Kultur

Von einer Realität in die andere

08.05.2024 • 20:27 Uhr
Ausstellung Martin Walde
Martin Walde im Künstlerhaus Bregenz roland paulitsch

Am Freitag Abend wird im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis in Bregenz die Einzelausstellung „IT“ des Tiroler Konzeptkünstlers Martin Walde eröffnet.

Sorgfältig wickelt Martin Walde dünne Fäden um mehrere Carbonstangen, die im Erdgeschoss mit Druckfedern in M-Formen verbunden sind und von Schnüren zu einem größeren eigentümlichen Gebilde verbunden werden. „Die endgültige Form ist extrem sensibel“ und könne vom Publikum frei gehandhabt werden, erklärt der Künstler. In diesem interaktiven Ansatz werden Besucherinnen und Besucher dazu animiert, sich durch die sich im Raum ausdehnende spinnenartige Installation zu bewegen und die Fäden nach Belieben zwischen die „Beine“ zu spannen, sodass am Ende in diesem „Universalmodell für kollektives Handeln“, wie Walde beschreibt, ein dichtes Netz entsteht, das als unendlich wachsender begehbarer Organismus fungiert.

Ausstellung Martin Walde
Die Installation “Web”. roland paulitsch

Zurück zur Zeichnung

In der letzten Ausstellung vor dem Sommer zeigt das Künstlerhaus Bregenz eine Einzelausstellung von einem „Nicht-Mitglied“ der Berufsvereinigung Bildender Künstlerinnen und Künstler Vorarlbergs. Ausgewählt wurde der 1957 in Innsbruck geborene Martin Walde, der im Jahr 1992 schon einmal bei einer Gruppenausstellung im Haus vertreten war und dessen Arbeiten oft von Zufälligkeiten geprägt sind und die Realität weiterdenken. In der Ausstellung „IT“ zeigt er raumgreifende Installationen, Plastiken und zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder den „zentralen Ausgangspunkt“ seiner Arbeit, „weil die beiden Flügel des mittleren Stockwerks ideal sind für sequentielle Folgen von Zeichnungen“. „Die Zeichnung“ sei seine private Werkstätte, in der die ersten Gedanken und Überlegungen in Zustände oder Gesten umgesetzt werden. „Es geht um die Findung und Erfindung von etwas“, beschreibt Walde seine Charaktere, um die herum er eine Art Parallel­universum schafft, in dem sie eigenständig sind und reale Abbildungen durchbrechen und abstrahieren.

Ausstellung Martin Walde
Zeichnungen des Charakters “IT” roland paulitsch

Heruntergeladene Gedanken

Die Zeichnungen, die alle von November bis Februar entstanden sind, drehen sich um den von Walde neu erfundenen ikonografischen Charakter „IT“, eine Figur, die leicht erkennbar und in der Form – mit breitem Kopf und einer Blase als Körper – an eine Sanduhr erinnert. „Das ist das einfache Schema von Denken und Handeln, man hat einen Gedanken, der quasi „heruntergeladen“ und mit den Finger aufgezeichnet wird, in der Hoffnung, dass es genau das war, was oben gedacht worden ist.“, erklärt der Künstler im Gespräch. Diesen „IT“ gibt es als große abstrakte Malerei, aber auch zusammen mit realistischen Figuren aus Filmen, die in der Gestik Realitätsmomente visualisieren. Es gehe „um diesen Switch von einer Realität in die andere“ und das Zusammenwirken verschiedener Realitätsebenen. Insgesamt hat Walde über 400 Zeichnungen entwickelt, die in mehreren Folgen nebeneinander von der Schwierigkeit erzählen, Gedanken umzusetzen.

Ausstellung Martin Walde
Die Ausstellung ist bis 23. Juni geöffnet. roland paulitsch

Dekonstruktion

Eine weitere begehbare Installation präsentiert der Künstler im Keller, die sich wie ein wachsendes Wesen durch die niedrigen Räume zieht. Erstmals ist seine modulare Arbeit „out oft he blue to an open end“ – die er bereits vor 20 Jahren aufzeichnete – in dieser raumgroßen Dimension erlebbar. „Es ist eine Frage der Verteilung der Kräfte“, beschreibt Walde die Arbeit, die mit ungleichen Winkeln und ohne geometrische Elemente auskommt und dennoch mit jedem zugefügten Teil mehr Stabilität erlangt. „Die ideale Form von Skulptur kann unendlich weitergebaut werden.“ Die Konstruktion mit gebogenen Stangen sei angelehnt an die Natur – die sich nicht auf einzelne Maße festlegt, sondern in der Variation ganz unterschiedlich ausgeprägt sei. Darstellen möchte Walde damit auch die fiktive Architektur einer Stadt, die in die Luft gebaut ist und sich in alle Richtungen ausbreitet. „Das ist dieser Weg von der Zeichnung, wo alles möglich ist, zum Versuch, diese Fiktion, die im Denken und in der Betrachtung von Gesellschaft und Kultur entsteht, irgendwann in die Realität umzusetzen.“ Waldes Installationen seien „typische Realisierungen aus den Gedanken heraus“, die in grundlegenden Modellen auf interessante Weise aufzeigen, wie der Künstler die Welt betrachtet.