Ein überwältigendes Klangereignis

Beim Konzert der Chorakademie Vorarlberg hat Markus Landerer zwei bedeutende Kirchenmusiker einander gegenübergestellt.
Von Thomas Thurnher
John Rutter, hochdekorierter englischer Chor-Komponist, eröffnet sein „Gloria“ mit auftrumpfenden Quarten-geschichteten Bläser-Akkorden. Dem gegenüber stellt er den Chor mit rhythmischer Raffinesse und mit weit ausschwingenden Kantilenen. Markus Landerer, mittlerweile seit 16 Jahren Domkapellmeister zu St. Stephan in Wien, hier im Ländle aber seit seiner Wirkungszeit am Landeskonservatorium noch immer sehr geschätzt, leitet mit deutlichen Gesten den großen Klangkörper.

Er löst sich vom simplen „Taktschlagen“ und verwandelt sich in einen musik-formenden Tänzer, der ruhig, aber klar vorgibt, wie die Musik zu gestalten sei. Die akkurat musizierende Sinfonietta Vorarlberg und die mächtige und sauber ausgestimmte Chorakademie Vorarlberg folgen den klaren Anweisungen des Domkapellmeisters präzise und so entwickelt sich ein Musizieren wie aus einem Guss: fließend, kraftvoll und überzeugend.
Schöne Klangimpressionen
Hinreißende Klangimpressionen entstehen im Mittelteil des großangelegten „Gloria“: Zu den drei „Domine Deus“-Abschnitten setzt Rutter über einem Klangbett aus gedämpften Streicherklängen schöne Bläser-Arabesken, die vom Chor zart und einfühlsam in weit ausladenden Bögen fortgeführt werden. Diese weihevollen Klänge sind so recht nach dem Geschmack des Domkapellmeisters und es macht Freude, ihn bei seinem hingebungsvollen Musizieren zu beobachten.
„Quoniam tu solus sanctus“ ist dann die Reprise, wo die wuchtigen Quarten-Akkorde des Anfangs wieder die Oberhand gewinnen. Hier erweist sich Rutter als versierter und mit der Tradition der europäischen Kirchenmusik bestens vertrauter Tonschöpfer, der bei „cum Sancto Spiritu“ auch ein Fugato und einen weitgespannten Cantus firmus in sein Werk einzubauen vermag, um dem reichen Schatz der Kompositionsverfahren der Kirche seine Reverenz zu erweisen. In den Gewölbebögen der Stella-Matutina-Kapelle entwickeln diese mächtigen Klanggebilde einen fast überbordenden Klangdruck und das entfesselte Orchester neigt manchmal dazu, den Chor in den Hintergrund zu spielen. Aber alles in allem setzt sich eine ungeheure Energie frei, die das „Gloria“ erhaben und kraftvoll zum Abschluss bringt.

Nach dem sehr nach außen drängenden „Gloria“ des John Rutter präsentiert sich die äußerst anspruchsvolle e-Moll-Messe für Chor und Bläser-Ensemble von Anton Bruckner als eine nach innen gerichtete Musik, die die Worte des Ordinarium Missae in ihrer tieferen theologischen Bedeutung auszulegen versucht. Der überaus heikle Einstieg in das Kyrie, der bei allen Chören gefürchtet ist, gelingt recht schön und der Chor kann in den vielen großzügig angelegten a-cappella-Passagen, die nur sporadisch von den 15 Bläsern der Sinfonietta harmonisch umflochten werden, große Klangkultur beweisen.

Mächtige Klang-Akkumulationen und vielfach verschachtelte polyphone Passagen im Gloria und im Credo vermag Markus Landerer mit seinem Ensemble plastisch und konturiert zu modellieren, sodass der natürliche Fluss und die Verständlichkeit der Musik immer gewahrt bleibt. Sensibles Austarieren der komplexen Klanggebilde und kluges Herangehen an die fein ineinander geflochtenen Linienführungen verhelfen im Sanctus der Satzweise Bruckners, die am Cäcilianismus orientiert ist, zu zeitlos gültigen Aussagen.
Standing Ovations
Und im Agnus Dei, das den mystischen Beginn der Messe noch einmal beschwört, bündelt das Ensemble ein letztes Mal feine Klangkultur und mächtige Kraft. Nach dem „dona nobis pacem“ zuerst eine lange Stille, dann ein großer Applaus für den Chor und die Bläser und schließlich Standing Ovations für Markus Landerer, der sich seinerseits applaudierend bei seinem Ensemble für die große Leistung bedankt, die eine große Herausforderung bedeutete und die so schön gelungen ist.