dann zuschauen kann, was sich da ergibt“, beschreibt Kirsch. Genau das sei auch das Spannende am Format, dass Interessierte nicht nur während den Veranstaltungen zum Austausch eingeladen sind, sondern auch beim Aufbau der Projekte zuschauen können und somit einen anderen Einblick bekommen würden.

Vielfalt

Das Künstlerhaus ist normal geöffnet und präsentiert währenddessen in den anderen Räumen außerdem drei weitere Ausstellungen und darunter eben auch die sieben neuen Mitglieder, die im vergangenen Jahr aufgenommen wurden und nun zusammen im Kellergeschoss ihre jeweils sehr unterschiedlichen Kunstwerke zeigen. Judith Saupper ist in Vorarlberg geboren und hat auch in der Schweiz gewohnt, was sie unter anderem in ihren Werken verarbeitet. Ihre mit verschiedenen Materialien geschaffenen Objekte thematisieren auf abstrakte Weise die Unsicherheiten im Alltag, Beziehungen, Gedanken sowie das eigene Scheitern. Mit Menschen beschäftigt sich auch die Fotografin Angelika Krinzinger, wobei sie in den Bildern jeweils einzelne Fragmente und Details fotografiert und zusammensetzt. Im Künstlerhaus zeigt sie eine Serie ohne Titel, die es schon seit etlichen Jahren gibt und in der jeweils Augen, Lippen und Brustwarzen derselben Personen untereinander geordnet sind.

Werk von Judith Saupper <span class="copyright">Florian Raidt</span>
Werk von Judith Saupper Florian Raidt

Ein weiteres neues Mitglied ist bereits im Jahr 1941 geboren: Norbert Gruber hat erst in seinen späteren Lebensjahren so richtig begonnen zu malen, sich aber dafür als Autodidakt umso eindrücklicher entwickelt, wie man an den vier Landschaftsbildern ablesen kann. Susanne Wimmer hat Modedesign studiert und arbeitet viel mit Textilstücken. Ihre Werke sind in Schmetterlingskästen zur Schau gestellt und verhandeln collagenartig – mit ausgeschnittenen Gesichtern und zusammengesetzten Körpern aus geometrischen Formen – das Neu-Konstruieren von Menschen. Mit Franz Amann, der mit Textil- und Papiercollagen vertreten ist, und Marcel Amann, der Glaubenshäuser im Street-Art-Stil auf eine Leinwand gebracht hat gibt es nun insgesamt fünf „A(m)manns“ in der ­Künstlervereinigung, die sich mit rund 300 Mitglieder in ihrer ­Vielfältigkeit jedes Jahr erweitert.

Gemälde von Norbert Gruber <span class="copyright">Florian Raidt</span>
Gemälde von Norbert Gruber Florian Raidt

Bis 3. März, Künstlerhaus Palais Thurn & Taxis Bregenz. Wohnzimmergespräch mit Winfried Nussbaummüller: 2. Februar, 18 Uhr.