Kultur

Wahrheitsliebe, Eifersucht und Lebenslust

01.04.2024 • 12:29 Uhr
Der Menschenfeind
Martin Kušej siedelt das Stück im Wien der Gegenwart an. Matthias Horn

Das Ensemble des Wiener Burgtheaters war am Osterwochenende mit „Der Menschenfeind“ von Molière zu Gast bei den Bregenzer Festspielen.

Von Daniel Furxer

Manche Gefühle und auch Handlungsweisen sind dem Menschen seit Jahrhunderten ins Innerste eingeschrieben: Eifersucht, Liebesschmerz, die Intrige und das Ablästern über andere. Der französische Dichter Molière (1622–1673) schrieb dazu 1666 mit „Der Menschenfeind“ eine treffende Komödie, die jedoch zu seinen Lebzeiten wenig Anklang fand. Heute gehört dieses Stück zu den Bühnenklassikern; 1979 von Hans Magnus Enzensberger ins Deutsche nachgedichtet.

In Bregenz sah das Publikum als Gastspiel im Rahmen der Bregenzer Festspiele die bearbeitete Fassung des scheidenden Burgtheaterdirektors Martin Kušej. Er hievt das Stück ins Wien des 21. Jahrhunderts. Im düsteren Spiegelkabinett wird ein Sarg zu den Klängen des barocken Komponisten Henry Purcell („A Clockwork Orange“ lässt grüßen) zu Grabe getragen. Umrahmt wird die Handlung von einem Großaufgebot von Statisten, die sich rhythmisch zu Walzerklängen, Volksmusik und angedeuteten Technobeats bewegen. Sie sind wahlweise als Opernballgesellschaft, Swingerclub- oder Wiesnbesucher gekleidet.

Der Menschenfeind
Mavie Hörbiger und Itay Tiran als Célimène und Alceste. Matthias Horn

Alceste (gespielt von Itay Tiran) gibt den wahrheitsliebenden Protagonisten, der die (Wiener) Bussi-Bussi-Gesellschaft verachtet und die direkte Ansprache liebt. Dummerweise verscherzt er es sich so mit dem Möchte-gerndichter Oronte (Markus Meyer), dessen dilettantisches Gedicht er mit ein paar wenigen Worten in der Luft zerreißt. Er verliert daraufhin den Prozess gegen Oronte, der sich in seiner Ehre beleidigt fühlt.

Alcestes Freund Philinte (Christoph Luser), ausgleichendes Moment und Liebhaber des Kompromisses, kann ihn nicht davon abhalten, die scheinheilige und intrigante Gesellschaft auch weiterhin zu kritisieren.

Der Menschenfeind
Die Produktion war ein Gastspiel im Rahmen der Bregenerz Festspiele. Matthias Horn

Die Hälfte der Männer ist verliebt in die Femme Fatale Célimène (Mavie Hörbiger), die es liebt, ihre koketten Spielchen mit den Herren zu treiben und mit den Eifersuchtsdramen von Alceste wenig anzufangen weiß. Fast schon könnte einem der ansonsten sympathische Alceste leidtun, so sehr ist er in eine Abhängigkeitsbeziehung zu Célimène verstrickt. Diese denkt nicht im Geringsten daran, mit ihm auf die Abgeschiedenheit seiner Landgüter zu ziehen. Zu sehr begehrt sie die Anhimmlung anderer Männer.

Éliante (Lili Winderlich) ist der weibliche Konterpart, der auf Vernunft pocht, und so perfekt zu Philinte passt. Ganz im Gegensatz zu Arsinoé (Alexandra Henkel), die eifersüchtig auf Célimène blickt, da diese die Männer bekommt, die ihr verwehrt bleiben.

Der Menschenfeind
Szene aus dem Stück. Matthias Horn

Es geht drunter und drüber in diesem Stück – wie das eben bei Komödien der Fall ist. Die politisch aktuellen Einschübe zu „Sebastian“ und „René“ sind dabei zu wenig bissig und bleiben weitestgehend belanglos. Zwischendurch räkeln sich die Schauspielerinnen und Schauspieler im Güllegraben, eine nicht weit hergeholte Metapher für die versaute Gesellschaft.

Höchst amüsant die Szene, in der Arsinoé eine Annäherung an Alceste versucht, indem sie ihn in den Güllegraben zerrt und daraufhin besteigt. Schauspielerisch fabelhaft gespielt, fallen vor allem Itay Tiran und Mavie Hörbiger auf. Sein fast schon manischer Hang nach Wahrheit und Gerechtigkeit und ihre unbändige, ironische Lebenslust bilden zwei schöne Kontrapunkte, die wohl ebenso im 17. Jahrhundert als auch im heutigen Leben als Charaktere anzutreffen sind.

Das Ende kommt abrupt: Alceste macht einen gekonnten Abgang durch die Bretter, die ihm die Welt bedeuten.