Kultur

Handwerk als Ursprung der Menschen

29.02.2024 • 23:00 Uhr
Pressekonferenz zur Sonderausstellung "Mythos Handwerk" im Vorarlberg Museum <span class="copyright">Beate Rhomberg</span>
Pressekonferenz zur Sonderausstellung "Mythos Handwerk" im Vorarlberg Museum Beate Rhomberg

Morgen eröffnet die neue Sonderausstellung „Mythos Handwerk. Zwischen Ideal und Alltag“ im Vorarlberg Museum in Bregenz.

Nicht das Handwerk, sondern die Menschen dahinter stehen in der neuen Ausstellung des Vorarlberg Museums im Fokus. „Dieses händische Tun, was dem Menschen eingeschrieben ist, das ist ja der eigentliche Ursprung des Handwerks, aber es ist natürlich auch der Ursprung überhaupt von uns allen.“ Deshalb sei eine Ausstellung wie „Mythos Handwerk. Zwischen Ideal und Alltag“ immer auch eine Ausstellung über die Menschen und ein „wahnsinnig grenzenloses Unterfangen“, sagt die Kuratorin Grit Weber vom Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main bei der gestrigen Pressekonferenz in Bregenz.

Grit Weber bei der Pressekonferenz im Vorarlberg Museum. <span class="copyright">Beate Rhomberg</span>
Grit Weber bei der Pressekonferenz im Vorarlberg Museum. Beate Rhomberg

Vom Mythos des Handwerks

Die gemeinsame Kooperation mit dem Vorarlberg Museum und dem Kunstgewerbemuseum, – Staatliche Kunstsammlungen Dresden begann 2020, als Weber während der Coronapandemie ausnahmsweise Zeit dafür fand, Roland Barthes Thesen über den Mythos zu lesen. Dieser sei beim Handwerk vor allem in der Sprache zu finden und nicht am Objekt, verweist Weber auf die vielschichtigen und teilweise widersprechenden Botschaften rund um das Handwerk, die der Sprachwissenschaftler Roland Barthes (1915–1980) in seinem kultursemiotischen Werk „Mythen des Alltags“ betrachtet hat.

Das Handwerk und dessen „Mythos“ sei ein zentrales Thema in der Vorarlberger Geschichte, die seit Jahrhunderten auch vom Bauhandwerk oder dem Textilhandwerk geprägt wurde, trotzdem habe sich das Handwerk auch durch die Industrialisierung stark gewandelt. „Dementsprechend ist es wichtig, eben nicht eine Geschichte des Handwerks zu erzählen, sondern das Handwerk ganz stark mit aktuellen Themen und vor allem diesen Transformationen in Verbindung zu bringen.“, sagt der Direktor des Vorarlberg Museums Michael Kasper.

Handwerk als Ursprung der Menschen
Vorarlberger Museums Direktor Michael Kasper Beate Rhomberg

In der Ausstellung werden gängige Zuschreibungen an das Handwerk hinterfragt und „idealisierte, romantisierende oder gar falsche“ Vorstellungen anhand von aktuellen Fragen näher beleuchtet. Diese fokussieren sich einerseits auf das grundlegende Element: Die Handwerkerinnen und Handwerker sowie die Hand des Menschen selbst, die bei motorischen Fähigkeiten auch stark mit die kognitiven beeinflusst – nicht umsonst soll der Philosoph Immanuel Kant die Hand „als sichtbaren Teil des Gehirns“ bezeichnet haben – andererseits wird das Handwerk in spezifischer Hinsicht auf Aspekte wie Luxus, Herkunft, Qualität, Austausch, Fortschritt sowie Identität und Heimat untersucht. Dabei wird das komplexe Zusammenwirken von „Einzelstücken“ und „Serienproduktion“ erklärt, aber auch globale Bezüge von vermeintlich lokaler Handwerkskunst aufgezeigt.

Aktuelle Fragen

Um das Thema leichter fassen zu können, aber auch das „Spielerische und inspirierende sinnliche Erleben“, das auch im Handwerk liege, begreifbar zu machen, haben die Kuratoren (Theresia Anwander, Vorarlberg Museum, Grit Weber, Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main, Kerstin Stöver und Ute Thomas, Kunstgewerbemuseum – Staatliche Kunstsammlungen Dresden) sechs einzelne Themenbereiche in aktuelle Fragen verpackt, wie etwa „Was unterscheidet die Profis von Laien?“, „Wann wird Luxus zur Notwendigkeit?“ oder „Ist das Handwerk besser als Design?“. Antworten dazu lassen sich in der Ausstellung finden und werden auch in Interviews beispielsweise mit einem Herrenmaßschneider, aber auch einem Installationstechniker oder einer Kunsthandwerkerin beleuchtet.

Theresia Anwander bei der Ausstellungsführung. <span class="copyright">Beate Rhomberg</span>
Theresia Anwander bei der Ausstellungsführung. Beate Rhomberg

Zu sehen gibt es Fotografien, Filmbeiträge, auf Handwerksberufe bezogene Statistiken und vor allem eine Vielzahl von interessanten größeren und kleineren Objekten, wie etwa Porzellanobjekte aus dem 3D-Drucker, auf deren Design auch der Zufall und die Materialität Einfluss nimmt, ein Bügeleisenofen, der auch zum Wasserkochen genutzt wurde oder die Stuhlinstallation „Tet-at-tet“, bei der die Gestalt der Sessel von Pilzformen inspiriert ist. Neben Kunstbeiträgen und Kleidungsstücken sind auch viele zeitkritische Positionen vertreten. Beispielsweise reagiert die Künstlerin und Ärztin Dominique Kähler mit gestrickten Wurstwaren auf Fragen zum Natur- und Artenschutz und die Schuhmachermeisterin Gabriele Gmeiner erzählt in einem Video, weshalb Kinderschuhe, die von Gefängnisinsassen hergestellt wurden, von Müttern nicht gekauft werden.

Gestrickte Wurstwaren, Dominique Kähler. <span class="copyright">Beate Rhomberg</span>
Gestrickte Wurstwaren, Dominique Kähler. Beate Rhomberg

Für Vorarlberg wurde die Schau verkleinert und laut Theresia Anwander mit regionalen Erkenntnissen ergänzt. Zur Ausstellung „Mythos Handwerk. Zwischen Ideal und Alltag“ ist im Verlag für moderne Kunst ein umfangreicher Katalog erschienen, erhältlich um 24 Euro an der Museumskassa und im Buchhandel.

März 2024 bis 6. Jänner 2025.